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Käpt’n Blaubär. Andre Mijatovic gelang ein starkes Comeback und Hertha nach drei Niederlagen wieder ein Sieg.

© City-Press

Andre Mijatovic: Rückkehr des Hertha-Rückgrats

Über seinen Einsatz gegen Erzgebirge Aue durfte er selbst entscheiden: Der lange Zeit verletzte Kapitän Andre Mijatovic spielt nicht schön, stabilisiert aber Herthas Gebilde.

Berlin - Es gibt Ähnlichkeiten, die fallen einem erst mit der Zeit ins Auge. Zum Beispiel als sich Hertha BSC bereit machte für das Spiel gegen Erzgebirge Aue. Der Berliner Kapitän führte seine Kollegen aufs Feld, und wie er da schlaksig und mit durchgedrücktem Kreuz auf den Rasen lief und mit seinem Dreitagebart in die Kameras lächelte, erinnerte er an einen, an den sie bei Hertha nicht so gern zurückdenken. Nein, es gab da nicht die Rückkehr des Arne Friedrich zu bestaunen, obwohl dieses Spiel im Zeichen einer Rückkehr stand.

Nach siebenwöchiger Verletzungspause gab Andre Mijatovic sein Comeback. Der Mann, der den nach Wolfsburg verzogenen Friedrich im Sommer als Kapitän und Abwehrchef abgelöst hatte. Trainer Markus Babbel hatte es Mijatovic freigestellt, selbst über seinen Einsatz zu entscheiden. Das war nicht ganz unumstritten nach gerade vier gemeinsamen Trainingstagen mit der Mannschaft und angesichts der kniffligen sportlichen Situation des Klubs vor dem Spiel gegen Aue. Hätten Sie sich aufgestellt, wenn Sie der Trainer gewesen wären, Herr Mijatovic? „Ja, ich denke schon. Ich hatte ein gutes Gefühl, sonst hätte ich mich nicht darauf eingelassen. Aber ab der 80. Minute habe ich die Knochen schon gespürt.“

Der Innenverteidiger Mijatovic hat in den ersten erfolgreichen Berliner Wochen nicht die besten Kritiken bekommen. Sein Laufstil strahlte wenig Dynamik aus, in der Zweikampfführung wirkte er zurückhaltend. Eine gewisse Hüftsteife war unübersehbar, und das Zusammenspiel mit seinem Nebenmann Roman Hubnik war stets vom Grundgedanken der Zerstörung geprägt. In der öffentlichen Wahrnehmung hatte Hertha sich nicht wegen, sondern trotz Mijatovic so früh so weit oben in der Tabelle festgesetzt. Als Mijatovic sich nach dem 2:0-Sieg über Greuther Fürth am 22. Oktober verletzt abmeldete, thronte Hertha ungeschlagen mit sieben Siegen aus neun Spielen an der Tabellenspitze und hatte zudem erst fünf Gegentore kassiert, so wenig wie keine andere Mannschaft in der Zweiten Bundesliga. Dass dieser Erfolg auch dem neuen Kapitän zu verdanken war, diese Erkenntnis sollte noch ein wenig auf sich warten lassen.

Bevor Mijatovic nun am Sonntag gegen Aue die Arbeit wieder aufnahm, hatte sich die Situation dramatisch verschlechtert. Selbst der so unerschütterlich optimistisch durchs Trainerleben gehende Markus Babbel nahm nach drei Niederlagen hintereinander die Vokabel Krise in seinen Wortschatz auf. Dass davon nach dem 2:0 über Aue keine Rede mehr ist, war auch das Werk von Andre Mijatovic. Mit dem neuen alten Chef kehrte auch ein lange vermisstes Selbstwertgefühl zurück in die Mannschaft mit den blau-weiß gestreiften Trikots. „Wir waren wieder Hertha BSC, eine Einheit auf dem Platz, eine echte Mannschaft“, befand Mijatovic, und wie es sich für einen guten Kapitän gehört, redete er seinen Anteil an der Wende zum Besseren klein: „Auf diese Diskussion werde ich mich jetzt nicht einlassen. Die Mannschaft hat ein großartige Spiel gemacht, und ich bin glücklich, dass ich dabei ein wenig helfen konnte.“

Das ist eine eher bescheidene Analyse, und sie unterschlägt, dass Mijatovic so gut wie keinen Zweikampf verlor und so gut wie jedes Kopfballduell gewann. Sein Wert als Antreiber jenseits aller fußballtechnischen Qualitäten ist unumstritten, „ich habe ihn ja nicht zufällig zum Kapitän gemacht“, sagt Trainer Babbel. Und doch war Mijatovic zwar fast zwei Monate lang nicht dabei, aber denselben Zeitraum hatte sein tschechischer Kollege Hubnik dazu genutzt, wieder das Niveau zu erreichen, auf dem er schon einmal in der Ersten Liga gespielt hatte.

Hubnik, im Sommer geschwächt von einer schweren Knieverletzung, spielt seit Wochen in ansteigender Form. Er gab seinem Kapitän die Sicherheit, die ihm ein annähernd fehlerfreies Amtieren ermöglichte. Seine spektakulärste Szene hatte er in einem Luftduell mit Enrico Kern, als er instinktiv mitsprang, den Kopfball des Auer Stürmers aus nächster Distanz abblockte und so ein sicheres Gegentor verhinderte. Wäre Hertha in dieser Szene 0:1 in Rückstand geraten, hätte das Spiel wahrscheinlich einen anderen Verlauf genommen. Andre Mijatovics gelungenes Comeback war auch ein Erfolg von Roman Hubnik.

Eine Innenverteidigung ist nie ein Einzelwerk, sie steht und fällt mit dem Zusammenspiel zweier Interpreten. Auch das lässt sich festmachen an dem Mann, der vor Andre Mijatovic die Berliner Kapitänsbinde trug. Arne Friedrich hatte sich in der Saison 2008/2009 auch deswegen zu einem der besten Innenverteidiger der Bundesliga entwickelt, weil er mit Josip Simunic einen großartigen Führungsoffizier an seiner Seite wusste. Nach Simunics Abschied in Richtung Hoffenheim konnte Friedrich mit unterschiedlichen Partnern und gleichbleibendem Misserfolg auch nicht verhindern, dass Hertha in die Zweite Liga trudelte. Herthas Abstieg war auch sein Abstieg, jedenfalls in den Augen einiger Fans, die ihm auf der Mitgliederversammlung Pfiffe hinterherschickten ins Trainingsquartier der Nationalmannschaft. Ein paar Wochen später zählte derselbe Arne Friedrich an der Seite des Bremers Per Mertesacker zu den besten Innenverteidigern bei der WM in Südafrika. So ganz hatte er den Job doch nicht verlernt.

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