zum Hauptinhalt
Gute Raumaufteilung. Auf Hertha BSC wartet in Dortmund die erste richtige Bewährungsprobe in dieser Saison – trotzdem rechnen sich die Berliner etwas aus.

© AFP/Macdougall

Hertha BSC zu Gast bei Borussia Dortmund: Konter statt Ballbesitz

Aus Respekt vor Borussia Dortmund weicht Hertha-Trainer Pal Dardai im Bundesliga-Auswärtsspiel beim BVB von seinem neuen Taktik-System ab.

Mit den Mehrheitsverhältnissen ist das eine recht komplizierte Angelegenheit, im Sport wie in der Politik. Knappe Vorteile in relevanten statistischen Werten garantieren in den seltensten Fällen auch den erfolgreichen Ausgang eines Spiels respektive einer Abstimmung, das wissen wir nicht erst seit Volker Kauder. Im Gegensatz zum Parlament lebt der Fußball allerdings zu großen Teilen von dieser anarchistischen Note, dass nicht immer die bessere, die aktivere Mannschaft gewinnt. Deshalb hat Pal Dardai schon einmal vorsorglich seine Gleichgültigkeit darüber zum Ausdruck gebracht, dass es am Sonntag wohl nicht klappen wird mit einem Teilerfolg in einer nicht so ganz unbedeutenden Statistik des modernen Profifußballs, jedenfalls nicht für sein Team. „Wahrscheinlich schaffen wir nicht den Ballbesitz, den wir zuletzt hatten“, hat der Trainer von Hertha BSC vor dem Spiel bei Borussia Dortmund (15.30 Uhr) gesagt. Werte jenseits der 50 Prozent, wie zuletzt gegen  Augsburg (1:0) und Bremen (1:1)? „Das wird ganz, ganz schwer“, ergänzte Dardai mit einem Lächeln.

Seine Ahnung deckt sich mit der der sportinteressierten Allgemeinheit. Nach soliden Auftritten gegen solide Bundesligisten wartet in Dortmund die erste richtige Bewährungsprobe auf Berlins führendes Fußball-Unternehmen und sein im Sommer generalüberholtes System. Das belegt schon ein Blick auf das Zahlenwerk: Unter dem neuen Trainer Thomas Tuchel haben die Dortmunder alle sieben Pflichtspiele gewonnen, ein Torverhältnis von 27:5 herausgeschossen und sich den Status des wohl aufregendsten Teams der noch jungen Saison verdient. Vor dem aktuellen Spieltag war der BVB sogar mal wieder Tabellenführer der Bundesliga – zum ersten Mal seit knapp zwei Jahren.

„Das Spiel wird eine Riesenherausforderung für uns“, sagt Herthas Co-Trainer Rainer Widmayer, und sein Vorgesetzter klingt ganz ähnlich. „Jeder weiß, wie schnell diese Dortmunder Mannschaft ist“, sagt Dardai, „und ich meine nicht nur läuferisch, sondern vor allem die Handlungsschnelligkeit.“ Auf der Suche nach einem Mittel gegen diese Stärken wollte sich Dardai aber nicht in die Karten schauen lassen. „Warum haben wir denn den Trainingsplatz für Zuschauer sperren lassen, wenn ich vor dem Spiel sage, was wir vielleicht machen wollen?“

Sitzt Salomon Kalou in Dortmund nur auf der Ersatzbank?

Die öffentlichen Einheiten waren jedenfalls extrem auf die Anforderungen für das heutige Spiel ausgerichtet: Bei den Übungen stand den Profis wenig Platz und noch weniger Zeit zur Ballzirkulation zur Verfügung. Am Mittwoch etwa wurden verschiedene Varianten des allseits beliebten Spielchens „vier gegen zwei“ praktiziert: zunächst mit maximal zwei Ballkontakten pro Spieler, später mit exakt zwei Ballkontakten. „Das ist eine sehr gute Übung, weil man Dreiecke bilden muss. Wie im Spiel“, sagt Widmayer. „Da muss der Ball nach zwei kurzen Pässen in die Tiefe kommen.“ Außerdem haben sich die Berliner unter Ausschluss der Öffentlichkeit eingehender mit Freistoßvarianten beschäftigt.

Dardai und Widmayer haben also ordentlich getüftelt. Dabei sind sie offenbar zu der Erkenntnis gelangt, dass sie zumindest im Detail von ihrem bisherigen Konzept – mehr Ballbesitz, höheres Verteidigen, mehr Tempo – werden abweichen und dem Gegner die Initiative überlassen müssen. Heimlich und leise hoffen sie im Trainerstab auch darauf, dass der BVB die eigene Defensive angesichts seiner Angriffslust vernachlässigen könnte – so geschehen in der Qualifikation zur Europa League gegen das, mit Verlaub, zweitklassige Team von Odds BK. „Dortmund hat sehr viele schnelle Spieler, die extrem gut nach vorne spielen. Das heißt aber auch: Es gibt Räume“, sagt Widmayer.

Da kommt Genki Haraguchi ins Spiel. Dem Japaner werden gute Chancen eingeräumt, als einziger Berliner Angreifer in der Startformation zu landen – anstelle des üblicherweise im Sturmzentrum gesetzten Salomon Kalou. Auch dieses Szenario haben Dardai und Widmayer im Training durchexerzieren lassen, wenn auch nur mit neun gegen neun Feldspieler. „Genki ist sehr schnell, das ist wichtig gegen Dortmund“, hat Dardai noch gesagt.

An Ideen mangelt es den Berlinern also nicht, obwohl noch unklar ist, wie sich Theorie und Praxis vereinbaren lassen. Und falls all die Pläne nicht aufgehen? „Ich will einfach sehen, dass wir gut aussehen“, sagt Dardai. Statistiken und Mehrheitsverhältnisse sind erstmal außen vor.

So könnte Hertha spielen: Kraft – Pekarik, Brooks, Langkamp, Plattenhardt – Skjelbred, Lustenberger – Beerens, Darida, Stocker – Haraguchi.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false