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Sport: Hitlers willige Fußballer

Eine unabhängige Studie beleuchtet die Rolle des Deutschen Fußball-Bundes im Nationalsozialismus

Schonungsloser geht es nicht. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sei in der Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929-1933 und mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten „empfänglich“ gewesen für das Bild vom „geldversessenen“ Juden. Die gemeinsamen Wurzeln mit den deutschen Juden vergessen zu haben, „in der Zeit der Krise statt nach Auswegen Zuflucht in den verbreiteten ‚Konkurrenzantisemitismus’ gesucht und mit der Pflege des Mythos vom immateriellen Sport die hochmoderne Ausrichtung des Verbandes verleugnet und verraten zu haben – darin bestand das Versagen des DFB.“ Einige der Funktionäre „identifizierten sich sogar derart stark mit der NS-Herrschaft, dass sie über Denunziantentum oder Hetze gegen Andersdenkende in ihrem Lebensbereich die Niedertracht des Systems mitverkörperten“. Und die allermeisten „ordneten sich im Jahre 1933 bereitwillig dem neuen Regime unter und wurden schon bald darauf zu begeisterten Anhängern von Hitler“.

Die breite Quellenbasis, die wissenschaftliche Strenge, der souveräne Stil, mit der die DFB-Geschichte seziert wird – all das belegt die Unabhängigkeit der Studie „Fußball unterm Hakenkreuz“, die der Historiker Nils Havemann nun vorgelegt hat. Schon der leise Verdacht, der DFB als Financier habe die Untersuchung inhaltlich beeinflusst, ist absurd. Der Verband hatte Havemann kurz nach seinem 100. Geburtstag mit der Studie beauftragt, nachdem er scharf für seine euphemistische Festschrift kritisiert worden war.

Havemann wählt einen radikal wirtschaftshistorischen Ansatz. In seiner Einleitung arbeitet er heraus, dass der DFB bereits im Kaiserreich zu einem Unternehmen gereift sei, das vor allem auf Gewinnsteigerung hingearbeitet habe. Als Beweis zieht Havemann die heuchlerische Haltung des DFB zu der bereits in den Zwanzigerjahren geforderten Profiliga heran. Schon hier habe die Verbandsführung um Präsident Felix Linnemann zwar Wasser (also den Amateurismus) gepredigt, aber Wein (hohe Einnahmen aus Länderspielen) getrunken. Havemann widerspricht der These, viele DFB-Funktionäre seien bereits in der Weimarer Republik „antidemokratisch“ oder „nationalsozialistisch“ eingestellt gewesen.

Wenn der DFB nach 1933 „die sich vollziehende Revolution mit großer Sympathie betrachtete“, dann laut Havemann nicht wegen der beiden Kernelemente der diffusen NS-Ideologie – dem auf Vernichtung angelegten Antisemitismus und der Lehre vom „Lebensraum im Osten“ –, sondern weil er und seine Funktionäre „aus der nationalsozialistischen Machtübernahme als Gewinner“ hervorgingen. Schließlich hatte der DFB die Macht im Fußball zuvor mit einflussreichen Regionalverbänden sowie konkurrierenden Sportorganisationen des Arbeitersports, der Turnerschaft, kirchlichen und Betriebsports-Verbänden teilen müssen. Nun war die Verbandseinheit hergestellt. Der DFB regierte (scheinbar) alleine.

Den vielen Opfern dieser Politik, vor allem den Juden, widmet Havemann ein angemessenes Kapitel. Und er erzählt, wie die Strategie des DFB sich nach 1936 gegen den Verband selbst richtete. Als die Nazis nach Olympia 1936 bürgerliche Sportverbände wie den DFB aus taktischen Gründen nicht mehr weiterführen mussten, setzte eine „zweite Gleichschaltung“ ein. Auch der DFB wurde 1940 aufgelöst. Die Funktionäre hatten die Radikalität der Nazis unterschätzt. Einige von ihnen waren gar, das erwähnt Havemann allerdings nur am Rande, wie Linnemann als Chef der Kripoleitstelle in Hannover direkt am NS-Verfolgungsapparat beteiligt.

Das überaus lesenswerte Buch beantwortet zwar nicht alle Fragen zum Fußball im Dritten Reich, die krude Geschichtspolitik des DFB nach 1945 und die personellen Kontinuitäten etwa werden nur angeschnitten. Womöglich wird es aber Debatten provozieren. Insofern wäre es im besten Sinne aufklärerisch.

Nils Havemann: Fußball unterm Hakenkreuz. Der DFB zwischen Sport, Politik und Kommerz, Campus-Verlag, 473 Seiten, 19,90 Euro.

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