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Herthas melancholische Seele. An guten Tagen zählt Raffael (links) zu den besten Spielern der Liga. An schlechten ist er bestenfalls ein Mitläufer.

© Reuters

Herthas vermeintlicher Spielmacher: Raffael braucht das Team mehr als umgekehrt

Hertha BSC hofft im Kampf um den Klassenerhalt vor allem auf Raffael – dabei läuft es beim Brasilianer nur dann, wenn er richtig eingesetzt wird. Ansonsten ist er so gut wie wirkungslos.

Wieder wird Magie von ihm erwartet. An seinem 27. Geburtstag hat ein Fernsehsender Raffael Caetano de Araujo einen Kuchen mitgebracht. Die aufgesteckten Kerzen lassen sich aber nicht anzünden. Auspusten soll der Mittelfeldspieler von Hertha BSC sie trotzdem, für die Kamera. Wie soll das gehen? In diesem Fall hilft ihm die optische Illusion: Der Kameramann filmt erst die aufgeblasene Backen und schwenkt dann auf den Kuchen. Tada! Die Kerzen sind aus.

Erneut ein Zauberkunststück, wie es die Fans aus den Spielzusammenfassungen gewohnt sind. Dort ist dann zu sehen, wie Raffael scheinbar aus dem Nichts für Gefahr vor dem Tor sorgt. Zuletzt beim wichtigen Sieg in Mainz, als er neben Adrian Ramos bester Offensivspieler war. Trotz langer Schwächephasen war Raffael mit fünf Treffern und sieben Vorlagen fast an der Hälfte der 29 Saisontore beteiligt; allein fünf Treffer legte er für Ramos auf. Herthas Hoffnung auf den Klassenerhalt, so wirkt es, hängt an den Launen ihrer Südamerikaner.

„Es ist Teil unserer Arbeit, vorne etwas zu machen“, sagt Raffael. Seine knappen Äußerungen lässt er auch nach fast sieben Arbeitsjahren im deutschsprachigen Raum von einem Dolmetscher noch knapper übersetzen. Nur selten rutscht ihm ein Satz auf Deutsch heraus.

Bei genauerem Hinsehen ist Herthas Nummer 10 aber abhängiger von der Mannschaft als diese von ihm.

Raffael kann Spiele nicht an sich reißen

Ein klassischer Spielmacher war Raffael ohnehin nie. Er ist – wie alle Offensivspieler Herthas – eine Waffe, die nur funktioniert, wenn sie richtig eingesetzt wird. Das funktioniert am besten, wenn in seiner Mannschaft die Laufwege und Offensivräume klar strukturiert sind. Wenn seine Mitspieler ihm die Bälle erobern und ihn dort anspielen, wo er seine Stärken hat: zwischen der gegnerischen Mittelfeld- und Abwehrlinie. Dort kann er seine Stärken in der Ballan- und mitnahme ausspielen. Wenn sich dann seine Mitspieler gut bewegen und anspielbar sind, wird es gefährlich. So ist es auch gemeint, wenn Raffael sagt, dass in Mainz „alle von der ersten Minute versucht haben, sich gegenseitig zu helfen“, auch und gerade ihm.

Trainer Otto Rehhagel musste wie seine Vorgänger erkennen: Spielt Raffael weiter vorne – wie gegen Bayern – oder weiter hinten – wie kurzzeitig in Augsburg – ist er so gut wie wirkungslos.

Wenn er dann auf sich allein gestellt versucht, das Spiel zu entscheiden, verrennt er sich in Gegenspielern. Sich auf engem Raum zu behaupten und den Überblick zu behalten, darin ist sein Bruder Ronny besser. Aber nur darin, weshalb er – nicht nur wegen einer Sprunggelenksprellung – außen vor ist. Raffael ist „traurig über Ronnys Lage; wenn es so bleibt, würde ich ihm vielleicht raten zu wechseln“.

Raffael war gegen München zuletzt auch mal Kapitän. Aber der schüchterne Vater zweier Kinder ist nicht die Persönlichkeit, die Spiele an sich reißen könnte. In der Öffentlichkeit kaut er schon mal schluffig auf der Kordel seines Kapuzenpullis herum. Auf dem Feld verrät die Körpersprache, wie er die Lust verliert, wenn ihm Gegenspieler zusetzen – oder er reagiert über, mit einer Tätlichkeit, wie Ende der Hinrunde gegen Hoffenheim.

Nach der Sperre war „es nicht leicht, wenn ich einmal nicht auf dem Platz bin, geht der Spielrhythmus verloren“. Der Brasilianer sagt, er wisse, „dass ich nicht in Topform bin, aber ich tue alles, sie zu erreichen“. Gegen Mainz sah das schon ganz gut aus, vor allem weil die Mannschaft planvoll agierte. Hertha muss also nicht hoffen, dass Raffael den Klub mit Magie rettet, sondern dass am Samstag gegen Wolfsburg ein System zu erkennen ist, in dem er funktioniert.

Dann ist er fraglos eine Klasse für sich. Eine „die nicht noch mal in die Zweite Liga möchte“, wie er sagt. Momentan beschäftige er sich aber, klar, nur mit Herthas schwieriger Situation, von anderen Klubs lese er nur in der Presse. Auch von angeblichem Interesse aus Mönchengladbach. Der Trainer dort, Lucien Favre, weiß zumindest, wie man die optische Illusion inszeniert, Raffael könne zaubern.

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