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© dpa

Hertha-Fraktionen: Europa gegen Südamerika

Herthas Spiel krankt in dieser Saison auch daran, dass es Fraktionen innerhalb der Mannschaft gibt.

Berlin - Im Nachhinein bekommen viele kleine Szenen einen veränderten Symbolwert. Zum Beispiel die Rangelei zwischen Cicero und Marc Stein in der Halbzeit des letztjährigen Saisonfinales in Karlsruhe, damals spielte Hertha BSC noch um einen Platz in der Champions League. Die wegwerfende Handbewegung von Theofanis Gekas, als ihm Raffael im Spiel gegen Hoffenheim mal wieder nicht den Ball zugespielt, sondern aus unmöglichem Winkel lieber selbst geschossen hatte. Oder die permanente Weigerung von Adrian Ramos, sich auf ein Gespräch einzulassen, und sei es nur für eine Minute auf dem Weg in die Kabine. Dass Herthas Südamerikaner nicht allzu viel Wert auf Integration legen, galt als ein offenes Geheimnis.

Am späten Sonntagabend nun hat Jaroslav Drobny ganz offen dieses Problem angesprochen, das den Berliner Bundesligisten anscheinend schon seit längerem lahmt. In der RBB-Sendung „Sportpalast“ erzählte der Torhüter, es gebe da drei Spieler in der Mannschaft, die nur für und unter sich spielten und mit dem Rest des Teams nichts zu tun haben wollten. Nein, keine Namen, „die Spieler, die gemeint sind, wissen das“. Passend dazu spielten die Kollegen vom RBB Bilder von Cicero, Raffael und Ramos ein. Drobny schwieg vielsagend.

Hertha BSC ist gemäß Tabellenauskunft die schlechteste Mannschaft der Bundesliga. Und leistet sich doch den Luxus, gleich zwei Mannschaften aufzubieten, die offensichtlich nicht besonders viel miteinander anfangen können. Es stehen sich gegenüber: hier die Fraktion aus Europa und dort die aus Südamerika, sie war numerisch einmal sehr viel stärker als in diesen Tagen. Nach den räumlichen Veränderungen der Brasilianer Kaka (nach Nikosia), Lucio (Porto Alegre), Rodnei (Kaiserslautern), Lima (Fluminense) und Cesar (Dubai) und des Argentiniers Cufré (Zagreb) sind Hertha noch die Brasilianer Cicero und Raffael sowie der Kolumbianer Adrian Ramos geblieben. Alle drei fühlen sie sich zuständig für den Betrieb in der Berliner Problemzone (so darf man die notorisch schwache Offensive wohl nennen).

Keine Mannschaft in der Bundesliga hat so wenig Tore geschossen wie Hertha BSC (21 in 25 Spielen). Auch dies ist eine Folge der schlechten Personalplanung. Das Problem war ja nicht, dass Marko Pantelic und Andrej Woronin Berlin im Sommer verlassen hatten. Das Problem war, das Hertha keinen angemessenen Ersatz fand für das Sturmduo, das in der Fast-Meister-Saison immerhin für 18 Tore gut war. Der als Torjäger verpflichtete Pole Artur Wichniarek ist auf der Ersatzbank keineswegs überqualifiziert. Der im Winter nachverpflichtete Grieche Gekas hat zwar schon dreimal getroffen, wirkt aber häufig wie ein Fremdkörper – weil die Südamerikaner nicht mit ihm spielen wollen?

Die Last des Toreschießens ruht jedenfalls vor allem auf dem schon siebenmal erfolgreichen Ramos, obwohl der sich in seinem ersten Jahr fern der Heimat erst einmal an den europäischen Fußball gewöhnen müsste. Weil dafür aber keine Zeit bleibt und Berlins kolumbianische Kolonie recht übersichtlich ist, sucht Ramos schon mal aus sprachlichen Gründen die Nähe zu seinen südamerikanischen Kollegen. Was dann auf dem Rasen seine Fortsetzung findet.

Die beiden Brasilianer werden Berlin nach dieser Saison wohl verlassen. Ein Verkauf Raffaels erscheint angesichts der angespannten Finanzlage unumgänglich, ein Kauf des von Fluminense ausgeliehenen Cicero steht aus demselben Grund nicht zur Diskussion. Um den gerade 24 Jahre alt gewordenen Ramos könnte Hertha eine neue Mannschaft aufbauen. Eine, in der er mehr mit Talenten aus Berlin denn mit Importen aus Südamerika spielen müsste.

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