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Michael Preetz, 43, gehört seit 1996 zu Hertha BSC. Als Spieler erzielte er in 223 Spielen in der Zweiten und Ersten Bundesliga 93 Tore und ist damit Rekordtorschütze der Berliner. Ab 2003 arbeitete er als Assistent der Geschäftsführung, seit Juni 2009 als Manager.

©  Engler

Herthas Manager Michael Preetz: "Wir haben endlich Typen"

Herthas Manager Michael Preetz spricht im Interview mit dem Tagesspiegel vor dem Rückrundenauftakt in Oberhausen über die Vorteile der Zweiten Liga und eigene Fehler.

Herr Preetz, acht Millionen Euro ...

... sind eine Menge Geld, und mehr werden Sie zu diesem Thema erst einmal nicht von mir zu hören bekommen. Warten Sie bitte unsere offizielle Erklärung ab.

Also gut, lassen wir den unbekannten Wohltäter vorerst noch einen unbekannten Wohltäter bleiben und wenden uns dem Alltag zu. Mit der ersten Halbserie im Rücken und der zweiten vor Augen: Verraten Sie uns doch mal, wie sich die Zweite Liga so anfühlt.

Erst mal ist es ganz schön, wieder mehr Spiele zu gewinnen als zu verlieren. Wir haben ja im Olympiastadion auch in der Zweiten Liga fast jedes Mal eine erstklassige Kulisse. Auswärts ist zwar das eine oder andere Stadion dabei, das die Spieler so noch nicht kennen, aber dafür ist die Unterstützung durch unsere Fans immer klasse. Allerdings ist auch klar, dass wir so schnell wie möglich wieder zurück in die Erste Liga wollen.

Die Spieltermine sind noch gewöhnungsbedürftig. Samstags zur Mittagszeit, das erste Rückrundenspiel in Oberhausen wird am Montagabend angepfiffen ...

Ach, wirklich gewöhnen wollen wir uns daran nicht, wir wollen uns nicht einrichten! Es kommt aber immer auf die Perspektive an, ob das Glas nun halb voll oder halb leer ist. Wenn man Samstag um eins gewinnt, kann man danach noch gemütlich nach Hause fahren und sich die Erste Liga im Fernsehen anschauen. Wir können es eh nicht ändern, das sind die Rahmenbedingungen, denen wir uns fügen müssen. Außerdem kann dieser Alltag dazu beitragen, uns noch ein Stück weiter zu erden.

Weg vom Image des abgehobenen Hauptstadtklubs?

Richtig. Diese Chance zur Imagekorrektur bietet uns die Zweite Liga. Aber wir dürfen darüber natürlich nicht vergessen, sportlich unsere Hausaufgaben zu machen, die da heißen: sofortige Rückkehr in die Bundesliga.

Sie sind 1997 schon mal als Spieler mit Hertha aufgestiegen, getragen von einer Welle der Begeisterung. Erinnert Sie in diesen Tagen einiges an damals?

Eigentlich nicht. Eine richtige Aufbruchstimmung hatten wir erst nach dem Spiel gegen Kaiserslautern, als 75 000 Leute da waren und vor dem Stadion noch ein paar Tausend mehr. Aber das war im April, zehn Spieltage vor Saisonende. Bis dahin habe ich das überhaupt nicht so empfunden. In unserem ersten Saisonspiel damals gegen Mainz hatten wir 11 000 Zuschauer, diesmal waren es fast 50 000. Gegen Oberhausen! Kein Zweitligist in Europa hat so viele Zuschauer wie wir.

Bei anderen Vereinen blockieren die Fans nach drei Niederlagen den Bus. Warum wollen sie bei Hertha mitleiden?

Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht und kann nur mutmaßen. In der vergangenen Saison haben die Fans wahrscheinlich gespürt, dass die Mannschaft diese Unterstützung brauchte. Jetzt wollen die Leute dabei sein auf dem Weg zurück in die Bundesliga. Und dazu haben wir noch einige Entscheidungen getroffen, von denen die wichtigste die Verpflichtung des Trainers war. Markus Babbel ist einer, den die Leute annehmen. Und er weiß, wie Berlin tickt, was man den Menschen hier anbieten muss. Glaubwürdigkeit kann man nicht kaufen, Markus hat sie einfach.

Wie stabil und nachhaltig ist diese neue Zuneigung der Berliner zu Hertha BSC?

