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Spieglein, Spieglein in der Hand. Für Bodo Illgner ist die Champions-League-Trophäe, die er mit Real Madrid zwei Mal gewann (hier 1998), der schönste Pokal von allen. Für den Torhüter hat sie sogar eine größere Bedeutung als der Weltmeisterpokal von 1990.

© picture-alliance / dpa

Real Madrid: Der einzige Verein von Welt

Bei Real Madrid ist alles größer, lauter und anspruchsvoller als anderswo. Der Klub ist Legende, weil das Beste für seine Fans gerade gut genug ist.

Real Madrid ist ein Mythos. Warum? Weil alles eine Nummer größer ist als anderswo: das Stadion, die Presselandschaft und vor allem die Erwartungshaltung der Fans. Und nicht zu vergessen: die Spieler. Real vereint immer die Besten der Besten in seinem Team. Herthas Fans können sich also freuen, Leute wie Cristiano Ronaldo oder Iker Casillas bekommt man nicht jeden Tag zu sehen.

Jeder Fußballer träumt davon, einmal in seiner Karriere für diesen Klub zu spielen, und oft bleibt es auch nur ein Traum. Zu Real kommt man nicht einfach so. Gewisse Erfolge müssen vorher schon vorhanden sein, und dann muss man zeigen, ob man wirklich das Zeug hat, sich täglich mit den Besten zu messen. Im Stadion gibt es ein vereinseigenes Museum, dort sind alle Spieler, die bei Real waren, in einer Art Ahnengalerie verewigt. Die Namen sind ein Who’s who der Fußballgeschichte. Alfredo di Stefano, Ference Puskas, Günter Netzer, Zinedine Zidane, Luis Figo, Ronaldo und und und. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Irgendwo zwischen all diesen großen Namen hängt auch ein Bild von mir, und das macht mich schon ziemlich stolz.

Ich hatte nie damit gerechnet, einmal für den Weltklub Real Madrid zu spielen. Auf der anderen Seite konnte ich aber auch nur dort landen. Das klingt komisch, ist aber leicht zu erklären: In meinem Vertrag mit dem 1. FC Köln gab es eine Klausel, die mir einen vorzeitigen Wechsel nur erlaubte, wenn ein Verein vier Millionen Mark bereit wäre zu zahlen. Und das war in den Neunzigern niemand – außer Real. Damals war eine solche Summe noch viel Geld, gerade für einen Torwart. Umso überraschter war ich, als am letzten Tag der Transferperiode 1996 um 17 Uhr das Telefon klingelte. Meine Frau verhandelte per Fax mit den Verantwortlichen, so dass wir gegen 23 Uhr mit einer Privatmaschine in Madrid landeten. Bis 2 Uhr in der Nacht mussten die Unterlagen beim spanischen Verband sein, das war vielleicht eine Hektik. Wir haben in irgendeinem Zimmer im Bernabeu-Stadion gesessen, und ich war zuerst richtig enttäuscht. Der Raum war schmucklos und trist. Weiße Wände, alte Stühle – sollte das etwa der Glamour sein, für den Real bekannt ist? Der Verein befand sich 1996 in einer schwierigen Phase. Die abgelaufene Saison hatte man nur als Sechster beendet – für Real ein gefühlter Abstieg. Das Stadion war noch nicht renoviert, und Geld wie heute unter Präsident Florentino Perez war auch noch nicht im Übermaß vorhanden.

So einen richtigen Eindruck, was es heißt, für Real Madrid zu spielen, bekam ich dann beim ersten Training. Ich war aus Köln schon einiges gewohnt, aber zu den Einheiten Reals kamen dreimal so viele Leute. Alles wurde von den Zuschauern genau beobachtet und entweder mit Beifall oder Argwohn kommentiert. Ich wurde zunächst kritisch beäugt. Die Herzen der Fans gehörten Francisco Buyo, der seit 1986 das Tor von Real hütete und eine echte Klublegende war. Sein spektakulärer Stil kam an, ich dagegen mit meiner nüchternen Art konnte nur selten Applaus erhaschen. Nach und nach ließen sich die Fans aber überzeugen. Ich machte kaum Fehler und war irgendwann akzeptiert.

