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© Ullstein

Herthas NS-Zeit: Vereinsfarbe: braun-weiß

Einen schlechten Ruf verliert man nicht so leicht wie ein Fußballspiel. Warum eigentlich gilt Hertha als braun angehauchter Verein? Über die NS-Zeit schweigen sich viele Klubs aus.

Liegt der schlechte Ruf an der großen Zeit der Berliner zu Beginn der dreißiger Jahre? Oder an der sportlichen Heimat in Hitlers Olympiastadion? Und war Herthas Idol Hanne Sobek nicht Mitglied in der NSDAP? Gemunkelt wird viel, aber bekannt ist wenig über die Zeit des Berliner Bundesligisten unterm Hakenkreuz. So wenig, dass Präsident Bernd Schiphorst nun beim Historiker Daniel Koerfer eine Studie über die zwölf Jahre in Auftrag gegeben hat. Dessen erster Eindruck fiel beruhigend für Präsident Schiphorst aus: „Wir müssen die Vereinsfarben wohl nicht in Braun-Weiß ändern.“

Koerfers Kollege Nils Havemann nennt in seinem Buch „Fußball unterm Hakenkreuz“ vier nationalsozialistische Vorzeigevereine: 1860 München, Werder Bremen, VfB Stuttgart, Schalke 04. Von denen ließ bisher nur Schalke seine braune Vergangenheit wissenschaftlich untersuchen. Immerhin sechs ihrer sieben Meisterschaften hatten die Gelsenkirchener in der Nazizeit gewonnen. Stefan Goch und Norbert Silberbach kommen in ihrer Studie „Zwischen Blau und Weiß liegt Grau“ zum Schluss, Schalke sei kein Naziverein gewesen, sondern einer, in dem sich die gesamte Gesellschaft wiederfand: Mitläufer, Opportunisten, aktive Nazis.

Für den Klub war das Projekt ein Wagnis. Zuvor waren Akten aufgetaucht, die Schalkes Legende Fritz Szepan als Naziprofiteur auswiesen. Der Parteigenosse und Nationalspieler hatte 1938 aus jüdischer Hand ein Textilgeschäft erworben. Der Kaufpreis von 7000 Reichsmark entsprach einem Drittel des Verkehrswertes. Das wurde bekannt, als der Klub eine der Straßen rund um seine neue Arena nach Szepan benennen wollte. Schalke zog den Antrag zurück.

So konsequent ist sonst nur der Hamburger SV – mit der Sonderausstellung „Die Raute unterm Hakenkreuz“. Der HSV stieß auch sein früheres Idol Tull Harder endgültig vom Sockel. Harder war SS-Mitglied und verdingte sich als Wachmann im selben KZ, in dem auch sein früherer HSV-Kollege Asbjörn Halvorsen saß, ein Mann des norwegischen Widerstands. Nach seiner Haftentlassung 1951 wurde Harder auf den Schultern über den HSV-Platz am Rothenbaum getragen. Heute ist er Persona non grata.

Äußerst willig scheint der VfB Stuttgart dem Regime zu Diensten gewesen sein. Schon ein Jahr vor der Machtergreifung stellte der Vorstand das Vereinsgelände der NSDAP zur Verfügung. Mit Verweis darauf ließ sich der VfB später die neue Klubanlage fast komplett von der Stadt finanzieren. Der Bürgermeister sprach von einem „schon vor dem Umbruch dem Nationalsozialismus wohlgesonnenen Verein“. Heute stellt sich der VfB der Vergangenheit. Seit sechs Jahren leisten sich die Stuttgarter in Harald Jordan einen „Leiter der historischen Abteilung“. In seinem Buch „Mythos VfB“ arbeitet er auch die Nazijahre auf. „Der Klub nimmt dieses Thema sehr ernst“, sagt Jordan. „Unter dem früheren Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder war das leider nicht so.“ CDU-Mann Mayer-Vorfelder amtierte nach seiner Zeit beim VfB noch bis zum vergangenen Jahr als DFB-Präsident.

