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Sport: Heynckes bittet zur Siesta

Schalkes neuer Cheftrainer verlangt von seinen Profis ein verändertes Freizeitverhalten

Gelsenkirchen. Der Mann steht in der vierten Reihe hinter der Bande des Trainingsplatzes. Von dort aus hat er nicht gerade die beste Sicht. Dabei war der Aufwand für ihn, um überhaupt zuschauen zu können, groß. „Ich habe mir extra einen Tag Urlaub genommen, unbezahlten Urlaub“, sagt er. Dieser Urlauber ist nur einer von rund fünftausend Menschen, die herbeigeeilt sind, um die erste Übungseinheit des FC Schalke 04 unter Jupp Heynckes zu verfolgen. Heynckes, der neue Cheftrainer, mobilisiert von Anfang an die Massen.

Hinter einem der Tore hängt ein Transparent aus Berlin. „Kreuzberg grüßt Schalke“. Während die Fans am Zaun erörtern, ob denn „Don Jupp" der Richtige sei, nehmen die Spieler auf dem Rasen die Arbeit auf, umzingelt von Heynckes und seinen fünf engsten Mitarbeitern. Zwei Kotrainer und zwei Konditionstrainer leiten die Profis an, ein Ernährungswissenschaftler reicht in den Pausen die Getränke. Komplizierte Dinge wie den Innenspannstoß erklärt der Chef selbst. Wenn ihm etwas nicht gefällt, ruft er „No!" und zeigt, wie es richtig geht. Den Zuschauern gefällt das. „Es ist wichtig, dass der die Übungen auch mal vormacht", sagt ein Fan, der vom Niederrhein angereist ist. Äußerlich wirkt Heynckes fast wie ein Spieler. Er trägt kurze Hosen, dazu ein blaues Trikot mit den Buchstaben „JH“. Nur der silbrig glitzernde Gegenstand, der auf seinem Bauch baumelt, lässt sofort erkennen, nach wessen Pfeife hier getanzt wird. Einem Zuschauer schwant, dass sich einiges ändern wird. Das Lotterleben der Herren Profis sei vorbei. Heynckes werde „sich die Spieler schon greifen“, wenn sie nicht gehorchen.

Jupp Heynckes geht wenig später schon ins Detail. Er sei kein Freund davon, schon am ersten Tag allzu viele Regeln aufzustellen, behauptet er, kündigt im gleichen Atemzug aber eine drastische Kürzung der Freizeit an. „Die Spieler müssen sich insgesamt mehr dem Beruf widmen. Sie müssen eine halbe Stunde vor dem Training in der Kabine sein und hinterher mindestens eine Dreiviertelstunde auf dem Gelände bleiben.“ Im Kraftraum oder auf der Massagebank etwa. „Sie können sich aber auch einfach nur unterhalten“, sagt Heynckes. Kommunikation wirke „positiv auf das Innenleben der Mannschaft“.

Spätestens wenn zwei Einheiten am Tag angesetzt sind, artet der Traumberuf Fußballspieler richtig in Arbeit aus. Von wegen mittags erst nach Hause fahren oder mit der Freundin durch die Stadt bummeln. Heynckes schickt die Profis ins Hotel zum gemeinsamen Mittagessen, anschließend ist Mittagsruhe auf dem Zimmer. „Dann machen wir Siesta wie bei uns in Spanien", sagt der 58 Jahre alte Fußball-Lehrer aus Mönchengladbach, der zuletzt acht Jahre in Südeuropa gearbeitet hat.

Aus einiger Distanz verfolgt auch Manager Rudi Assauer das Geschehen auf dem Trainingsplatz. Ein Fan entdeckt Assauer, deutet in Richtung seines Standortes und versichert dann seinem Nebenmann, dass der neue Trainer sogar diesem machtbewussten Manager gewachsen sei. „Wenn der Assauer ihm reinquatscht, kannst du sicher sein, dass der Heynckes ihn zurechtweist." In dieser Prognose schwingt fast so etwas wie Vorfreude mit.

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