Das Gleiche gilt für die Presse. Wer denkt, dass es in Deutschland nicht zimperlich zugeht, der kennt Spanien nicht. Allein in Madrid gibt es zwei große Sportzeitungen, die fast ausschließlich über Real berichten. Dazu kommen noch die vielen Tageszeitungen. Man sitzt im Glashaus, jeder Schritt wird abgebildet oder zum Thema gemacht. Fußball ist den Spaniern unheimlich wichtig, und selbst die kleinste Meldung wird morgens in den vielen Cafes leidenschaftlich ausdiskutiert. Ich mochte diese Begeisterung, aber die Intensität, mit der wir von der Presse beobachtet wurden, ging mir eindeutig zu weit. Ich bin dann privat kaum in die Stadt gegangen, meine Frau hat sogar für mich die Hosen gekauft. Aber daran merkt man, dass man bei einem ganz besonderen Klub gelandet ist.

Real polarisiert, das hat sich bis heute nicht geändert. Bei Auswärtsspielen wurden wir immer besonders angefeindet und jede Mannschaft hat noch mal zehn Prozent mehr gegeben als normal. Gerade so kleine enge Stadien wie in Bilbao oder Sevilla glichen bei Spielen gegen uns einem Hexenkessel. Ich bin dann immer als Erster raus zum Aufwärmen, um die Pfiffe auf mich zu lenken. Mir hat das nichts ausgemacht, und wenn meine Mitspieler rauskamen, hatte sich die erste Wut schon etwas gelegt. Kurioserweise fand ich die Auswärtsspiele einfacher als die Heimspiele. Im Bernabeu ist das Publikum sehr anspruchsvoll. Es will Spektakel, Dramatik und große Emotionen. Und am besten alles auf einmal. Selbst ein Stil, wie ihn heute der FC Barcelona pflegt, würde in Madrid nicht ankommen. Der ewige Ballbesitz und die vielen Pässe würden die Leute langweilen. Die Anforderungen sind höher als bei jedem Klub der Welt – auch das macht ihn zur Legende. Real ist bei allem Spitze: Rekordmeister in Spanien, Rekordsieger der Champions League. Ein Erfolg jagt den nächsten.

Wenn man als Spieler in das Bernabeu einläuft, bekommt man Gänsehaut. Die Kulisse ist gigantisch: 90 000 Zuschauer, die nur dein Allerbestes akzeptieren. Für mich war die Zeit in Madrid die aufregendste meiner Karriere – und die erfolgreichste. Wir sind im ersten Jahr gleich Meister geworden. Trotzdem musste Trainer Fabio Capello gehen, weil seine Art von Fußball nicht spektakulär genug war. Auch das gibt es nur bei Real. Unter Capellos Nachfolger Jupp Heynckes haben wir noch die Champions League gewonnen, was ich fast noch über den Gewinn der Weltmeisterschaft 1990 stellen würde. In Italien hatte ich als junger Torwart in einer überragenden Mannschaft kaum etwas zu tun, aber bei Real musste ich jedes Wochenende zeigen, was ich kann. Mein Ersatzmann Santiago Canizares war schließlich auch Nationaltorwart, und dann gab es da ja noch diesen aufstrebenden, jungen Burschen namens Iker Casillas.

Der Konkurrenzkampf bei Real ist einzigartig, auch das ist etwas, was den Klub von jedem anderen unterscheidet.

Bodo Illgner war von 1996 bis 2001 Torwart bei Real Madrid. Mit dem Klub gewann er die Spanische Meisterschaft (1997, 2001), die Champions League (1998, 2000) und den Weltpokal (1998). Sein Text wurde aufgezeichnet von Sebastian Stier.

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