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Sport: "Hinfliegen, gewinnen, heimfliegen"

Für Horst, den Wirt vom "ex" mittendrin in Tokioter Vergnügungsviertel Roppongi, ist es ein ganz großer Tag. Deshalb hat er für seine Stammgäste auch 35 T-Shirts fertigen und mit allen Daten rund um das Weltpokalfinale beflocken lassen.

Für Horst, den Wirt vom "ex" mittendrin in Tokioter Vergnügungsviertel Roppongi, ist es ein ganz großer Tag. Deshalb hat er für seine Stammgäste auch 35 T-Shirts fertigen und mit allen Daten rund um das Weltpokalfinale beflocken lassen. Endlich einmal können all die Direktoren und Manager von deutschen Firmen und Konzernfilialen Farbe für den berühmtesten Fußballklub ihrer Heimat bekennen; es ist ja schon vier Jahre her, dass mit Borussia Dortmund zum ersten Mal ein Bundesligateam die Trophäe durch die angejahrte Arena geschleppt hat, in welchem zu diesem Anlass 37 Jahre nach den ersten Olympischen Spielen in Asien das Feuer in seiner Schale wieder einmal für ein paar Stunden Gas bekommt.

Der Kurztrip des FC Bayern ist auch dem Botschafter einen Empfang wert, selten hat es in der deutschen Gemeinde von Tokio einen solchen Andrang und ähnlich heftige Debatten um die 700 Namen auf der Einladungsliste gegeben; jeder möchte offensichtlich einmal dem Münchner Präsidenten Franz Beckenbauer die Hand schütteln.

"Hinfliegen, gewinnen, heimfliegen" - so nüchtern hat Trainer Ottmar Hitzfeld das Unternehmen Weltpokal charakterisiert. Für Giovane Elber, Paulo Sergio und Claudio Pizarro hat die Reise nach Fernost weitaus mehr Bedeutung. Eine Milliarde Menschen werden an diesem Abend weltweit vor den Fernsehern sitzen, 188 Länder übertragen live. In Südamerika besitzt der Vergleich zwischen den besten Klubvertretern der zwei wichtigsten Konföderationen einen weitaus höheren Stellenwert als in Europa. Zwar schmücken sich die Top-Klubs vom alten Kontinent gern mit dem Titel Weltpokalsieger auf ihrer Visitenkarte; in Brasilien, Argentinien oder Chile aber werden die Gewinner von Tokio als wahre Champions und Weltmeister gefeiert.

Die Südamerika-Belegschaft des FC Bayern fiebert deshalb wie vor einem WM-Finale. Ganz besonders Giovane Elber. Der Torjäger kann hier Werbung in eigener Sache machen, nachdem Brasiliens Nationaltrainer Scolari angedroht hat, den Münchner aus dem Weltmeisterschafts-Kader der Selecao zu streichen. Elber könnte mit einem feinen Auftritt gegen Boca Juniors Ansprüche auf eines der immer noch begehrtesten gelben Nationaltrikots stellen. Selbst für den fleißigsten Trophäensammler des FC Bayern ist die Fernost-Tour mehr als eine normale Dienstreise. Welt-und Europameister Bixente Lizarazu fehlt nur noch dieser eine Titel - ansonsten hat der Franzose alles gewonnen, was es in seinem Beruf zu gewinnen gibt.

Womöglich bleibt das Kräftemessen zwischen dem deutschen und dem argentinischen Serienmeister auch die letzte Chance, sich an einem einzigen Abend und auf neutralem Boden in dieses exklusive Brevier einzutragen. Dass das Duell zwischen Europas Nummer eins und dem Gewinner der Copa Libertadores überhaupt noch einmal in Tokio zustande gekommen ist, grenzt schon an ein kleines Wunder. Noch vor zwei Monaten erschien es sicher, dass der FC Bayern und Boca Juniors den Titel im Champions-League-Format, also in München und in Buenos Aires ausspielen würden. Womit der Toyota-Cup, so die offizielle Bezeichnung des Wettbewerbs, dann eben gestorben wäre. Die 22. Auflage des Finales ließ sich in bewährter Form nur deshalb noch einmal stemmen, weil die veranstaltenden Konföderationen Uefa und Conmebol größtenteils auf ihre finanziellen Ansprüche verzichteten und die japanischen Organisatoren und Sponsoren alles unternahmen, um bloß nicht ihr Gesicht zu verlieren. Es hätte in der Tat dumm ausgesehen für die Gastgeber, wenn ihnen ein halbes Jahr vor dem WM-Festival im eigenen Land ausgerechnet jenes Ereignis weggenommen worden wäre, dem Japan seinen Fußball-Boom verdankt.

Zum ersten und vielleicht auch zum letzten Mal erhalten die beiden Finalisten jeweils gut 2,7 Millionen Dollar, fast sechs Millionen Mark. Eine Antrittsgage, fünf bis sechsmal so hoch wie bislang, wo sich jedes Team mit 300 000 Dollar sowie der Vermarktung der Fernsehrechte im jeweiligen Heimatland begnügen musste. Bei Borussia Dortmund kam damals gerade eine halbe Million aus diesem TV-Topf, weil Fernsehen zur Prime Time in Nippon in Deutschland fast nur Hausfrauen und Rentner erreicht. In diesem Sinn ist der Münchner Auftritt in Tokio auch ein kleiner Testlauf für die WM im Juni; in Mainz sowie bei den Fernsehdirektoren der ARD werden sie ängstlich-gespannt nach den Quoten gucken, die das ZDF heute nach dem Mittagessen meldet.

Martin Hägele

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