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Sport: Hertha holt Luft

Madlung köpft zehn Sekunden nach seiner Einwechslung das 2:1 gegen Gladbach – Marcelinho sieht Rot

Berlin . Noch vier Minuten waren zu spielen. Da kam von oben, von der Tribüne, per Funk die Anweisung von Huub Stevens an seinen Assistenten Holger Gehrke: „Bring jetzt den Alexander.“ Der Alexander, das war Alexander Madlung. Der 21-Jährige rannte aufs Spielfeld, Marcelinho trat den Freistoß hoch vors Tor, der 193 Zentimeter große Madlung sprang hoch und wuchtete den Ball per Kopf ins Netz. Welch ein Einstand nach nur zehn Sekunden! Madlung rannte weiter, rutschte bäuchlings auf dem Boden und ließ sich feiern, von den Mannschaftskameraden und von den begeisterten Zuschauern. Das erste Saisontor Madlungs bescherte Hertha BSC den ersten Heimsieg in dieser bislang so freudlosen Saison. Und Stevens, seit langem auf höchst wackligem Stuhl sitzend, kann nach dem 2:1 (1:1) gegen Borussia Mönchengladbach ein wenig durchatmen. Mindestens zwei Wochen, wenn es zum Lauterer Betzenberg geht.

Stevens konnte sich gestern zugute halten, den richtigen Joker gezogen zu haben. „Ich hatte gemerkt, dass Pal Dardai sehr müde war. Deshalb habe ich ihn vom Platz genommen und auf den langen Alexander beim Freistoß gesetzt“, sagte Stevens später. Da hatte er längst seinen Platz auf der Tribüne verlassen, von wo er per Sprechfunkgerät seine Anweisungen gegeben hatte. Bekanntlich war er nach seinem Ausraster beim Heimspiel gegen Leverkusen mit einem Innenraumverbot für zwei Bundesligaspiele bestraft worden.

Dass beim Freistoß in der 86. Minute die Wahl auf Madlung als Einwechselspieler fiel, kam nicht von ungefähr. Schließlich ist er neben Josip Simunic der kopfballstärkste Herthaner. Und als Einwechselspieler hatte er in dieser Saison schon viermal die Chance bekommen, in den Spielen gegen Hannover und Bochum stand er sogar in der Anfangself. „Er kann unheimlich wertvoll für uns sein“, sagt Stevens. So wie gestern.

Mit seiner präzisen Flanke hatte natürlich auch Marcelinho seinen Anteil am Tor. Des Brasilianers Freude währte nicht lange. In der Nachspielzeit, als die Hektik immer größer wurde, lieferte er sich mit dem Ghanaer Lawrence Aidoo eine deftige Rangelei, nach der beide die Rote Karte sahen. „Da hätten auch Gelbe Karten gereicht“, sagte Gladbachs Trainer Holger Fach. Im Falle Marcelinhos wohl kaum. Er trat nämlich seinen Kontrahenten, bevor sie sich gegenseitig schubsten. „Marcelinho war in der Rücklage und musste dabei das Bein heben“, glaubte Stevens zu wissen. Diese Beurteilung gab er nicht etwa von seinem Tribünenplatz aus, sondern nach dem Studium der Fernsehbilder. Dass Stevens seinen wertvollsten Mann schützen wollte, spricht für ihn, einen Fairnesspreis hat er sich damit nicht verdient.

Dass Marcelinho, den sein Fußbruch so lange zur Untätigkeit verdammt hatte, nun erneut ausfällt, ist bitter. Gestern zeigte er in vielen Situationen, dass er von der Unsicherheit der Mannschaft noch am wenigsten infiziert ist. Allerdings scheint ihm auch immer noch niemand gesagt zu haben, wie man Eckbälle tritt. In der zweiten Halbzeit durfte er binnen zwei Minuten gleich fünfmal hintereinander üben. Nur eine einzige Ecke war passabel.

Doch hochklassigen Fußball wurde den 32 000 Zuschauern im Olympiastadion ohnehin nicht geboten. Den konnte man von einer noch immer verunsicherten Hertha und einem Gladbacher Team, das nun schon seit 21 Auswärtsspielen ohne Sieg ist, auch nicht erwarten. „Das war ein wichtiger Kampfsieg. Wir haben aber zu wenig Fußball gespielt“, sagte Manager Dieter Hoeneß. Immerhin – dass Hertha nach dem frühen Rückstand durch den Tschechen Vaclav Sverkos nach nur sieben Minuten nicht noch mehr aus der Bahn geriet, spricht für sie.

Auch für Luizao. Der Weltmeister, schon fast abgeschrieben, entpuppt sich spät, aber offenbar nicht zu spät, als vollwertiger Stürmer. In den letzten Duellen mit Rostock schon Torschütze, köpfte er gestern das wichtige Ausgleichstor, gerade rechtzeitig, um für ein wenig Ruhe zu sorgen. Aber auch in anderen Szenen deutete er an, wozu er fähig ist. Fredi Bobic brachte weit weniger zustande und wurde nach 70 Minuten zu Recht vom Platz genommen.

Wenn Gladbachs Trainer Fach später meinte, ein 1:1 wäre gerecht gewesen, so lag er damit nicht falsch. Die Borussia hielt die Partie meist völlig offen, scheiterte aber bei den mutigen Kontern immer wieder an der Abschlussschwäche. Und am Ende auch in jener Szene in der 86. Minute. „Wenn man da Angst hat, den Madlung richtig zu decken, dann ist man im Profifußball fehl am Platz. Die Führungsspieler müssen sich fragen, ob sie sich richtig verhalten“, kritisierte Fach. Auf Nachfrage nannte er den Sünder: Jeff Strasser, den Luxemburger. Der misst immerhin 190 Zentimeter.

Alexander Madlung war’s egal. Für ihn war es ein großer Tag.

Klaus Rocca

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