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Mach mal Pause. Andreas Ottl muss um seinen Stammplatz zittern.

© Matthias Koch

Hertha vor Köln: Andreas Ottl: Ein möglicher Härtefall

Andreas Ottl stand bis zu seiner Roten Karte immer in der Startelf, jetzt ist sein Platz im defensiven Mittelfeld bei Hertha BSC in Gefahr.

Nach einer Dreiviertelstunde muss Andreas Ottl seinen Platz im Mittelfeld räumen. Fanol Perdedaj übernimmt seine Position, aber das hat im Hinblick auf das Spiel am Wochenende wenig bis gar keine Aussagekraft. Ottls Versetzung in den Sturm ist der normalen Rotation im Training geschuldet. Am Anfang hat der frühere Münchner bei der Flanken- und Torschussübung die Bälle aus dem Zentrum auf die Flügel verteilt, jetzt ist ein anderer dran.

Vielleicht ist das auch am Samstag so, wenn Hertha BSC beim 1. FC Köln antreten muss: dass im defensiven Mittelfeld des Berliner Fußball-Bundesligisten mal ein anderer dran ist. Andreas Ottl, in der vorigen Woche 27 Jahre alt geworden, könnte neben Kapitän Andre Mijatovic der erste große Verlierer der noch jungen Ära Otto Rehhagel werden. Sein Stammplatz steht zumindest auf der Kippe, auch wenn Ottl sagt: „Ich geh’ immer davon aus, dass ich spiele.“

Das gilt auch für die Begegnung in Köln, obwohl sich die Konkurrenzsituation im defensiven Mittelfeld am Wochenende noch einmal merklich zugespitzt hat. Zu Saisonbeginn gab es drei Kandidaten – Peter Niemeyer, Andreas Ottl und Fabian Lustenberger – für zwei Plätze. Inzwischen streiten vier Bewerber um nur noch eine Stelle: weil Lewan Kobiaschwili am vergangenen Wochenende, bei Herthas erstem Sieg in der Rückrunde, die Gunst der Stunde genutzt und seine Aufgabe im defensiven Mittelfeld so gut erledigt hat, dass er von Trainer Rehhagel gleich eine Einsatzgarantie für die die nächsten Spiele erhielt. Zudem gilt jetzt auch der 20 Jahre alte Fanol Perdedaj nach seinem Bundesligadebüt als seriöser Kandidat für den freien Platz in der Doppel-Sechs.

Vermutlich aber wird es auf einen Zweikampf zwischen Ottl und Niemeyer hinauslaufen, die beide am vergangenen Samstag, beim 1:0 gegen Werder Bremen, gesperrt fehlten – und die beide berechtigte Ansprüche auf den Platz erheben. „Jeder bietet sich an, jeder versucht, sich aufzudrängen“, sagt Ottl. „Das ist normal.“ Ottl stand in den ersten 21 Spielen dieser Saison immer in Herthas Startelf, bis er bei der 0:5-Niederlage in Stuttgart für ein rüdes Foul gegen Tamas Hajnal die Rote Karte sah und für drei Begegnungen gesperrt wurde.

Der Platzverweis kam für Ottl zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt

Der Platzverweis kam für Ottl zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Nach dem Spiel in Stuttgart wurde Trainer Michael Skibbe entlassen; und als dessen Nachfolger Rehhagel seine Arbeit aufnahm und sich ein erstes Bild von seiner neuen Mannschaft machte, kam Ottl für einen Einsatz wegen seiner Sperre nicht in Frage. Es war die Chance für andere Spieler, sich für das Team zu empfehlen. Trotzdem sagt Andreas Ottl: „Ich habe keine Angst, irgendetwas verpasst zu haben.“ Rehhagel habe sich ja im Training über sein Spiel und seine Stärken informieren können, ihn außerdem vorher schon gekannt.

Überhaupt macht der frühere Bayern- Spieler nicht den Eindruck, als sei er ernsthaft besorgt. „Ich habe mich lange genug über meine Dummheit geärgert“, sagt Andreas Ottl. „Aber jetzt freue ich mich ungemein, wieder auf dem Platz zu stehen.“ Die Frage ist, ob er das am Samstag wirklich darf. Die Stärken, die Ottl für die Position vor der Abwehr mitbringt, sind eigentlich durch Lewan Kobiaschwili schon bestens vertreten. Der Georgier ist eher Stratege als Kämpfer; er kann ein Spiel lesen, erkennt Gefahren schon in ihrer Entstehung und ist zudem so ballgewandt und tiefenentspannt, dass er selbst in Bedrängnis saubere Pässe aus der Tiefe spielen kann.

Peter Niemeyer repräsentiert eher das kämpferische Element, auf das Rehhagel in einem so wichtigen Spiel wie gegen den 1. FC Köln wohl kaum wird verzichten wollen. Der Ausgang dieser Begegnung gibt den Ton für die kommenden Wochen vor. Bei einer Niederlage bleibt Hertha bis auf Weiteres auf Fühlung zur Abstiegszone, mit einem Sieg aber würden die Berliner sogar an den Kölnern vorbeiziehen, die dann ihrerseits in ernste Gefahr gerieten.

Niemeyers Spiel ist demagogischer als das des Kollegen Ottl, der in der öffentlichen Bewertung oft nicht besonders gut wegkommt. Aber gerade Trainer wissen Spieler wie Ottl zu schätzen, die nicht vordergründig darauf aus sind, selbst zu glänzen, die aber einen wertvollen Beitrag zum Gleichgewicht des Teams liefern. Dass ihm die spektakulären Dinge erst gar nicht zugetraut werden, hat Andreas Ottl auch gestern wieder im Training erfahren. Der Ball kam hoch in den Strafraum, Ottl nahm ihn mit der Innenseite aus der Luft. Es sah so aus, als wollte er auf seinen Kollegen Peter Niemeyer ablegen, doch dann schlenzte Ottl den Ball über den Torhüter ins Tor. „Der sollte doch zum Peter!“, rief Co-Trainer René Tretschok. Es war ein Scherz.

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