Bei Werder Bremen hieß es schon im April 1933 in den Vereinsnachrichten, Werder habe „nicht erst jetzt nach der Umwälzung sein nationales Herz“ entdeckt. Nach der von Werder eifrig betriebenen Gleichschaltung forderte Vereinsführer Willy Stöver, alle Mitglieder sollten sich in den Dienst der Volksgemeinschaft stellen. Ein Spiel gegen die Sportfreunde Saarbrücken inszenierte Werder als Propagandaveranstaltung für den Anschluss des Saarlandes, zuvor wurde im Schauspielhaus das Horst-Wessel-Lied gesungen. Im Schatten ihrer Treue zu Partei und Führer versuchten die Bremer, mit großzügigen Prämien eine Meisterelf aufzubauen. Im Internetauftritt des Werder-Museums („Wuseum“) findet sich über diese Zeit nur eine Anekdote über den Obmann Alfred Drewes, der, „schlau und schlitzohrig“, Schalke zwei Spieler abluchste. Laut Sprecher Tino Polster plant Werder für Ostern 2008 eine Ausstellung über jüdische Fußballer.

1860 München stand in den dreißiger Jahren kurz vor der Pleite. Es halfen Beziehungen zur NSDAP. Es heißt, der Klub habe lange vor der Machtergreifung seine Korrespondenz mit „Heil Hitler“ gezeichnet. Auf dem Vereinsgelände trainierte die SA, die in Emil Ketterer ab 1936 auch den Vereinsführer stellte. Der Mediziner Ketterer war ein übler Nazischerge, Befürworter des Euthanasieprogramms. Die Festschrift zum 100. Jubiläum kritisiert seine Internierung nach dem Krieg als „ungerechte Behandlung“. Eine Aufarbeitung der Vergangenheit ist für den TSV 1860 laut Pressesprecher Robert Hettich bis heute kein Thema. Auf seiner Homepage im Internet schweigt der Verein die braunen Jahre so konsequent tot, dass nicht mal der DFB-Pokalsieg aus dem Jahr 1942 Erwähnung findet.

Im „Dritten Reich“ legten die Löwen die Basis für ihre führende Stellung im Münchner Fußball, die sie bis weit in die sechziger Jahre hielten. Ihr Rivale FC Bayern galt den braunen Machthabern als Judenklub. Deren jüdischer Präsident Kurt Landauer musste nach der Machtergreifung zwar zurücktreten, behielt aber ob des beinahe schon kosmopolitischen Vereinsklimas noch lange Zeit Einfluss, bis er 1939 in die Schweiz floh. Erst 1942 übernahmen die Nazis die Macht an der Säbener Straße. Heute sind die Bayern in der angenehmen Lage, anderen die Forschung zu überlassen. 2005 waren sie erster Träger des Julius-Hirsch-Preises, benannt nach dem früheren Nationalspieler, ermordet in Auschwitz. In der Laudatio von DFB-Präsident Theo Zwanziger heißt es: „Die Führung von Bayern München hat sich über Jahrzehnte hinweg dem antisemitischen Gift entgegengestellt.“

Und Hertha BSC? Zog spät in Hitlers Olympiastadion, weil der alte Platz am Gesundbrunnen zu klein war für die 1963 gegründete Bundesliga. Die große Zeit der Berliner endete 1931 mit der zweiten Deutschen Meisterschaft – zwei Jahre vor der Machtübernahme. Nils Havemann widmet Hertha BSC in seinem 473 Seiten starken Standardwerk einen einzigen (belanglosen) Satz. Der von der Partei gestellte Vereinsführer Hans Pfeiffer hielt sich gerade drei Jahre. Die Spieler zeigten den deutschen Gruß, aber das war reichsweit „vor Beginn jedes vor Zuschauern ausgetragenen Spieles“ vorgeschrieben.

Und Hanne Sobek? Trat zwar in die Partei ein, aber das war 1940, als das Regime auf dem Höhepunkt seiner Popularität war. Der Münchner Literaturwissenschaftler Thomas Bode referierte im Februar 2006 auf einer Fachtagung im schwäbischen Irsee über Sobeks Roman „Magnet Fußball“: Der Berliner habe ein „positives Bild von französischen, polnischen, amerikanischen und englischen Sportkameraden“ gezeichnet. Als das Buch 1938 erschien, plante Hitler längst seine Feldzüge gegen die Sportkameraden aus Polen, Frankreich, England und Amerika.

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