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Sport: Hertha schaut nach vorn

Die Saisonbilanz der Berliner fällt trübe aus – vorangekommen ist der Klub nicht

Berlin - Genau eine Woche ist es jetzt her, dass Dieter Hoeneß herzlich lachen musste – außer der Reihe sozusagen. Der mächtige Mann von Hertha BSC, der sich mit viel Kritik herumzuschlagen hat, legte Rechenschaft ab vor mehr als 1000 Vereinsmitgliedern, als er in seiner ernsten und anfangs wackeligen Rede unterbrochen wurde. Der Grund war ein Zwischenruf: „Und jetzt erzähl’ die Geschichte von der Schreibmaschine, Dieter.“ Dazu muss man wissen, dass die Geschichte von der Schreibmaschine zur Hertha der letzten zehn Jahre gehört wie sonst nur Dieter Hoeneß selbst. Als Hoeneß vor zehn Jahren in Berlin anfing, einen Hauptstadtklub aufzubauen, bildete eine Reiseschreibmaschine in staubigen Büroräumen in der Charlottenburger Heerstraße das dürre Fundament des Klubs. Seitdem diente die Story der kritischen Mitgliedschaft als kleine Gedankenstütze: Seht, was wir geleistet haben!

Dieter Hoeneß erzählte vorigen Montag diese Geschichte nicht mehr. Nach dem Zwischenruf bog sich das Auditorium vor Lachen. Selbst Hoeneß prustete vorn ins Saalmikrofon.

Leider geht es im Alltag anno 2007 nicht ganz so lustig zu bei Hertha BSC. Die Mannschaft, die sich gegen Ende der Hinrunde mit etwas Glück auf Platz fünf eingenistet hatte, stürzte in der Rückrunde ab. Mit Mühe konnte die Klasse gehalten werden, aber sonst?

Es sieht nicht besonders gut aus für den Verein, der viel eigenes und fremdes Geld verbrannte, untaugliche Imagekampagnen startete und heute stagnierende Sympathiewerte besitzt. Vom schlafenden Riesen, der vor Jahren in der Hauptstadt geweckt wurde, spricht niemand mehr. In Stuttgart, der Stadt des neuen Meisters, wird müde gelächelt: Der Riese hat sich in Berlin wieder schlafen gelegt.

Stuttgart ist aber ein ganz gutes Beispiel für Berlin. Auch der VfB hat schwere Jahre hinter sich, sportlich wie finanziell. Auch dort erwiesen sich viele Transfers als Flops. Diese Saison sollte für den VfB eine des Umbruchs werden, mit vielen jungen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs. Während dieses Modell bei Hertha fast zum Zusammenbruch führte, wurde der VfB damit Meister. Gibt es jetzt also nicht nur zwei Brasilien, sondern auch zwei Arten von Nachwuchsspielern? Natürlich nicht. Hertha lag zwar mit seinen brasilianischen Einkäufen mehrheitlich daneben, aber die Spieler aus der vereinseigenen Akademie sind nicht schlechter als andere. Die Einsätze in den Nachwuchs-Auswahlmannschaften zeigen das. Dass die Talente in Stuttgart beständig gute Leistungen zeigten und sich erheblich weiterentwickeln konnten, liegt in erster Linie an der Mannschaft und dem direkten Umfeld. Bei Hertha stimmt das mannschaftliche Gefüge überhaupt nicht, trotz intensiver sportlicher und charakterlicher Ausbildung. Ihre Weiterentwicklung muss nur weiter begleitet werden. Dass das nicht nur eine Aufgabe des Trainers ist, bewies der Wechsel von Falko Götz zu Karsten Heine. Die Undiszipliniertheiten, die sich die Spieler schon unter Götz leisteten, setzten sich unter seinem Nachfolger fort. Siebenmal schafften es Spieler nicht pünktlich zum Training.

Wenn Hoeneß sagt, sein einziger Fehler sei gewesen, den Trainer nicht früher zu wechseln, dann deutet das auf ein anderes Problem hin: Bei Hertha mangelt es anscheinend an Ehrlichkeit, anderen und sich selbst gegenüber. „Wir hatten einige Probleme in der Mannschaft, die nicht immer intakt war. Wir schauen jetzt nach vorn“, sagte Hoeneß nach dem 2:1-Sieg in Frankfurt.

Immerhin schaffte es der Verein, den bisweilen horrenden Zuwachs an Schulden zu bremsen. Hertha wird einen leichten Überschuss für das Geschäftsjahr 2006/07 vorlegen. Aber 46 Millionen Schulden, ein Produkt alter Großmannssucht, halten die Handlungsspielräume weiterhin eng. Umso ärgerlicher stimmt es die eigenen Mitglieder, wenn veranlagte Spieler wie Ashkan Dejagah den Klub ablösefrei verlassen.

„Jeder von uns muss sich jetzt hinsetzen und selbstkritisch Bilanz ziehen. Wir müssen die Saison abhaken. Solch ein Jahr darf sich nicht wiederholen“, sagte Mannschaftskapitän Arne Friedrich. Dieter Hoeneß hat derweil eine schonungslose Analyse und weitreichende Konsequenzen angekündigt. Ohne zu lachen.

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