zum Hauptinhalt

Sport: Hertha BSC: Wie viele Chefs verträgt eine Abwehr?

Vielleicht ist es ja der unterschiedliche Druckausgleich, der beide so gegensätzlich wirken lässt. Dick van Burik schlendert gemächlich über die Wege des Trainingsquartiers, das Hertha BSC in der Nähe Marbellas bezogen hat.

Vielleicht ist es ja der unterschiedliche Druckausgleich, der beide so gegensätzlich wirken lässt. Dick van Burik schlendert gemächlich über die Wege des Trainingsquartiers, das Hertha BSC in der Nähe Marbellas bezogen hat. Sein Chef wirkt unruhig und eifrig. Das führt zwangsläufig dazu, dass der Fußballlehrer Jürgen Röber außerhalb des Übungsplatzes so gut wie nicht zu stellen ist. Möglicherweise sind es die vielen Gegentore, die seine Mannschaft in der Hinserie kassiert hat, die ihm nicht aus dem Kopf gehen wollen, und ihm diesen - salopp formuliert - kosten können, sollte sich das nicht bald und spürbar ändern.

Auch van Burik macht sich so seine Gedanken. Nicht darüber, was die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Röber und Hertha anbelangt. Wohl aber über die vielen Abstimmungsprobleme im Hinterland der Mannschaft. Ganz unbeteiligt ist van Burik daran nicht. 13 der 18 Bundesligaspiele absolvierte der Verteidiger, dazu noch zwei im DFB-Pokal und fünf der sechs Spiele im Uefa-Cup. 34 Gegentore musste Hertha hinnehmen, zu viele, um darüber hinweg zu sehen. Hier sind sich Röber und van Burik einig. Schließlich treffen sich täglich fünf Spieler im Quartier des Trainers zu einer etwa halbstündigen Videovorführung. Gegeben wird ein Streifen, der eben von diesen vielen Gegentoren samt ihrer Entstehungsgeschichte handelt. Van Burik, dem von Röber das größte Potenzial aller Berliner Verteidiger nachgesagt wird und dessen Leistung er nicht selten "überragend" findet, zählte zur ersten Abordnung und sagt: "Ich finde es ganz gut, dass der Trainer das so macht. Wäre die Gruppe zu groß, würde sich wohl der eine oder andere Spieler angegriffen fühlen oder vorgeführt vorkommen."

Van Burik erzählt eine Geschichte aus der Heimat. "Bei Ajax Amsterdam lernst du schon als Achtjähriger, wie du mit Druck umgehen musst. Da geht man in ein Spiel, um es zu gewinnen. Nicht, um es nicht verlieren zu wollen. Und das muss auch noch schön aussehen." So etwas erfordert Sicherheit und Selbstbewusstsein. "Bei uns aber habe ich den Eindruck, dass sich einige Spieler nur dann sicher fühlen, wenn die Mannschaft defensiv spielt", sagt van Burik. Nun ist es müßig, Vorzüge einer defensiven mit denen einer offensiven Strategie abzuwägen. Hertha hat mit der von Röber vorgegebenen Taktik viele Tore erzielt und bisweilen recht ansehnlich gekickt. Defizite liegen woanders. Vor allem in der Kommunikation.

Als Herthas ehemalige zentrale Figur, der Norweger Kjetil Rekdal, im Frühjahr des vergangenen Jahres quasi vom Hof getrieben wurde, hatte van Burik seinen Vertrag längst verlängert. Hertha tat das damals gern, weil sowohl der Trainer als auch Manager Dieter Hoeneß im Holländer den kommenden Abwehrchef sahen und das kund taten. Wer immer es auch hören wollte.

Hinüber in die laufende Saison hat sich davon nicht viel gerettet. Röber startete nämlich nicht mit van Burik, sondern mit René Tretschok auf der Position des Organisators. Dem enttäuschten - weil vergessenen - van Burik sagte der Trainer, er wolle künftig offensiver spielen. Das Experiment mit dem torgefährlichen Mittelfeldspieler als Abwehrchef erwies sich nach wenigen Spielen als ein solches. Wie vieles, was danach kam. So durfte etwa der gänzlich untaugliche Grieche Kostas Konstantinidis, ein weiterer Mittelfeldspieler, die Abwehr organisieren. Eine Notlösung, wie Röber damals sagte. Van Burik wahrte Loyalität. Beendet wurde das Jahr mit einem Abwehrchef Andreas Schmidt. Und - erraten - auch der kommt aus dem Lager der Mittelfeldspieler.

Das wirft eine grundsätzliche Frage auf: Wie viele Chefs verträgt eine Abwehr? Van Burik wird sich alsbald beim Manager und Trainer eine Antwort abholen, sofern er sie nicht schon früher auf dem Platz findet. "Ich denke, dass ich eine gute Hinrunde gespielt habe, wenn auch nicht in der Zentrale. Und einmal im Jahr sollte man sich tief in die Augen schauen und klar Position beziehen. Wir sind doch erwachsene Menschen." Vor allem wenn man 27 ist und die besten drei Jahre eines Fußballers vor sich hat.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false