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HEUTE im EM-Quartier: Ein Schotte kommt und bringt Zidane mit

Aus Klagenfurt haben sie am Sonntag neidische Blicke nach Treptow geworfen: Das EM–Quartier hatte sich in eine schwarz-rot-goldene Hölle verwandelt. Voll bis auf den letzten Platz, die Bierstände in Dauerbelagerung und das alles bei Temperaturen wie im Hochsommer am Ballermann.

Aus Klagenfurt haben sie am Sonntag neidische Blicke nach Treptow geworfen: Das EM–Quartier hatte sich in eine schwarz-rot-goldene Hölle verwandelt. Voll bis auf den letzten Platz, die Bierstände in Dauerbelagerung und das alles bei Temperaturen wie im Hochsommer am Ballermann. 1500 Menschen feierten den Sieg der deutschen Mannschaft. Auf der Indoor-Tribüne tanzten Fans in DFB-Boxershorts, über 90 Minuten lagen Lieder in der Luft und es wurde im Takt geklatscht, als hätte Karl Moik zum Volksmusik-Grandprix geladen. In der Halle des Fuhrparks herrschte also beste Stadionstimmung. Und selbst Benni Beimer war von den Toten auferstanden, um die DFB-Elf zu unterstützen.

Alles, bis auf das Wetter vielleicht, deutet darauf hin, dass es heute eine Fortsetzung der EM-Kirmes gibt. Um 18 Uhr ist Anpfiff und wer sicher sein möchte, dass er das Spiel nicht vom Schoß der Toilettenfrau aus verfolgen muss, sollte früh genug kommen. Am besten schon vor 17.30 Uhr. Denn da beginnt der 11Freunde-EM-Talk und diesmal ist, quasi zur Feier des Tages, ein ganz besonderer Gast im EM-Quartier, der einen der größten Fußballer aller Zeiten eingefangen hat. Der schottische Künstler Douglas Gordon hat mit „Zidane: Ein Portrait im 21. Jahrhundert“ eine einzigartige filmische Hommage an einen anderen großen Künstler geschaffen. Der 42-Jährige und sein Partner Philippe Parreno haben 2005 während des Spiels Villareal gegen Real Madrid 17 Kameras aufgebaut, mit denen sie jede Bewegung Zidanes festhielten. Das Spiel wird nebensächlich, der Ball ist nur interessant, wenn Zidane ihn berührt. Als Gordon und Parreno Zidanes Spiel seziert hatten, konnten sie nicht ahnen, dass seine Karriere im WM-Finale ein so dramatisches Ende nehmen sollte. Mit dem Kopfstoß von Berlin hat Zidane die Fußballbühne als gebrochener Held verlassen. Das gibt dem Film einen ganz besonderen Zauber, eine zusätzliche Tiefenschärfe. Auf dem Bildschirm ein Virtuose , der den Ball streichelt. Doch im Kopf des Zuschauers immer der Moment, in dem Zidanes Stirn in die Brust Materazzis kracht. Gordons Film ist ein 90-minütiges Gemälde einer Legende, dem die Grenzen zwischen Kunst und Dokumentation zerfließen. Denn der Konzeptkünstler aus Glasgow versucht auch immer, die Regeln von Raum und Zeit aufzubrechen: Douglas Gordon wurde vor 15 Jahren mit der Videoinstallation „24Hour Psycho“ berühmt, in der er eine Kopie des Hitchcock-Klassikers auf die Dauer eines Tages ausdehnte. Seitdem bestimmt die Verfremdung von Ikonen seine Arbeit.

Im 11Freunde-Talk wird er erzählen, warum er deshalb einen Film wie diesen nur mit Zidane machen konnte und in welchen Momenten Fußball zu Kunst wird. Lucas Vogelsang

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