zum Hauptinhalt

Sport: Himmlische Unruhe

Der Athener Sommerwind wirbelt das olympische Programm durcheinander

Annika Mehlhorn hatte nicht besonders viel Spaß gestern Morgen. Gut, die Schwimmerin qualifizierte sich für das Halbfinale über 200 Meter Schmetterling, aber als sie ein paar Meter vom Pool entfernt stand, stöhnte sie: „Der Wind ist ein Problem. Im Wasser habe ich das Gefühl, dass ziemlich große Wellen auf mich zukommen.“ Schmetterlingsschwimmer müssen ihren Oberkörper aufrichten, um schnell zu sein. Sie spüren es ganz besonders, wenn das Wasser ungewöhnlich unruhig ist. Und in Athen ist das Wasser seit Tagen ungewöhnlich unruhig.

Meltemi, der Nordwind, der Athen im Sommer heimsucht, verursacht die Wellen, ja Meltemi verursacht Ärger und Unruhe bei allen olympischen Sportarten, die nicht in der Halle stattfinden. „Im Schwimmbecken kommen regelrechte Wände auf die Sportler zu“, sagt der deutsche Bundestrainer Ralf Beckmann. Er hat das Finale über 100 Meter Brust der Männer beobachtet. Der Japaner Kouke Kitajima gewann in 1:00,08 Minuten vor dem US-Amerikaner Brendan Hansen in 1:00,25 Minuten. „Ohne diese Wellen wären beide rund eine Sekunde schneller gewesen“, schätzt Beckmann. Das hätte bei Kitajima Weltrekord bedeutet.

Hart traf es auch die Ruderer. Die zuständigen Funktionäre haben die Hoffnungsläufe, die am Montag hätten stattfinden sollen, auf gestern verschieben müssen. Und bei den Vorläufen wurden die Intervalle zwischen den Rennen von zehn auf sieben Minuten reduziert. „Wir mussten sicherstellen, dass alle Vorläufe beendet sind, bevor der Wind allzu stark wird“, sagte Matt Smith, der Generalsekretär des Welt-Ruderverbands Fisa. Inzwischen haben viele Teams ihre Boote für den berüchtigten Wellengang auf der Ruderstrecke präpariert. Sie haben Wasserabweiser installiert, ein paar Mannschaften verstopften sogar ihre Luftkästen mit Styropor.

Zwei Ruder-Teams aus Italien verlegten ihr Training für die Finalläufe sogar aufs offene Meer. In der unweit der Regatta-Strecke gelegenen Bucht von Schinias simulierten sie den Ernstfall bei Windböen und hohen Wellen. Vertraut man den Wetterprognosen, könnte sich diese Maßnahme aber als übertrieben herausstellen: Der Wind soll in den kommenden Tagen etwas nachlassen.

Für manche Athleten kommen diese Prognosen zu spät. Seit Tagen kämpfen etwa die Beachvolleyballer auch gegen das Wetter. Die deutsche Spielerin Danja Müsch erklärte, sie habe enorme Mühe, bei gegnerischen Aufgaben den Ball abzuwehren, weil der völlig unkalkulierbar durch die Luft fliege. Deshalb hätten ihre griechischen Gegnerinnen auch so viele Asse geschlagen. „Die sind diesen Wind gewöhnt, die können sich sehr gut auf diese Verhältnisse einstellen.“

Rainer Schüttler, der deutsche Tennisprofi, konnte sich nicht darauf einstellen. Er beklagte sich nach seinem Ausscheiden in der ersten Runde über die klimatischen Bedingungen. Bei Aufschlägen, wenn er den Ball in die Luft geworfen habe, sei der Ball verweht worden. Tennisspieler gleichen dieses Manko mit erhöhter Beinarbeit aus, jedoch steigt damit die Gefahr, dass man mit dem Fuß umknickt. „Unter solchen Bedingungen habe ich noch nie gespielt“, sagte auch Tennisprofi Florian Mayer. Bei Grundschlägen mit Rückenwind sei der Ball meterweit ins Aus geflogen. Mayer muss sich um das Klima keine Sorgen mehr machen. Der Spieler, den das Nationale Olympische Komitee nachnominiert hatte, ist ebenfalls ausgeschieden.

Eines der tragischsten Opfer des Windes war die Bogenschützin Lin Sang. Die Chinesin, die an Platz elf gesetzt war, scheiterte bereits in der ersten Runde, nachdem der Wind die Flugrichtung ihres Pfeils derart veränderte, dass er an der Zielscheibe vorbeiflog. Damit war für sie das Turnier beendet. Wiederholen durfte sie ihren Versuch nicht. Der Wettkampf wurde auch nicht abgebrochen. Das erlauben die Regeln erst im absoluten Notfall: bei einem Gewitter.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false