Es wird sicherlich von maßgeblicher Bedeutung sein, wie es sportlich weitergeht. Ich will jetzt nicht davon reden, wie es sein wird, wenn wir in ein paar Monaten den Aufstieg geschafft haben sollten, die Fragen kommen ja jetzt schon: Welche Superstars holt ihr im Sommer? Das ist natürlich alles Quatsch, wir arbeiten auf jeden Fall weiter mit dieser Mannschaft, die wir höchstens punktuell verstärken. Wenn wir nicht in irgendwelche Traumwelten abheben und uns auf das Machbare konzentrieren, werden die Leute das honorieren.

Der Abstieg in der vergangenen Saison war auch eine Niederlage für Sie. In Ihrem ersten Jahr in der Verantwortung ist Hertha BSC voll an die Wand gefahren. Haben Sie irgendwann mal an Aufgabe gedacht?

Nein. Auch in der Abstiegssaison hatten wir ja Qualität, in der Rückrunde hat die Mannschaft teilweise so gespielt, als würde sie auf einem einstelligen Tabellenplatz stehen. Es hat nicht gereicht, weil uns Siege in den Heimspielen fehlten. Nach dem Abstieg haben wir Bilanz gezogen, jetzt setzen wir alles daran zurückzukommen. Eine andere Chance haben wir nicht.

Sie haben sich verändert.

Habe ich das?

Sie wirken ruhiger als in Ihrem ersten Jahr als Manager. Macht der Erfolg gelassener, auch wenn er nur in der Zweiten Liga erzielt wird?

Das mit der Veränderung ist Ihre Interpretation, darüber kann man immer streiten. Bei meinen öffentlichen Auftritten …

… zum Beispiel bei den Mitgliederversammlungen …

… bemühe ich mich immer um Sachlichkeit. Ich bin keiner, der platte Kampfreden hält, der versucht, unbedingt seine Leute hinter sich zu bringen und verspricht: Wir schaffen das schon irgendwie. Aber natürlich steht und fällt auch die Beurteilung meiner Person als Manager immer mit sportlichem Erfolg.

Was würden Sie im Rückblick anders machen?

Da ist müßig zu diskutieren, aber natürlich würde ich bei den Transfers an der einen oder anderen Stelle andere Entscheidungen treffen. Die Diskussionen mit dem damaligen Trainer ...

... Lucien Favre ...

... waren nicht immer einfach. In der entscheidenden Phase der Personalplanung war er leider im Urlaub und stand mir nicht als Gesprächspartner zur Verfügung. Irgendwann aber mussten nun mal Entscheidungen getroffen werden. Mit Markus Babbel hat das ganz hervorragend funktioniert. Markus war im Sommer eine Woche lang bei mir im Büro, und zwar von morgens um neun bis abends um acht oder noch länger. Dann hatten wir die Mannschaft zusammen, und wir hatten in unseren Überzeugungen eine Schnittmenge, die bei annähernd 100 Prozent lag.

Hertha hatte in der Zweiten Liga vom ersten Spieltag an eine funktionierende und konkurrenzfähige Mannschaft. Das war in der Abstiegssaison nicht der Fall.

Pardon, aber diese beiden Transferperioden kann man nicht miteinander vergleichen. Im Sommer 2009 hatten wir eine Mannschaft, die wir gar nicht verändern konnten, weil kein Geld da war. Schlimmer noch: wir mussten die Substanz sogar noch schwächen, um Transfererlöse zu erzielen, weil es sonst wirtschaftlich nicht weitergegangen wäre. Gleichzeitig mussten wir versuchen, diesen Qualitätsverlust aufzufangen. Das ist uns damals nicht gelungen, sonst wären wir nicht abgestiegen. Vor der aktuellen Saison hatten wir eine komplett andere Situation. Da hatten wir die Möglichkeit, den Kader komplett umzubauen und so zusammenzustellen, dass ich sagen kann: Das ist meine Mannschaft.

Das funktionierte unter den veränderten Rahmenbedingungen der Zweiten Liga nur, weil viele Spieler ihre bestehenden Verträge umwandelten und dabei auf viel Geld verzichteten.

Oh ja, wir haben viel miteinander geredet, aber das war sehr gut angelegte Zeit. Nicht nur, weil wir dadurch viel Geld gespart haben.

Sondern?

