zum Hauptinhalt

Sport: Herz mit Verstand

Warum Bremens Ernst demnächst Schalker ist

Es ist recht einfach im Bremer Weserstadion, den Kameras und Mikrofonen zu entkommen. Man macht es einfach so, wie es Johan Micoud Woche für Woche vormacht. Die Diva des Deutschen Meisters geht – ganz egal ob nach Siegen oder Niederlagen – mit dem Schlusspfiff schnurstracks in die Kabine. Kein Applaus für die Fans, keine Geste. Und keine Interviews. Auch Micouds Mitspieler Fabian Ernst hat bisweilen diesen Abgang gewählt.

Doch nach dem ernüchternden 0:1 gegen Hertha BSC ist der 25-Jährige im Gang vor den Kabinen bereitwillig stehen geblieben. Denn Werders Kapitän hatte etwas mitzuteilen: die ernste Sorge, dass sein Verein in diesen Tagen die ganze Saison verspielt. „Wenn es mit uns sportlich so weitergeht“, mäkelte Ernst sichtlich angesäuert, „ist die Champions League überhaupt kein Thema mehr.“ Und weil heute das Halbfinale im DFB-Pokal beim FC Schalke 04 ansteht, sieht er auch die Cup-Verteidigung in Gefahr. „Mit dieser Leistung werden wir auch auf Schalke nicht gewinnen. Wir müssen uns steigern. Unbedingt.“

Heute im Pokal, Samstag in der Liga in Leverkusen: Es ist die entscheidende Woche für die Bremer, eine der finalen Werder-Wochen für Fabian Ernst. Nach Oliver Reck, Frank Rost, Mladen Krstajic und Ailton ist er der fünfte Bremer, der gen Westen zum FC Schalke weiterzieht. „Da sind wir den Spielern auch nicht gram“, sagt Klubboss Jürgen L. Born, „aber alle sollten so ehrlich sein und zugeben, dass sie wegen des Geldes gehen.“

Was Ernst nicht tut. „Ich wollte etwas Neues machen“, behauptet er, der sich vor allem in „einem anderen Umfeld“ beweisen will. Und finanzielle Verlockungen bei einem, der bei Werder knapp über eine Million Euro, auf Schalke nun bis 2010 mindestens das Doppelte verdienen soll? „Es war klar, wenn mein Vertrag ausläuft, dass ich danach nicht schlechter verdiene.“ Fünf Jahre ist er nun an der Weser, fünf Jahre, in denen er sich permanent weiterentwickelt hat. „Zum absoluten Leistungsträger“, wie Trainer Thomas Schaaf sagt. Fieberhaft fahndet Manager Klaus Allofs nach Ersatz. Aber ohnehin sagen die meisten, der Weggang der Nummer vier sei kaum aufzufangen, weil er das eigentliche Herzstück der Mittelfeld-Raute sei. In der Rückrunde zählt er zu Werders herausragenden Kräften. Tore (zwei) und Torvorbereitungen (vier) überlässt er meist anderen, obwohl er weiß: „Wenn ich 90 Minuten im Mittelfeld nur hin- und herrenne, reicht das meinem Trainer, aber nicht der Öffentlichkeit.“

Ernst ist prädestiniert für die einfachen Dinge, gerade in der Balleroberung und -behauptung. Seine Stärke ist Antizipation und Konzentration im Dickicht der Spielfeldmitte. Dazu hält er Genius Micoud den Rücken frei, auch wenn die beiden nur eine Zweckgemeinschaft bilden. Ernst, immer für einen lockeren Spruch zu haben, vor dem Training stets Tischfußball spielend und auf Feierlichkeiten auch mal gern der Letzte, zählt innerhalb der Mannschaft zur Fraktion derer, denen das Gehabe des französischen Regisseurs auf die Nerven geht. Nach der Kopfstoßaffäre in der Winterpause haben sich beide zusammengerauft. Darüber sprechen mag er nicht mehr, sondern sagt lapidar: „Du bist nicht mit jedem Freund.“ Doch es gibt viele, die meinen, auch Micoud sei ein bisschen für seinen Abgang verantwortlich.

Dass Ernst nun im DFB-Pokal, quasi beim Schaulaufen bei seinem neuen Arbeitgeber, unweigerlich in den Mittelpunkt rückt, mag er nicht. Bisweilen wirkt der Niedersachse unnahbar, beinahe spröde. Doch die Distanz erzeugt er künstlich, denn er findet: „Teilweise geht mir das mit den Medien auf die Nerven, in Kameras immer die gleichen Texte aufzusagen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false