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Aufsteigende Tendenz: Hany Mukhtar ist einer von mehreren Nachwuchsspielern bei Hertha BSC, die unter Luhukays Anleitung den Sprung in den Profikader und in die zweite Liga geschafft haben.

© dapd

Herthas Nachwuchs: Luhukay und der Faktor Berlin

Brooks, Mukhtar, Holland und Co: Unter Jos Luhukay haben sich einige Spieler aus dem eigenen Nachwuchs bei Hertha BSC gut entwickelt. Der Trainer bedient damit eine tiefe Sehnsucht der Fans.

Wenn Jos Luhukay Hany Mukhtar spielen sieht, denkt er manchmal darüber nach, ob er sich nicht ein bisschen an den jungen Jos Luhukay erinnert fühlen sollte. Aber nein, denkt er dann, man dürfe zwei Spieler, zumal aus völlig unterschiedlichen Epochen des Fußballs, nicht miteinander vergleichen. Allen offenkundigen Gemeinsamkeiten zum Trotz. Luhukay war auch ein kleiner, trickreicher Mittelfeldspieler, und er hat, genau wie Mukhtar bei Hertha BSC, schon mit 17 Jahren im Profifußball debütiert. Das ist der Schlüssel, um die Entwicklung zu verstehen, die bei Hertha eng mit dem Wirken des Trainers Luhukay verbunden ist. „Vielleicht kann ich mich deshalb gut in junge Spieler hineinversetzen“, sagt er.

„Für uns junge Spieler kann es gar keinen besseren Trainer geben. Er gibt uns wertvolle Tipps und schenkt uns Vertrauen“, sagt John-Anthony Brooks, 19, der unter Luhukay vom Debütanten zum Stammspieler aufgestiegen ist und als Kandidat für die deutsche U-21-Nationalmannschaft gilt. Dass Vertrauen wichtig ist, erwähnen die jungen Spieler immer wieder. Für Luhukay aber ist das nur die eine Seite: „Die Spieler müssen sich das Vertrauen auch verdienen. Sie sollen das Gefühl haben, sie müssen alles dafür tun.“ Sich fördern zu lassen heißt auch, sich fordern zu lassen.

Im Moment scheint das bei Hertha wieder zu funktionieren. Unter Luhukays Anleitung haben sich einige Spieler aus dem Nachwuchs gut entwickelt, John-Anthony Brooks vor allem, aber auch Fabian Holland, 22, und Hany Mukhtar. Der neue Trainer bedient damit eine tiefe, seit längerem unbefriedigte Sehnsucht des Hertha-Anhangs: die Sehnsucht nach dem Faktor Berlin in Herthas Profikader. Bevor Luhukay im Sommer Cheftrainer wurde, hatte seit Patrick Ebert niemand mehr aus dem eigenen Nachwuchs dauerhaft den Sprung in die Stammelf geschafft.

Dass das Thema für den Holländer weit oben auf der Agenda steht, hat er den jungen Spielern gleich „an meinem allerersten Tag“ in Berlin deutlich gemacht. „Er hat uns gesagt, dass wir nicht mitschwimmen, sondern voll angreifen sollen“, berichtet Brooks. Luhukay hatte beim Blick in den Kader bemerkt, dass einige Talente schon zwei, drei oder gar vier Jahre dem Profikader angehörten, in dieser Zeit aber auf kaum mehr als eine Handvoll Einsätze gekommen waren. „Ihr müsst euch so weiterentwickeln, dass ihr für die erste Elf in Frage kommt. Sonst müssen wir gewisse Entscheidungen treffen“, teilte Luhukay den Spielern in seiner Antrittsrede mit.

Herthas Zeiten als Vorzeige-Ausbildungsbetrieb sind vorbei

Luhukay findet, dass es für junge Spieler gar nicht mal so schwer ist, den Sprung zu den Profis zu schaffen; „viel schwerer ist es, da oben zu bleiben und sich durchzusetzen“. Vor einem Jahr zählten im Wintertrainingslager acht Spieler zu Herthas Kader, die aus dem eigenen Nachwuchs stammten und jünger als 21 waren. Allein Brooks und Nico Schulz haben von diesen acht seitdem einen Satz nach vorne gemacht. Die anderen stagnieren. Marco Djuricin ist an den Zweitligaletzten Regensburg ausgeliehen, Fanol Perdedaj in die zweite dänische Liga, Sebastian Neumann an den Drittligisten Osnabrück abgegeben worden. Alfredo Morales spielt bei Luhukay keine Rolle, Jerome Kiesewetter ist in der U 23 des VfB Stuttgart zu gerade zwei Kurzeinsätzen gekommen und Abu Bakarr Kargbo ist froh, überhaupt wieder einen Klub gefunden zu haben. Nach einem halben Jahr ohne Verein hat der Stürmer bei der zweiten Mannschaft von Bayer Leverkusen unterschrieben.

Eine Erfolgsgeschichte sieht anders aus. Die Zeiten, in denen die Berliner als der Vorzeige-Ausbildungsbetrieb des deutschen Fußballs galten, sind vorbei. Hertha hat offensichtlich ein wenig am Bedarf vorbei ausgebildet. Luhukay hat nun mehr Struktur und Zug in das Thema gebracht. Eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit ist für den mit 42 Millionen Euro verschuldeten Klub schon aus wirtschaftlichen Gründen unerlässlich, weil sie wohl der einzige Weg ist, um neue Spielerwerte zu schaffen. Spielerwerte, die durch zwei Abstiege in zwei Jahren fast zwangsläufig vernichtet worden sind.

Luhukay kann sich mit dieser Aufbauarbeit bestens identifizieren. Wenn es sich mit dem Spielplan der Profis vereinbaren lässt, schaut er sich jedes Spiel der U 23 an, wenn möglich auch noch die A-Jugend. Einmal im Monat sitzt er mit allen Jugendtrainern des Vereins zusammen, um mit ihnen über den Fußball zu philosophieren, Erkenntnisse auszutauschen und sich über die Entwicklungen im Nachwuchs informieren zu lassen: Welcher Spieler wäre es wert, näher betrachtet zu werden?

„Wir sind gut informiert, was sich an Potenzial im Jugendbereich befindet“, sagt Markus Gellhaus. Seit einigen Wochen kümmert sich Luhukays Co-Trainer explizit um die Begleitung der Talente. Einmal in der Woche bittet der 42-Jährige zehn bis zwölf Toptalente aus der U 17, U 19 und U 23 zum Fördertraining, in dem vor allem an der Technik gearbeitet wird. Profitieren können davon beide Seiten. Gellhaus bekommt einen besseren Eindruck von den jungen Spielern, von ihrer sportlichen Qualität, aber auch von ihrem sozialen Umfeld. Die Talente hingegen sehen, „dass wir uns für ihre Belange interessieren und eine Durchlässigkeit vorhanden ist“. Aufgehalten werden soll bei Hertha niemand mehr.

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