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Sport: Herz und Fuß

Nach dem verpatzten Saisonstart feiert der 1. FC Union eine Art Neuanfang – auch dank Torhüter Pruschke

Berlin - Eine halbe Stunde war zwischen dem 1. FC Union und dem SC Paderborn gespielt, da machte sich Kilian Pruschke auf den Weg. Der junge Mann lief und lief und blieb erst an der Mittellinie stehen, als letzte Absicherung. So weit hatte sich bei einem Eckball für die eigene Mannschaft seit einer gefühlten Ewigkeit kein Torhüter der Berliner mehr nach vorn getraut. Aus der Szene resultierte keine entscheidende Situation und doch stand sie symbolisch für den Auftritt des 1. FC Union beim 3:0-Sieg gegen Paderborn: Irgendwie war vieles anders. Nicht nur im Tor.

So entschlossen wie am Freitagabend im Stadion An der Alten Försterei traten die Berliner in dieser Saison bisher selten auf. Die gute Vorbereitung mit fünf Siegen aus fünf Spielen gegen zum Teil zweitklassige Gegner hatte im Berliner Stadtteil Köpenick eine Euphorie entstehen lassen, die nach den ersten drei Pflichtspielauftritten ohne Sieg so schnell verschwand, wie sie gekommen war. Der negative Höhepunkt war das Pokalaus gegen den Viertligisten Rot-Weiss Essen am vergangenen Wochenende.

„Wir wussten nach der Vorbereitung und den anschließenden Pleiten nicht so richtig, wo wir eigentlich stehen“, sagte Michael Parensen nach dem Spiel. „Aber ich denke, mit dem Sieg heute haben wir uns selbst die Antwort gegeben.“ Unmittelbar nach dem Schlusspfiff animierte Parensen seine Mitspieler dann dazu, an der Mittellinie einen Kreis zu bilden. „Das war eine spontane Idee. Nach dem schlechten Start sollte die Aktion für uns so etwas wie einen Neuanfang darstellen.“

Umringt von seinen Mitspielern, ging Kilian Pruschke in der Traube beinahe unter. Der schmächtige Torwart war relativ kurzfristig in Unions Startformation gerückt, weil weder Stammkraft Marcel Höttecke noch dessen Ersatzmann Jan Glinker nach ihren im Training erlittenen Oberschenkelverletzungen rechtzeitig fit wurden. Offiziell wird Pruschkes Körpergröße mit 1,81 Metern angegeben, doch wenn man ihn aus der Nähe betrachtet, fällt es schwer, das zu glauben. Mit seinen 18 Jahren wirkt Pruschke noch weit entfernt von der Statur, die ein Torhüter nach Meinung einiger Experten im heutigen Fußball eigentlich haben müsste.

Dafür besitzt der junge Mann etwas, das vielen seiner Kollegen im Tor fehlt: Gefühl in den Füßen. Es war auffällig zu beobachten, wie oft Pruschkes Mitspieler den Ball zu ihm zurückspielten. „Er ist ein wirklich guter Fußballer, das wussten wir aus den Trainingseinheiten. Ich hatte da überhaupt keine Bedenken“, sagte Christian Stuff. Der Innenverteidiger hatte Union mit einem Kopfball schon früh in Führung gebracht, in der zweiten Halbzeit stellte Christopher Quiring dann mit zwei Treffern den Endstand her. Pruschke selbst wollte oder durfte nach dem Spiel nichts sagen, dafür sprachen andere über ihn. Unions Trainer Uwe Neuhaus zum Beispiel, der seinen Torwart lobte. „Es war erstaunlich, wie abgeklärt er aufgetreten ist. Dafür meinen größten Respekt.“

Nun war es nicht so, dass Pruschke seine Mannschaft mit unzähligen Glanztaten vor einer Niederlage gerettet hätte. Dafür war Paderborn viel zu harmlos. Und doch war es fast schon verwunderlich, wie sicher er bei seinem Profidebüt wirkte. Selbst ein Fehlpass genau in die Füße von Paderborns Mehmet Kara konnte Pruschke nicht aus der Ruhe bringen. Zwei Minuten später entschied er sich in einer ähnlichen Situation erneut für den flachen Pass – dieses Mal mit Erfolg. Mit dieser inneren Überzeugung schien Kilian Pruschke seine in den Spielen zuvor unsicheren Vorleute regelrecht anzustecken. Es war eben vieles anders, an diesem Abend in der Alten Försterei.

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