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Doppelt enttäuscht. Für den früheren Hertha-Spieler Hans Weiner und seine Frau bedeuten Herthas Abstieg einen Stich ins Fan-Herz und wohl auch Einbußen in ihrer Gaststätte „Hanne am Zoo“.

© Engler

Herthas Abstieg: Die Zweite Liga ist schlecht fürs Geschäft

Nicht nur Fans leiden unter Herthas Abstieg in die Zweite Liga. Auch Wirte, Putzkräfte und Anwohner jammern. Doch zumindest einer Hertha geht es gut.

Nun also wirklich: Zweite Liga. Trotz des 1:1 in Leverkusen ist der Abstieg besiegelt. Häme? Egal, die Sprüche können die Fans von Hertha BSC längst gelangweilt nachäffen, zu lange hat es sich der größte Klub Berlins im Souterrain der Liga bequem gemacht. Hi, Ha, Ho, Hertha is’ k.o.

Abgesehen vom Spott lassen sich in der Stadt mehr Verlierer finden als nur die Anhänger. Der Abstieg berührt ja die ganze Stadt genauso wenig wie etwa die ganze Stadt die Berlinale feiert. Das Gaststättengewerbe aber muss sich umstellen. Schon stöhnen Wirte, die ihren Umsatz mit Fußballübertragungen machen: „ Zweite Liga ist mies fürs Geschäft.“ Sonntags wird da schon um 13.30 Uhr gespielt, die Kellner müssen früher kommen, die Personalkosten steigen. Sonnabends hingegen kommen weniger Gäste in die Kneipe zur Erstligakonferenz, weil Hoffenheim gegen Nürnberg in Lichtenrade oder Staaken vielleicht doch nicht jeden interessiert. „Und der Montag, der einzige Ruhetag, ist auch futsch.“ Da läuft jetzt Zweite Liga.

Trotzdem, der Weltuntergang ist das alles nicht. Ein paar Hotelbetten werden leer bleiben, weil nicht mehr Schalke anreist mit 10 000 Fans, sondern die Anhänger von Paderborn – mit nur einer Busbesatzung. „Viele Fans haben die Reise zu einem Spiel mit einem Berlin-Besuch am Wochenende verbunden“ sagt Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Berlin. Es würden nun weniger werden, vor allem bei Montagsspielen. Die Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) hält die Auswirkungen sogar für ganz gering: Berlin sei Deutschlands größte und bedeutsamste „Sportstadt“, Hertha allerdings sei dabei „nur ein kleiner Mosaikstein“. Für die Hotels sei das jährliche DFB-Pokalfinale im Olympiastadion ein größerer Wirtschaftsfaktor.

Nun gehen ja sonst nicht Touristen ins Stadion, sondern vor allem Berliner und Brandenburger. Ein paar Bahnhofskioske in der Mark, wo immerhin 20 Prozent der Zuschauer herkommen sollen, werden vielleicht weniger Umsatz machen. Und die vier Fanshops von Hertha bleiben auch erst einmal offen, die 60 Angestellten der Geschäftsstelle in Westend will der Klub – vorerst – nicht entlassen. Hertha agiert noch im Geheimen, aber der Etat wird sinken. Von 70 auf 35 Millionen. Das bedeutet weniger Aufträge für PR-Firmen, für Druckereien, für Caterer.

Das Anhängerzahl von Hertha ist zu gering, sagen Kritiker, deswegen sei das Stadion so selten ausverkauft. Viele sparen den Eintritt und feuern Hertha lieber vorm Fernseher an. Da kostet das Bier auch nicht 3,70 Euro wie im Stadion. Trotzdem kamen fast immer über 40 000 Zuschauer, selbst im bitterkalten Winter. Auch nach Leverkusen waren gestern tausende Hertha-Fans gereist, aus Pankow oder Potsdam, 30 Stunden hat ihre Reise gedauert in der Bummelbahn. Das muss Liebe sein. In der Zweiten Liga kalkuliert Hertha nur noch mit 20 000 Fans.

Sparen müssen wird auch die Stadt, oder besser: die landeseigene Olympiastadion GmbH. In der Zweiten Liga sinkt die Miete um 25 000 Euro pro Spieltag auf 150 000 Euro, der Vertrag gilt bis 2017. Ob Stadionpersonal entlassen werden muss, entscheidet der neue Geschäftsführer, der in zwei Monaten antritt. Weniger Jobs gibt es für Studenten, die im Vip-Bereich kellnern, für den Sicherheitsdienst, weil Blöcke gesperrt bleiben und demzufolge auch für Putzkräfte, weil weniger gesäubert werden muss. Mehr als 1500 Menschen arbeiten bei einem Spieltag im Stadion, diese Zahl wird sinken.

Und die Anwohner? Nun, es mag ruhiger werden und mehr Parkplätze geben. Aber, sagt ein Mann, der direkt am Stadion wohnt: „Jetzt laufen wieder die an meinem Garten vorbei, die wir eigentlich los waren.“ Statt bieder-bravem Publikum aus München oder Leverkusen kommt nun die Szene von Rostock, Cottbus, von Erzgebirge Aue oder vom 1. FC Union aus Köpenick. Liebhaber von Fankultur jubeln, Anwohner sperren die Kinder weg.

Beim ersten Mal tat’s noch weh, sang einst Stefan Waggershausen. Dabei würde ein zweites Jahr in der Zweiten Liga erst richtig weh tun. Jetzt kann sich so mancher erstmal auf ein Wiedersehen mit Traditionsklubs wie Fortuna Düsseldorf oder 1860 München freuen, die Ticketpreise werden sinken, vielleicht gibt es sogar schmackhaftes Bier im Stadion, weil der alte Sponsor – ein dänischer Brauerriese – nicht mit absteigen will. Die Zahl der Austritte bei Hertha ist auch nicht gestiegen. 18 000 Vereinsmitglieder sind es derzeit.

Solche beschönigenden Argumente müssen Hertha-Fans in der Stadt schon sammeln. Und notfalls hilft im Frust auch ein Anruf bei Herrn Dentler, 73, an der Kyritzer Seenkette. „Der Hertha geht es gut“, sagt Herr Dentler, „die ist gerade wieder durch den Tüv durch“. Ihm gehört das Gründungsschiff „Hertha“, das 1886 gebaut wurde und dem Klub 1892 seinen Namen gab. Sie ist blau-weiß lackiert und schwimmt und schwimmt. Dentler sagt: „Meine Hertha sinkt nicht.“

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