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Herthas Lewan Kobiaschwili.

© dpa

Hertha BSC: Der Schiedsrichter hat immer Recht

Herthas Spieler Lewan Kobiaschwili droht wegen Tätlichkeit eine zwölfmonatige Sperre – seine Chancen auf Milde stehen schlecht.

Ein Trost für Herthas Spieler Lewan Kobiaschwili ist es sicherlich nicht. Aber immerhin: Wenn heute zunächst ein Einzelrichter über die vom Kontrollausschuss des DFB beantragte Strafe von zwölf Monaten wegen Tätlichkeit gegen den Schiedsrichter Wolfgang Stark nach dem Relegationsspiel gegen Düsseldorf befindet, darf er nicht über dieses Strafmaß hinausgehen. Das regelt die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB. Interessanter ist natürlich die Frage: Wird der Richter unter dem vom Kontrollausschuss geforderten Strafmaß bleiben, oder gibt es sogar die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung?

Zunächst muss man sagen: Es ist fast unmöglich für Kobiaschwili, aus dieser Nummer ohne Strafe herauszukommen. Das liegt in erster Linie daran, dass die Glaubwürdigkeit des Schiedsrichters in der Sportgerichtsbarkeit sozusagen institutionell verankert ist. An der Aussage des Schiedsrichters wird an sich nicht gezweifelt, deshalb gilt in anderen strittigen Fällen eines Spiels auch immer die Tatsachenentscheidung des Unparteiischen. Darauf beruht die Sportgerichtsbarkeit. Nur in seltenen Fällen ist es möglich, eine Tatsachenentscheidung zu revidieren. Unmöglich ist das nicht.

Der Kontrollausschuss des DFB ist eine Art Staatsanwaltschaft. Der Ausschuss, der bei Roten oder Gelb-Roten Karten automatisch Anträge für Spielsperren ausspricht, beruft sich in erster Linie auf den Spielbericht des Schiedsrichters. Früher hatte es solch einen Strafantrag noch nicht gegeben. Da wurde teilweise erst nach Tagen oder Wochen bekannt, wie hoch das Strafmaß ist.

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Heute klagt der Kontrollausschuss sofort an, dann hat der Spieler die Möglichkeit, die Strafe zu akzeptieren oder nicht. Akzeptiert er nicht, entscheidet zunächst ein sogenannter Einzelrichter – ohne Verhandlung. Der Spielbericht liegt den Vereinen genauso schnell vor wie dem Kontrollausschuss, so dass der Verein sofort seine Sicht der Dinge den zuständigen Gremien schriftlich mitteilen kann.

Im Falle von Kobiaschwili und den anderen Hertha-Spielern, denen lange Strafen drohen, fanden die Ereignisse, die zur beantragten Sperre führen, zwar nach dem Spiel statt, das wiederum spielt bei der Bewertung der Taten keine Rolle.

Wolfgang Stark wirft Kobiaschwili vor, ihn nach Spielschluss auf dem Treppenabgang des Spielertunnels von hinten mit einem Faustschlag am Hinterkopf getroffen zu haben.

Der Unparteiische soll daraufhin ins Straucheln geraten sein und einen Sturz nur durch das Abstützen am Treppengeländer vermieden haben.

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Stark sagt, er habe ein Hämatom am Hinterkopf erlitten. Kobiaschwili selbst hat, nach Aussage von Herthas Präsident Werner Gegenbauer „Stein und Bein geschworen, dass er nicht geschlagen hat“.

Stark hat wiederum auch Strafanzeige wegen Körperverletzung gestellt. Allerdings teilte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf auf Anfrage mit, dass weder Stark noch Kobiaschwili bisher einen Anwalt benannt hätten. Die Staatsanwaltschaft habe weder mit Stark noch mit dem Hertha-Spieler Kontakt, heißt es.

Das sportgerichtliche Strafmaß von einem Jahr wäre nicht einmal die Höchststrafe. Nach Paragraf 8 der Rechts- und Verfahrensordnung kann für eine Tätlichkeit gegen den Schiedsrichter eine Strafe zwischen sechs Monaten und zwei Jahren ausgesprochen werden. Bei Beleidigung oder Bedrohung bis zu drei Monaten.

Wenn am Montag der Einzelrichter zunächst über den Fall entscheidet, wird es im Normalfall keine mündliche Verhandlung geben. Nur wenn der Einzelrichter „grundsätzliche Bedenken“ anmeldet, kann er nach Paragraf 15 eine mündliche Verhandlung ansetzen. Seinen Einspruch gegen das vom Kontrollausschuss vorgeschlagene Strafmaß konnte Kobiaschwili bisher nur schriftlich vortragen. Erst in der nächsten Instanz vor dem Sportgericht, mit drei Richtern, wird der Spieler gehört. Dann kann auch die Hertha-Seite Fragen stellen. Bisher stehen die Aussagen unversöhnlich gegenüber.

Schiedsrichter Stark könnte sich geirrt haben.

Im Bericht über die Ereignisse nach dem Relegationsspiel hat Stark nach Angaben von Hertha BSC den vierten Offiziellen als Zeugen benannt, der auch gesehen haben will, dass Kobiaschwili Stark geschlagen habe. Ein langjähriger, ehemaliger Bundesliga-Schiedsrichter, der Stark seit seinem 15 Lebensjahr kennt, sagt, dieser sei ein zurückhaltender, aber durchweg glaubwürdiger Mann. Wenn der Schiedsrichter Strafanzeige gestellt habe, müsse „Außergewöhnliches“ geschehen seien.

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Hertha selbst gibt immer wieder zu bedenken, dass man auf Fotos sehen könne, dass Kobiaschwili und Stark weit von einander entfernt stehen. Auf einem Foto sieht man, wie Stark schon vor dem Eingang zu den Kabinen steht und sich zurück zur Treppe dreht und Kobiaschwili weit weg von ihm noch am Rand der Treppe steht. Aus dem Umfeld von Hertha ist zu hören, dass der vierte Offizielle, der für Stark ausgesagt habe, noch hinter Kobiaschwili gestanden habe. Hertha hat sich auch darüber mokiert, dass es bei der von Hertha initiierten Verhandlung über eine mögliche neue Spielansetzung immer wieder auch um die Geschehnisse nach dem Spiel gegangen sei.

Hertha vor Gericht: Sehen Sie hier die Bilder:

Eine unzulässige Vermischung, findet der Klub und eine Vorverurteilung der Spieler, weil Stark ausführlich geschildert habe, was ihm wiederfahren sei. Doch Hertha ist, finden Experten, selbst schuld, weil man mit „Todesangst“ argumentiert habe und darauf die Forderung nach Spielwiederholung fußte. So blieb dem Richter nichts anderes übrig, als den Schiedsrichter zu fragen, was denn alles geschehen sei. Hätte Hertha nur mit „irregulären Verhältnissen“ argumentiert, hätten die Chancen besser gestanden. So konnte niemand die Todesangst beweisen.

Was bleibt, ist eine andere Variante: Schiedsrichter Stark könnte sich geirrt haben. Hat nicht Kobiaschwili geschlagen, sondern ein anderer Herthaner? Wenn der Schiedsrichter sich offensichtlich geirrt hat, sieht Paragraf 12 die Einstellung des Verfahrens vor.

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