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© dpa

Hertha: Ein wenig Glanz

Hertha BSC hat das Trainingslager in Österreich beendet, für Trainer Favre bleibt aber noch viel Arbeit.

Die ganz große Fußballwelt schaute vorbei im ganz kleinen Fußballstadion von Bad Waltersdorf. Prominentester Gast war am Dienstagabend zweifelsohne Arsène Wenger, der Trainer des FC Arsenal. Vom Testspiel seines Premier-League-Konkurrenten FC Middlesbrough gegen Hertha BSC sah der Franzose allerdings wohl wenig, er unterhielt sich vor allem mit Dieter Hoeneß, dem Manager des Berliner Bundesligisten. Dessen Trainer Lucien Favre hatte Wenger zuvor überaus respektvoll begrüßt. Eine Riesenattraktion war die Hertha eben nicht bei ihrem Aufenthalt im Süden Österreichs. Die Kellnerin eines Waldlokals in Stegersbach, dem Ort des Trainingslagers, erzählte zum Beispiel, dass sie am Vortag Gäste von „Bertha“ bewirtet habe. Und im Stadion von Bald Waltersdorf sei ein Gastspiel von Hertha nicht weltbewegend, sagte ein Zuschauer, denn: „Real Madrid war schon acht- oder neunmal hier.“

Von Real Madrid ist Hertha naturgemäß ein Stück weit entfernt. Nicht nur was den internationalen Bekanntheitsgrad betrifft, sondern vor allem vom finanziellen und daher auch spielerischen Potenzial. Spielerisch immerhin waren am Dienstagabend, beim 1:1 im Testspiel gegen den FC Middlesbrough, deutlich weniger Mängel festzustellen als noch drei Tage zuvor beim dürftigen 0:0 gegen HNK Rijeka. Hertha zeigte gegen den Klub aus der Premier League eine ansprechende Leistung. Insofern war Trainer Favre nach dem letzten öffentlichen Auftritt im Rahmen des gestern zu Ende gegangenen Trainingslagers mit dem Spiel zufrieden. „Es war okay, ich habe ein paar gute Sachen gesehen“, sagte der Schweizer. Und insgesamt war es auch „okay“: „Meine Spieler haben hart gearbeitet, manchmal zweimal zwei Stunden am Tag.“

Eine überschäumend optimistische Bilanz klingt anders. Und der Blick in die nahe Zukunft fällt manchem bei Hertha BSC zunehmend schwerer. „Über Saisonziele spreche ich erst, wenn wir komplett sind, wir brauchen auf fast jeder Position Verstärkung“, sagte Mannschaftskapitän Arne Friedrich nach dem Spiel gegen Middlesbrough schon leicht genervt. Kein Wunder, denn noch immer lassen die benötigten Kräfte auf sich warten.

Offensichtlich hat die Geduld von Manager Hoeneß auch mit der Hoffnung zu tun, dass die Preise für gutes Personal gegen Ende der Transferperiode am 31. August noch fallen werden und dass das Geld aus dem Transfer von Kevin-Prince Boateng zu Tottenham Hotspur benötigt wird. Boateng war beim Spiel gegen Middlesbrough nicht mal im Stadion, sein Wechsel nach England steht kurz vor der Besiegelung. Und Dieter Hoeneß hat bereits gesagt, dass für ihn der 31. August der entscheidende Tag sei. Dann werde der Kader komplett sein. Erst dann – und das bereitet Favre „ein bisschen viel Sorge“, sagte der aus dem französischsprachigen Teil der Schweiz stammende Trainer in seiner ganz eigenen, nicht uncharmanten Art.

Lucien Favre ist ein Fußballkenner und ein Trainer, der gerne über Schwächen und Stärken von Spielsystemen und Spielern philosophiert. Der Mensch könne sich sein ganzes Leben lang verbessern, bis ins hohe Alter hinein, dozierte Favre an einem Morgen in Stegersbach. Ein Leben lang haben sie nicht Zeit bei den Berlinern, nur noch etwas mehr als drei Wochen, um dann beim Spiel in Frankfurt einen ordentlichen Start in die Bundesliga hinzulegen. Wer kann ihnen dabei helfen? Der vom VfL Bochum gekommene Torwart Jaroslav Drobny zum Beispiel. Der Tscheche überzeugte gegen Middlesbrough mit exzellenter Strafraumbeherrschung, den Zweikampf mit dem bisherigen Stammtorwart Christian Fiedler wird er wohl gewinnen. In der Innenverteidigung war Friedrich in den Testspielen die große Konstante, während sein Nebenmann Josip Simunic doch Probleme offenbarte. Trainer Favre sagte über den Kroaten: „Ihm fehlt es manchmal an Konzentration.“

Ähnliches ließ sich über Patrick Ebert nicht behaupten, der Mittelfeldspieler war der auffälligste Herthaner in den Tagen von Österreich, besonders bei den Ecken und Freistößen überzeugte Ebert. Favre erzählte sogar, dass er sich vorstellen könne, der 20-Jährige könne die Standardsituationen auch dann weiter ausführen, wenn der Brasilianer Gilberto wieder in der Mannschaft ist.

Gilberto kommt am 25. Juli zusammen mit Mineiro von der Copa America zurück, die mal wieder die Brasilianer gewonnen haben. Ihr Landsmann Lucio ist dagegen schon in Berlin, er könnte somit am Sonntag beim Testspiel bei Regionalligist Babelsberg 03 (Beginn 14 Uhr) erstmals für die Berliner zum Einsatz kommen. Vielleicht bringt das Hertha schon ein wenig mehr Glanz, der den Berlinern bei ihrer vorsaisonalen Exkursion in Österreich noch fehlte.

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