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Herthas Aufstieg: Meister oder Lehrling?

Hertha BSC bereitet sich mit den letzten drei Spielen in der 2. Bundesliga auf die neue Saison vor. Markus Babbel definiert seine Mission keineswegs mit dem Verlassen der Zweiten Liga.

Berlin - Es ist in den vergangenen Wochen viel geredet worden über das BayernMeisterSieger-Gen. Markus Babbel hat es angeblich im Reagenzglas mit nach Berlin gebracht und jedem Spieler persönlich implantiert, auf dass Hertha BSC endlich mal wieder einen Titel gewinnt, und wenn es nur eine für den Briefkopf eher ungeeignete Meisterschaft der Zweiten Liga ist. „Mission erfüllt“, melden die Berliner Fußballspieler auf blauen T-Shirts, aber dieses Ziel deckt sich keineswegs mit den Vorstellungen ihres Trainers.

Markus Babbel definiert seine Mission keineswegs mit dem Verlassen der Zweiten Liga, und deshalb hat er sich auch so geärgert über diese 1:2-Niederlage gegen 1860 München am Freitag, als vor heimischem Publikum der Aufstieg so richtig gefeiert werden sollte. Auch Babbel sprach vom ins Auge gefassten Titelgewinn, „von diesem wunderschönen Erlebnis, das ich in 16 Jahren als Spieler viermal genießen durfte“.

Wichtiger aber als Platz eins in Liga zwei ist, wie es im Jahr danach weitergeht. Hertha BSC besitzt unerwartet früh Planungssicherheit, was Manager Michael Preetz bei der Rekrutierung neuer Spieler in die Hände spielt. Als erster kam der Hamburger Stürmer Tunay Torun, die Verhandlungen mit dem Münchner Torhüter Thomas Kraft befinden sich im fortgeschrittenen Stadium. Trainer Babbel nutzt die kommenden Wochen, sich mit dem schon vorhandenen Personal frühzeitig auf die Erste Liga vorzubereiten. Drei Spiele lang darf der Aufsteiger unter Wettbewerbsbedingungen für das Comeback im Kreis der Etablierten testen. Teil eins ging gegen 1860 München schon mal daneben.

Auch Christian Lell, wie sein Trainer beim FC Bayern groß geworden, monierte in der Nachbetrachtung die Art und Weise, wie er und seine Kollegen einem nicht mehr sonderlich motivierten Gegner das zuletzt seltene Geschenk eines Sieges im Olympiastadion ermöglicht hatten. „Da führst du vor 60 000 Zuschauern 1:0 und lässt dir dann so den Schneid abkaufen“, schimpfte der Verteidiger, „so etwas darf einfach nicht passieren.“ Babbel verbuchte die erste Heimniederlage seit dem 1:2 im Derby gegen Union mit einer Formulierung, wie sie nach einem möglichen Fehlstart in die kommende Saison angebracht wäre: „Wir haben Lehrgeld gezahlt.“

Das bezog sich äußerlich auf die Entstehungsgeschichte der beiden Gegentore, sie fielen jeweils nach Freistößen aus dem Halbfeld, also einer Spielsituation, wie sie eine ambitionierte Mannschaft nicht überraschen darf. „Das waren nur zwei Unaufmerksamkeiten, aber genau die machen den Unterschied“, sagte der Mittelfeldspieler Peter Niemeyer. „In der Zweiten Liga geht so etwas noch meistens gut, aber in der Ersten wird es fast immer bestraft.“

Hertha BSC hat sich ja keineswegs im Rausch durch die Ebene zwischen Paderborn und Fürth, zwischen Aachen und Cottbus gespielt. Ausdruck der Berliner Überlegenheit waren im seltensten Fall Demonstrationen brillanter Fußballkunst, sondern konzentrierte Arbeit. Ohne Schnörkel und Überheblichkeit erarbeitete sich Hertha so den frühzeitig feststehenden Aufstieg. Diese Adaption an die Anforderungen des Zweitligaalltags hat die Mannschaft ihrem Trainer zu verdanken. Auch das Spiel gegen den TSV 1860 wollte Hertha unbedingt gewinnen. „Von der Einstellung her müssen wir uns keinen Vorwurf machen“, sagte Peter Niemeyer. Dass es dennoch nicht mal zu einem Unentschieden reichte, wird Babbel bestärken in seiner Auffassung, dass manche Automatismen noch nicht so eingeschliffen, wie er es gern hätte. Das beginnt mit zu leichten Ballverlusten in der Vorwärtsbewegung und endete gegen 1860 mit Zuordnungsproblemen bei Standardsituationen.

Die Arbeit geht weiter, erst zum Zweitliga-Ausklang gegen Aue und Augsburg, dann ab Anfang August in der Bundesliga. Unterbrochen wird der Vorbereitungskalender nur durch ein paar Wochen Ferien, der Trainer wird sie nach den Erfahrungen des vergangenen Sommers eher als individuelles Regenerationstrainingslager verstehen wollen. Damals traf Babbel zum Trainingsbeginn auf eine Mannschaft, die am Strand und in der Gastronomie nicht eben profigerechte Substanz aufgebaut hatte.

Ob dagegen ein BayernMeisterSieger- Gen hilft?

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