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© Thilo Rückeis

Herthas christlicher Fanklub: Mit Segen und Simunic

Der erste christliche Fanklub von Hertha BSC betet nicht nur für den Sieg – das gefällt auch manchem Spieler des Berliner Bundesligisten.

War Josip Simunic mit 34 Treffern Torschützenkönig der Bundesliga? Hat er 480 Spiele für Hertha BSC bestritten und wohnt seit 15 Jahren in Berlin? Oder sah er als einziger Fußballspieler bei einer Weltmeisterschaft drei Gelbe Karten in einem Spiel? Natürlich ist nur die dritte Geschichte wahr, Josip Simunic erzählt sie aber alle drei an diesem atmosphärisch so warmen Dezember-Dienstag. Es ist ein Spiel auf der Weihnachtsfeier des ersten und einzigen christlichen Hertha-Fanklubs „Totale Offensive“ in Spandau. Etwa 40 Kinder und 30 Erwachsene sind in den Jugendraum der Josua-Gemeinde an der Bismarckstraße gekommen. Herthas Innenverteidiger Simunic ist der Überraschungsgast. Natürlich steht der Kroate im Mittelpunkt, aber auch sonst haben sich der Pastor und die Aktiven des Klubs allerlei Nettes ausgedacht. Als Simunic etwa drei Stunden später gehen muss, ziehen alle ein trauriges Gesicht. Auch Simunic. „Wir sind halt kein Fanklub wie jeder andere“, sagt Uwe Weise, zweiter Vorsitzender des Klubs.

Der christliche Hertha-Fanklub existiert seit dem 1. November 2006. Die Idee dazu kam aus Hamburg, dort gibt es eine ähnliche Gemeinschaft schon länger. In der ohnehin fußballbegeisterten Josua-Gemeinde wurde sofort mit den Planungen begonnen. Inzwischen haben die Berliner schon vieles auf die Beine gestellt: Der Klub hat etwa 55 Mitglieder, soziale Projekte sind Tagesgeschäft. Jeden Dienstag gibt es den „Kids Club“, in dem Kinder Hausaufgaben erledigen sollen, ein Mittagessen umsonst bekommen und eine Geschichte von Jesus hören. Herthas Auswärtsspiele sind häufig auf einer großen Leinwand zu sehen, bei Heimspielen sind die Fanklub-Mitglieder selbst im Stadion. Von den übrigen Hertha-Fans sind sie dann allerdings nur an dem weißen Fisch auf ihren blauen T-Shirts zu unterscheiden – der Fisch ist ein christliches Symbol.

Mit den göttlichen Zeichen kann man es aber auch zu weit treiben. Als der Hamburger SV Mitte November im Olympiastadion antrat, wurden die befreundeten HSV-Fans herzlich vom Hertha-Fanklub empfangen und bewirtet. Beim Spiel hängten die Hamburger eines ihrer christlichen Banner vor ein Hertha-Fanplakat. Aufschrift: „Jesus heilt.“ „Da habe ich zu den Hamburgern gesagt: Na, wenn euch das nicht zum Verhängnis wird“, erzählt der Vorsitzende des Hertha-Fanklubs, Detlef Wartchow. „Berlin hat dann ja wirklich 2:1 gewonnen“, sagt Wartchow und lacht. Die Hamburger waren deshalb nicht sauer. Allzu ernst werden die Ergebnisse hier nicht genommen.

Der Bezug zum Fußball ist aber immer präsent. Vor den Heimspielen gehen die Klub-Mitglieder in die Kapelle des Olympiastadions, um zu beten. In den Predigten wird der Fußball dann auch gerne eingebaut. „Das liegt häufig doch auf der Hand“, sagt Pastor Christoph Schumacher. Der dünne Mann mit dem Vollbart und den wachen Augen steckt in einem gestreiften Hertha-Trikot. Im Neuen Testament vergleiche Paulus das Leben mit einem Lauf, erzählt Schumacher. „Du musst viel trainieren und hast ein ganz klares Ziel vor Augen – wie im Fußball eben.“ Der Pastor träumt davon, den Fanklub zu vergrößern. „Wir wollen wirklich jedes Auswärtsspiel auf einer Leinwand zeigen und noch mehr Projekte starten“, sagt er.

Auch Josip Simunic erzählt auf der christlichen Hertha-Weihnachtsfeier von seiner Beziehung zu Gott. „Ich bin katholisch und halte den Glauben für etwas sehr Wichtiges“, sagt er. Es wird still im Jugendraum in Spandau. „Man muss sich zurückziehen können, um Kraft zu tanken, um Frieden mit sich selbst zu schließen“, sagt der 30-Jährige. Nach diesen Worten bekommt Simunic Szenenapplaus.

In einem ganz konkreten Fall wurden die Gebete des Fanklubs womöglich erhört. Vor einem Jahr, auf der ersten Weihnachtsfeier des Klubs, war Herthas Konditionstrainer Carsten Schünemann zu Gast. „Er hat erzählt, dass Lucio wahrscheinlich Sportinvalide wird“, sagt Detlef Wartchow. Herthas Brasilianer Lucio hatte sich im September 2007 so schwer am Knie verletzt, dass viele ihm das Ende seiner Karriere prophezeiten. „Wir haben dann alle gemeinsam für Lucio gebetet. Vielleicht hat es ja etwas geholfen“, sagt Wartchow. Vor einer Woche im Uefa-Cup-Spiel gegen Olympiakos Piräus wurde Lucio eingewechselt.

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