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Lucien Favre, 54, ist seit Februar Trainer bei Borussia Mönchengladbach. Zuvor hat er etwas mehr als zwei Jahre bei Hertha BSC gearbeitet.

© dapd

Lucien Favre im Interview: "Marco Reus bei Hertha? Wir hatten kein Geld"

Mönchengladbachs Trainer Lucien Favre spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über seine Rückkehr nach Berlin und einen gescheiterten Transfer.

Herr Favre, Ihre Rückkehr nach Berlin …

… habe ich sehr genossen. Erstens, weil ich beim Spaziergang mit der Mannschaft mal wieder das Brandenburger Tor gesehen habe. Und zweitens, weil wir endlich wieder ein Auswärtsspiel gewonnen haben, das erste seit sechs Wochen.

So ein Sieg bei Ihrem ehemaligen Verein zählt doch emotional mindestens doppelt.

Nein. Ich bin Trainer von Mönchengladbach, ein Sieg bei Hertha ist für mich nichts anderes als einer in Hamburg. Natürlich verbinde ich sehr schöne Erinnerungen mit Berlin, aber was den Fußball angeht, sehe ich das völlig emotionslos.

Wie war das Wiedersehen mit Ihren alten Vorgesetzten? Sie haben lange mit Hertha-Präsident Werner Gegenbauer geredet.

Ja, das war ein sehr schönes Gespräch. Herr Gegenbauer ist ein guter Mensch.

Ihr Draht zu Michael Preetz ist wohl nicht so gut. Vor dem Spiel hat Herthas Manager betont, in Herthas Mannschaft stecke nichts mehr von Ihnen drin.

So, hat er das? Wir haben uns die Hand gegeben. Es ist okay. Ich habe einen sehr guten Kontakt zu Trainer Markus Babbel. Wir haben uns sehr nett unterhalten.

Babbel hat einen seltsamen Satz zum brutalen Foul seines Verteidigers Maik Franz gegen Ihren Nationalspieler Marco Reus gesagt: Das sei eine Traumsituation für einen Innenverteidiger gewesen, er trifft den Ball und räumt den Gegenspieler ab.

Das ist vorbei. Marco hat zwei Tore geschossen. Schluss, aus, fertig.

Lesen Sie auf Seite 2, warum ein Transfer von Marco Reus zu Hertha nie zustande kam.

In Berlin wird behauptet, es sei Ihre Schuld, dass Reus in Gladbach spielt und nicht für Hertha. Sie hätten ihn im Frühjahr 2009 nicht gewollt, als er vom Zweitligisten Ahlen in die Bundesliga wechselte.

Entschuldigung, aber das ist dummes Zeug. Diese Angelegenheit ist sehr viel komplexer gewesen. Wer sagt, was er weiß, sagt auch, was er alles nicht weiß.

Was weiß man denn so alles nicht über dieses Thema?

Sie wissen doch, wie damals die Lage bei Hertha war. Wir mussten Geld sparen und wussten nicht, wo wir im nächsten Jahr stehen. Ob wir uns für die Champions League qualifizieren oder für die Europa League oder am Ende für gar nichts. Davon hing doch unser finanzieller Spielraum ab. Dazu kam die angespannte Stimmung zwischen zwei Lagern …

… hier Präsident Gegenbauer, dort Manager Dieter Hoeneß …

Als wir Marco im April 2009 getroffen haben, war Dieter Hoeneß gar nicht dabei. Wir waren zu fünft oder sechst bei diesem Gespräch: Michael Preetz, mein Assistent Harald Gämperle und die Scouts. Ich hatte ihn nie live gesehen, sondern nur auf DVD. Das sah gut aus, er war ein interessanter Spieler, aber denken Sie bitte nicht, dass wir die Einzigen waren, die Marco Reus wollten. 20 Vereine waren hinter ihm her, übrigens auch Borussia Dortmund. Der hat nicht darauf gewartet, ob Hertha BSC ihn wollte oder nicht.

Wollten Sie ihn denn nun oder nicht?

Natürlich hätten wir ihn gern genommen, aber wir waren nicht in der Lage, eine seriöse Entscheidung zu treffen. Wir hatten kein Geld. Irgendwann hat Marco eine Entscheidung für sich getroffen.

Damals hätten Sie auch den Kroaten Ivan Perisic und den Ghanaer Andre Ayew haben können. Beide sind heute Nationalspieler, der eine spielt in Dortmund, der andere bei Olympique Marseille.

Das müssen Sie im Zusammenhang sehen. Ayew war 18 und wäre als Afrikaner nicht für unser Nachwuchsteam spielberechtigt gewesen. Was, wenn er es nicht in die Bundesliga geschafft hätte? Perisic haben wir gegen einen Sechstligisten getestet, da war er katastrophal. Und bedenken Sie: 2009 war es unsere Aufgabe, unser weniges Geld in Nachfolger für Joe Simunic und Andrej Woronin zu investieren. Wir brauchten einen Innenverteidiger und eine Nummer neun. Dabei hätten uns weder Andre Ayew noch Ivan Perisic geholfen. Und Marco Reus wohl auch nicht.

Das Gespräch führte Sven Goldmann.

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