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Erst Freunde, dann Feinde. Otto Rehhagel (l.) und Dieter Burdenski in Bremen.

© picture-alliance / Werek

Herthas Trainer früher: Wie Otto Rehhagel 14 Jahre lang Bremen regierte

Hertha BSC empfängt am Samstag in der Bundesliga Werder Bremen, wo Otto Rehhagel 14 Jahre lang Trainer war. Wie konnte das solange funktionieren?

Otto Rehhagel war sauer, er schäumte innerlich. Dann sagte er knapp: „Dieser Mann hat mir die ganze Feier versaut.“ Dieser Mann, das war Dieter Burdenski, die Bundesliga-Macher schrieben das Jahr 1988, und Werder Bremen war vorzeitig Deutscher Meister geworden. Aber Otto Rehhagel hatte in der Zeitung lesen müssen, dass Burdenski, damals schon zweiter Mann im Tor hinter Oliver Reck, so gerne noch einmal in seiner alten Heimat Schalke auflaufen würde. Zur Halbzeit stand es 4:0 für Werder, jeder dachte, jetzt kann er den Burdenski ja bringen, es wäre eine schöne Geste gewesen. Aber Burdenski musste auf der Ersatzbank hocken bleiben, später im Bremer Rathaus beim Empfang grummelte er: „Für mich hat der Otto charakterlich versagt.“

Im Frühjahr 1976 kam Rehhagel erstmals nach Bremen, um Werder vor dem Abstieg zu retten. Damals galt ein gewisser Thomas Schaaf in der B-Jugend als größtes Talent des Vereins. Am Samstag, gut 35 Jahre später, begegnen der ehemalige Spieler und Ex-Trainer sich auf Augenhöhe, weil sie nun längst beide große Namen in der Branche der Fußballtrainer sind. Nach oben gekommen, zu beträchtlichem Ruhm, sind sie auf sehr gegensätzliche Weise. Schaaf mit Bescheidenheit.

Der Weg des Otto Rehhagel hat sich dagegen vor allem durch Kompromisslosigkeit ausgezeichnet, gepaart mit einer Grundüberzeugung: Ich allein habe das Sagen, ich darf mir von keinem hineinreden lassen. Das funktionierte ziemlich oft und am besten an der Weser. Denn bei Werder gab es in den 14 Rehhagel-Jahren nie jemanden, der ihm in fachlichen Dingen ernsthaft widersprach – es war auch keiner da, der kompetent genug gewesen wäre.

Als Werder im April 1986 die Meisterschaft verspielte mit einem 1:2 in Stuttgart, ließ Rehhagel den wochenlang verletzten Rudi Völler von Beginn an auflaufen, der kaum rennen konnte und zur Halbzeit wieder raus kam. Hinterher wagte es Benno Möhlmann anzudeuten, dass die Aufstellung vielleicht nicht ganz glücklich gewesen sei. Rehhagel bekam es mit, bald darauf wechselte der ehemalige Vertraute Rehhagels zum HSV.

Rehhagel hasst Journalisten und liebt seine Spieler

Werders Führungsetage besteht seit jeher aus Nicht-Fußballern, die in den Jahren von 1981 bis 1995 eine Überzeugung einte: Wir haben den Besten. So stützten sie ihren Cheftrainer auch in Situationen, in denen gelegentliche Misserfolge schon mal zu „Rehhagel-Raus“-Rufen geführt hatten. Und sie machten es auf spektakuläre Art: „Wenn es Kritik gab, haben wir meistens Rehhagels Vertrag verlängert“, erinnert sich Werders heutiger Präsident Klaus-Dieter Fischer. Und sein vor einigen Jahren verstorbener Vorgänger Franz Böhmert sagte einmal: „Ich habe lieber Ärger mit den Medien als Abstiegsangst.“

Die Medien – das ist seit jeher so etwas wie sein Staatsfeind Nummer eins. Journalisten traut er nicht über den Weg, sie schreiben was sie wollen und meist gerade das, was Otto Rehhagel nicht will. Im Laufe seiner Bremer Jahre hatten nur ganz wenige Medien-Vertreter das Vertrauen des Meisters, solange sie halbwegs in seinem Sinne schreiben oder redeten. Taten sie das nicht mehr, war die Rehhagel-Reaktion stets die Gleiche: „Mit Ihnen rede ich nicht mehr.“

Ganz anders war sein Verhältnis zu den Spielern. „Meine Jungs dürfen immer zu mir kommen“, sagte er oft, gab durchaus erfolgreich die Vater-Figur. Und auch Ehefrau Beate kümmerte sich: Kam ein neuer Spieler nach Bremen, beriet Beate Rehhagel Freundin oder Frau gerne bei der Möbel- und Tapetensuche. Rehhagel vertraute seinen Schützlingen, doch er forderte auch totale Loyalität. Blieb die aus, zog er einen brutalen Schlussstrich: Burdenski, ehemaliger Nationalspieler, und Möhlmann, ehemaliger Kapitän, sind dafür nur zwei Beispiele.

Diese Art, niemals den Fehler bei sich zu suchen, funktionierte nur dann, wenn es niemanden gab, der es besser wusste. Oder nichts sagte. So war es in Bremen, Kaiserslautern und auch in Griechenland. In München dagegen, wo Franz Beckenbauer, Karl-Heinz Rummenigge oder Uli Hoeneß sich durchaus herausnahmen, mindestens doch mal auf Augenhöhe mit dem einst beinharten Verteidiger zu diskutieren, ging es schief. Zum Schluss soll Rehhagel nur noch einen Freund gehabt haben – Andreas Herzog, den Spielmacher aus alten Bremer Zeiten.

Damals, 1988, veranlasste Rehhagel übrigens, dass der Spieler Dieter Burdenski nicht mit zur Meisterschaftsfeier nach Teneriffa reisen durfte. Es war eine kompromisslose Forderung: der oder ich. Ex-Manager Willi Lemke formulierte sein Verhältnis zu Rehhagel mal so: „Ich musste erst begreifen, dass Otto einen Stern mehr hatte als ich, dann klappte es.“

Der Autor war viele Jahre lang Ressortleiter Sport beim Bremer Weser-Kurier.

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