In diesen Gesprächen ging es mir vor allem darum, den Spielern klarzumachen: Worauf lässt du dich ein, wenn du dieses Papier unterschreibst? Was passiert da in der Zweiten Liga mit dir? Lustenberger, Raffael, Kobiaschwili, Hubnik – das sind Erstligaspieler, die sensibilisiert werden mussten auf das, was eine Liga tiefer wichtig ist. Mir muss niemand etwas über die Zweite Liga erzählen. Ich habe über 250 Spiele in der Zweiten Liga gemacht und bin viermal aufgestiegen – ich weiß schon, was da abgeht. Auf dem Rasen, aber auch in Köpfen von Spielern.

Was geht denn so in den Köpfen vor?

Die Spieler, die geblieben sind, hatten alle auch einen Anteil am Abstieg. Dazu stehen sie und wollen es deshalb revidieren. Sie wollen mit uns gemeinsam den Weg zurück schaffen, um dann mit Hertha in der Ersten Bundesliga zu spielen. Fabian Lustenberger etwa hatte etliche Möglichkeiten, und dass er geblieben ist, sagt genug über seinen Charakter. Aber es gab natürlich auch Spieler, die nicht eine Sekunde lang überlegt haben, ob sie vielleicht daran mitarbeiten wollen, diesen Abstieg wiedergutzumachen. Nein, egal, weg, was Neues.

Ihr vormaliger Kapitän Arne Friedrich hat ausrichten lassen, es sei eine Last von ihm gefallen, als der Abstieg besiegelt war. Jetzt spielt er in Wolfsburg.

Arne hat eine großartige WM gespielt, ich wünsche ihm nur das Beste.

Torhüter Jaroslav Drobny hat sich lieber beim HSV auf die Ersatzbank gesetzt, als in Berlin zu bleiben.

Wir haben versucht ihn zu überzeugen, mit uns diesen Weg zu gehen, er hat sich anders entschieden. Aber wir haben mit Maikel Aerts einen großartigen Nachfolger gefunden. Drobny ist ein Klasse-Torwart und ein guter Kerl. Aber in der Kabine hätten wir uns manchmal mehr von ihm gewünscht: aufstehen und einen Mitspieler mal zusammenstauchen. Dafür war er einfach nicht der Typ, denn so etwas ist unangenehm, das macht keiner gern. Aber manchmal muss es eben sein, zum Wohl der Mannschaft. Aerts kann das, und Andre Mijatovic und Peter Niemeyer können das auch. Wir haben jetzt endlich Typen in der Mannschaft. Nicht nur auf dem Platz, sondern auch hinter den Kulissen.

Der Abstieg war also ein reinigendes Gewitter?

Wenn wir das rückblickend am Saisonende sagen können, wäre ich froh. Wir sind der Überzeugung, dass diese Mannschaft Qualität hat, auch für höhere Aufgaben, dass sie dazu noch ein sehr hohes Entwicklungspotenzial hat. Dafür stehen natürlich in erster Linie die vielen jungen Spieler. Aber auch die Älteren wie Peter Niemeyer, Christian Lell, Fabian Lustenberger oder Raffael sind noch lange nicht an ihrem Leistungszenit angekommen.

Wenn es nicht klappt? Gibt es einen Plan B für eine Zukunft in der Zweiten Liga?

Es muss diesen Plan allein schon deshalb geben, weil wir ihn im Lizenzierungsverfahren einzureichen haben. Aber ich bitte es mir nachzusehen, dass ich mich öffentlich damit nicht befassen will. Ich glaube schon, dass man mit dieser Mannschaft aufsteigen kann!

Es dürfte schwerer sein, mit dieser Mannschaft nicht aufzusteigen.

Das kann man so sehen.

Eigentlich könnten Sie den Vertrag mit Markus Babbel schon jetzt verlängern. Selbst wenn es mit dem Aufstieg nicht klappen sollte: Er hat Ihnen durch die Heranführung der vielen jungen Spieler ja schon eine Mannschaft aufgebaut, die auch mit geringerem finanziellen Aufwand in der Zweiten Liga weiterspielen könnte.

Diese Diskussion wollen wir jetzt nicht führen. Es ist unser Anspruch aufzusteigen, alles andere lenkt nur ab. Deswegen macht es auch keinen Sinn, jetzt schon den Vertrag von Markus zu verlängern. Aber auch nur deswegen.

Das Gespräch führte Sven Goldmann.

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