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Zwei, die sich gefunden haben. Mit seinem verbesserten Verhältnis zum Ball wuchs auch Sebastian Langkamps innere Ruhe. „Ich bin mittlerweile in einem Alter, dass ich mir nicht über jeden Fehlpass eine Birne mache“, sagt er.

© imago/Bernd König

Update

Der Verteidiger von Hertha BSC genießt hohe Wertschätzung: Sebastian Langkamp: Früher unterschätzt, heute Stabilitätsfaktor

Sein früherer Trainer Hermann Gerland hat mal über ihn gesagt: Profi? Niemals! Inzwischen ist Sebastian Langkamp bei Hertha BSC eine feste Größe.

Das neue Jahr hat für Sebastian Langkamp mit einschneidenden Veränderungen begonnen. Der Innenverteidiger von Hertha BSC hat jetzt auch seinen zweiten Nachbarn in der Kabine verloren und nur noch leere Plätze um sich. „Da hab’ ich noch dran zu knabbern“, scherzt er. Erst hat im Sommer Johannes van den Bergh den Verein verlassen, jetzt ist auch Jens Hegeler weg. „Mein kongenialer Partner“, wie Langkamp sagt.

Zwischen Langkamp und Hegeler lassen sich durchaus ein paar Ähnlichkeiten entdecken. Beide sind groß, beide wirken dadurch ein bisschen schlaksig, manche sagen: behäbig. Beide sind kluge Köpfe, die sich auch mit Dingen außerhalb des Fußballplatzes beschäftigen – und beiden sind die Fans von Hertha stets mit einer mindestens unterschwelligen Skepsis begegnet. Als wäre es immer noch ein Nachteil für einen Fußballer, nicht besonders dumm zu sein.

Diese Skepsis hat sich lange durch die Karriere von Sebastian Langkamp gezogen. „Ich wurde oft unterschätzt“, sagt der Innenverteidiger, der Ende voriger Woche 29 geworden ist. Hermann Gerland, sein Jugendtrainer bei den Bayern, hat ihm mal prophezeit, dass es höchstens für die Dritte Liga reichen werde. Oder im Originalton: „Der wird sowieso nichts, der Osterhase.“ Gerland schien lange Recht zu behalten. Beim Hamburger SV hat Langkamp nicht gespielt, in Karlsruhe anfangs ebenfalls nicht. Und als Pal Dardai Trainer bei Hertha BSC wurde, schien sich die Geschichte auch in Berlin fortzusetzen. In den ersten drei Spielen unter dem Ungarn stand Langkamp nicht einmal auf dem Platz.

„Ganz ehrlich“, sagt Herthas Trainer. „Wenn ich mit meiner Mannschaft gegen Hertha gespielt hätte, hätte ich gesagt: ,Langkamp lassen wir frei, er soll ruhig den Ball kriegen und versuchen, das Spiel aufzubauen.’“ Inzwischen hat sich das längst geändert. „Dass die Gegner den Langkamp zustellen, ist auch ein Zeichen der Wertschätzung“, sagt Dardais Assistent Rainer Widmayer.

Dass Herthas Trainer anfangs „gewisse Dinge an meiner fußballerischen Qualität bemängelt hat“, sei vollkommen in Ordnung, findet Langkamp. Er weiß ja selbst, „dass ich immer ein bisschen belächelt worden bin, was den Spielaufbau angeht, teilweise auch noch ein bisschen belächelt werde.“ Aber es ist schon lange nicht mehr so, dass die Gegner ihn mit dem Ball gewähren lassen, in der Hoffnung, dass er einen Fehlpass spielt. „Inzwischen kriegen die Gegner Probleme, wenn Basti den Ball hat“, sagt Dardai.

Die Frage ist: Wer spielt neben Langkamp?

Wenn man von Herthas Innenverteidigern spricht, ist meistens von den großen Talenten Niklas Stark, 21, und John Anthony Brooks, 23, die Rede. In Wirklichkeit aber sind weder Stark noch Brooks gesetzt. Die Frage lautet: Wer spielt neben Sebastian Langkamp? Das hat sich schon recht schnell nach Dardais Amtsantritt im Februar 2015 herausgestellt. Im vierten Spiel, beim befreienden 1:0 gegen Augsburg, stand Sebastian Langkamp zum ersten Mal in der Startelf – und fehlte fortan bis zum Saisonende keine einzige Sekunde mehr. „Basti ist ein Musterprofi“, hat Dardai vorige Woche im Trainingslager auf Mallorca gesagt, „ein sehr intelligenter Fußballer, ein Führungsspieler. Er macht das sehr gut.“

Der oft unterschätzte Langkamp ist für den Berliner Bundesligisten zu einem wichtigen Stabilitätsfaktor geworden. Zufall ist es vermutlich nicht, dass Hertha in der Hinrunde genau in dem Spiel am wenigsten Hertha war, in dem Langkamp schon nach 20 Minuten verletzt vom Platz musste. Beim Heimspiel gegen Werder Bremen erkannte Dardai seine eigene Mannschaft nicht wieder, das 0:1 war das vielleicht unerklärlichste Ergebnis der gesamten Saison – und vielleicht auch wieder nicht: weil eben Langkamp fehlte. „Er hat sich sehr gut entwickelt“, sagt Rainer Widmayer. „Beim ersten Kontakt hat er sich verbessert, in der Spieleröffnung hat er Lösungen, er ist mutiger und selbstbewusster geworden.“

Dardai glaubt, dass sich das Training bezahlt gemacht hat, die ewigen Passübungen, das penibel einstudierte Positionsspiel. „Der Trainer hat mich sehr viel weiter gebracht“, sagt Langkamp. Wenn er früher den Ball hatte, fingen seine Arme an zu schlackern; man schien fast dabei zusehen zu können, wie er mit jedem Schritt aus der eigenen Abwehr heraus nervöser wurde. Inzwischen, so findet Langkamp, habe er „das natürliche Selbstvertrauen“, auch in solchen Situationen die richtige Lösung zu finden. „Ich bin mittlerweile in einem Alter, dass ich mir nicht über jeden Fehlpass eine Birne mache“, sagt er. „Das gibt einem eine gewisse innere Ruhe.“

Die hat er am Anfang seiner Karriere noch nicht gehabt – als noch nicht klar war, ob es überhaupt eine Karriere geben würde. Die Zweifel an seinen Fähigkeiten haben an ihm genagt, der Frust, nicht richtig voranzukommen. Heute, nach fast 180 Ligaspielen als Profi, kann er über solche Vorbehalte nur noch schmunzeln. Hertha hat seinen Vertrag im vergangenen Jahr bis 2019 verlängert, und selbst Hermann Gerland hat inzwischen Abbitte geleistet. Zumindest so was Ähnliches. „Du bist ja doch nicht so blind“, hat Gerland zu ihm gesagt.

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