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Na bitte, geht doch. Paul Biedermann ist nach erstem Frust mit Bronze zufrieden. Foto: dpa

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Sport: High Noon im Wasser

Biedermann gewinnt bei der Schwimm-WM Bronze über 200 Meter Freistil, aber vor allem unterliegt er im Kampf ums Prestige seinem Rivalen Phelps

Die neuen Essgewohnheiten des Ryan Lochte interessierten Paul Biedermann so brennend, dass er der Sache sofort auf den Grund ging. „Das wollte ich einfach wissen“, sagte Biedermann. Der US-Amerikaner Lochte hatte ihn gerade abgelöst als Weltmeister über 200 Meter Freistil, Paul Biedermann aus Halle an der Saale hatte bei der Schwimm-WM in Schanghai Platz drei belegt. 2009 hatte er noch sensationell in Weltrekordzeit den WM-Titel gewonnen. Damals hatte er den Superstar Michael Phelps besiegt. Diesmal schlug Phelps vor Biedermann an, der 14-malige Olympiasieger gewann zwar nicht, aber er holte Silber.

Gleich nach der Pressekonferenz fragte Biedermann bei Lochte also nach. Denn Lochte gilt nicht nur als der coolste Schwimmer der Szene, er isst auch gerne Fast Food. Und Biedermann wollte wissen, ob er das immer noch macht. Kurzzeitig hatte Lochte sogar mal einen Körperfettanteil von 13 Prozent. Und kurzzeitig waren die Ergebnisse entsprechend. Aber von dem Fett ist jetzt nichts mehr zu sehen. „Er hat mir gesagt, er isst jetzt nicht mehr so viel Fast Food“, sagte Biedermann. Auch ein Grund dafür, dass Lochte Gold gewonnen hatte.

Biedermann könnte eigentlich mit Bronze zufrieden sein. Immerhin ist er in den wieder vorgeschriebenen Shorts noch nie so schnell geschwommen wie gestern. Schneller war er nur im High-Tech-Anzug, beim WM-Finale 2009 zum Beispiel. Doch der 24-Jährige sagte: „Ich kann mich über Bronze nicht so richtig freuen.“ Denn Phelps hätte er gerne noch abgefangen. Dessen Trainer Bob Bowman reduziert den Deutschen zum Randthema. „Michael war es wichtiger, im Bereich von 1:44 Minuten zu schwimmen, als an die Niederlage gegen Biedermann bei der WM 2009 zu denken.“ Phelps trainiere schließlich erst wieder seit ein paar Monaten hart.

Soweit die offizielle Version. Und soweit die Version, die einen Teil der Wahrheit ausblendet. Denn natürlich ging es nicht bloß um die Zeit für Phelps, es ging auch um die Ehre, um Revanche. Phelps hat nie vergessen, dass dieser Deutsche, der so kometenhaft in der Weltspitze aufgetaucht ist, ihn bei der WM 2009 abgehängt hat. Im Schwimmen gibt es drei prestigeträchtige Strecken, alle im Freistil. 50 Meter, 200 Meter, 1500 Meter. Hier werden der schnellste Sprinter, der beste Mittelstreckler, der beste Langstreckler gekrönt. Ausgerechnet auf einer dieser symbolisch aufgeladenen Strecken hatte Biedermann das Symbol der Schwimm-Herrlichkeit, Michael Phelps, besiegt. Phelps ließ immer durchblicken, dass der Deutsche das nur seinem Hightech-Anzug zu verdanken habe. Und bestimmt hatte ihm jemand erzählt, was Biedermann vor dem Finale 2009 seinem Trainer zugezischt hatte: „Phelps mache ich fertig. Heute isser dran.“

Und deshalb war dieses Finale auch eine Art High Noon. Mann gegen Mann, wie das Duell zweier Männer auf einer staubigen Straße im Wilden Westen. Nur diesmal im Becken. Seit Monaten schon stand Biedermann unter Beobachtung. „Man fragt sich international: Was ist Biedermann eigentlich ohne Anzug wert?“, hat Bundestrainer Dirk Lange schon vor dem Rennen gesagt. In den Fachkreisen der USA hatte man längst eine Antwort: wenig. Der Druck lastete natürlich auf Biedermann. „Er muss diesen Druck eigentlich nicht an sich heran lassen“, sagte Lange. Aber das sagt sich so einfach.

Nüchtern gesagt, zeigte er genau das, was man erwarten konnte. Aus Sicht eines Mannes, der um Anerkennung kämpft, um seinen Stellenwert in der Szene, war es eine herbe Niederlage.

Phelps hat gewonnen, aus seiner Sicht. Dass Lochte Gold holte, kann er verschmerzen; Lochte ist seit Jahren in der Weltspitze. Und dass die Chinesen ihn auf der Videowand als „Michael Puelps“ ankündigten – was soll’s? Eine echte Niederlage hätte ihm nur ein Deutscher aus Sachsen-Anhalt beibringen können.

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