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Sport: Hertha kippt um

Nach einer 2:0-Führung zur Halbzeit verlieren der Berliner in Kaiserslautern noch 2:4

Kaiserslautern. Es war 19:47 Uhr und ziemlich kalt in Kaiserslautern, doch die beiden Herren in den kurzen Hosen hatten noch etwas zu besprechen. Der eine riss wild gestikulierend die Hände in den Abendhimmel, der andere tippte sich an die Stirn. Dick van Burik und Fredi Bobic suchten nach Erklärungen für das, was sich in diesem Sonntagsspiel der Fußball-Bundesliga ereignet hatte, für diese 2:4 (2:0)-Niederlage von Hertha BSC beim 1. FC Kaiserslautern. Zur Halbzeit hatten die Berliner bei einer 2:0-Führung wie der sichere Sieger ausgesehen. Trainer Huub Stevens beschränkte sich in seiner Fehleranalyse auf einen Satz: „Zum Fußball gehört nun mal nicht nur das Toreschießen, sondern auch das Verteidigen, und das haben einige meiner Spieler in der zweiten Halbzeit offensichtlich vergessen.“

Noch in der ersten Wut im Innenraum des Fritz-Walter-Stadions strich Stevens seinen Spielern den trainingsfreien Montag. Weitere Sanktionen wird er sich vorbehalten, aber wie können die schon aussehen? Dem Berliner Trainer fehlen die personellen Alternativen. Auch am kommenden Sonntag beim Heimspiel gegen Schalke 04 fehlt der gesperrte Brasilianer Marcelinho, zudem sah Niko Kovac gestern seine fünfte Gelbe Karte. Damit ist er gesperrt für ein Spiel.

Nun kann man in Kaiserslautern verlieren, auch mal vier Gegentore kassieren, aber wie war das gestern bloß möglich? Nach dieser ersten Halbzeit, als Bundesfinanzminister Hans Eichel um dringend benötigte Einnahmen für die Sanierung der Staatsfinanzen bangen musste, weil das hilflose Gekicke der Lauterer beim besten Willen nicht vergnügungssteuerpflichtig war. Die Berliner schauten sich das Pfälzer Durcheinander gelassen an, behielten den Überblick und konterten geschickt. Das Führungstor fiel durch einen schönen Heber von Nando Rafael, für den der zuletzt formschwache Bobic zunächst auf der Bank bleiben musste. Als dann dem Lauterer Kapitän Knavs noch ein Eigentor zum 0:2 unterlief, schien die Partie gelaufen.

Wer je behauptet hat, das Berliner Publikum lasse Hertha BSC in kritischen Situationen im Stich, der hätte am Sonntag die Lauterer Fans hören sollen, wie sie minutenlang ihre Mannschaft auspfiffen. Der FCK beendete die erste Halbzeit in einem Zustand, für den die Pathologie die Bezeichnung „klinisch tot“ reserviert hat.

Was sich in den kommenden 45 Minuten ereignete, feierten die Lauterer als die große Show des dreifachen Torschützen Miroslav Klose und geißelten die Berliner als kontinuierliche Anreihung von individuellen Fehlern. Den ersten beging Torhüter Kiraly, als er kurz nach dem Wiederanpfiff einen Eckball in seinen Torraum segeln und Klose ungehindert zum Anschluss einköpfen ließ. „Klare Sache, das war mein Fehler“, sagte Kiraly. „Aber es kann doch nicht sein, dass wegen eines Fehlers das ganze Spiel verloren geht.“ Niko Kovac stimmte zu: „Wir haben dahinten sechs große Leute, da kann es doch nicht sein, dass der Klose an den Ball kommt.“

Im Stadion herrschte auf einmal die Atmosphäre, die auswärtige Mannschaften so sehr fürchten, und Hertha verlor alle Souveränität und brach völlig auseinander. Vor dem Ausgleich mochte Josip Simunic den Ball aus einem Getümmel nicht einfach wegschlagen, sondern elegant dribbelnd die Situation auflösen. Lauterns Bill Tchato ließ das Bein (zugegeben regelwidrig) stehen, der Ball kam zu Klose – 2:2. Beim Lauterer Führungstor flankierten Arne Friedrich und Bart Goor liebevoll den Schützen Tchato, das 4:2 durfte Klose erneut unbedrängt per Kopf erzielen. Dann war Schluss. Huub Stevens ließ seine Spieler grußlos auf dem Rasen stehen und verschwand in der Kabine. Für eine Besserung des angespannten Verhältnisses zwischen Trainer und Team war der Sonntagabend von Kaiserslautern nicht geeignet.

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