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Hitzlsperger

© dpa

Hitzelsperger: Grinsen und schweigen

Die Fans mochten ihn, weil er Tore schoss: Wie der deutsche Nationalspieler Thomas Hitzlsperger in England geprägt wurde.

Die deutsch-englische Länderspielgeschichte ist eine Abfolge gegenseitiger Demütigungen, und wer als junger Spieler im anderen Land spielt, gerät fast automatisch in diesen Kontext. Bei Thomas Hitzlsperger war das nicht anders. Im Sommer 2000 wechselte er, gerade 18-jährig, aus der zweiten Mannschaft des FC Bayern München zu Aston Villa nach Birmingham, und bei seinem neuen Klub wurde er gleich mit der Historie konfrontiert. Villas Kapitän hieß damals Gareth Southgate, „eine Persönlichkeit, von der ich viel gelernt habe“, wie Hitzlsperger sagt. Dass Southgate so einen reifen und erwachsenen Eindruck auf ihn machte, hängt wohl auch mit dessen wohl bitterster Erfahrung als Fußballer zusammen. Im Halbfinale der EM 1996 trat Southgate im Elfmeterschießen an, Andreas Köpke parierte, England schied aus, und die Deutschen wurden am Ende Europameister. „Ich habe ihn nie darauf angesprochen“, sagt Hitzlsperger. „Das wollte ich nicht, gerade nicht als junger Deutscher.“ Don’t mention the penalties!

So viel Rücksicht ist eher die Ausnahme. In der Regel weidet jede Seite die Kränkungen der jeweils anderen freudvoll aus, Thomas Hitzlsperger hat das selbst erleiden müssen nach der 1:5-Niederlage der Deutschen im September 2001 in München. Am nachhaltigsten ist ihm die subtile Art der Demütigung im Gedächtnis geblieben: dass die Engländer ihn, den jungen Deutschen, einfach angegrinst haben und sonst schwiegen. „Das hat nie aufgehört“, sagt Hitzlsperger. Gerade weil die Engländer instinktiv wohl erfasst haben, dass sie den Deutschen eigentlich unterlegen sind, „halten sie sich mit ihren historischen Erfolgen auf, während wir uns schon weiterentwickelt haben“.

Dass die Nationalmannschaft fußballerisch erheblich vorangekommen ist, hängt paradoxerweise auch mit dem englischen Fußball zusammen. Oder besser: mit dem Fußball in England. Für Jürgen Klinsmann ist die englische Fußballkultur, wie sie in der Premier League zum Ausdruck kommt, immer eine Art Leitkultur gewesen: ihre kompromisslose und ehrliche Art, das hohe Tempo und das direkte Spiel. Deshalb war es fast logisch, dass Klinsmann den Mittelfeldspieler von Aston Villa gleich am Anfang seiner Amtszeit in die Nationalmannschaft holte. Hitzlsperger hat einmal erzählt, dass er insgeheim schon vor der Europameisterschaft 2004 gehofft hatte, für die Nationalmannschaft nominiert zu werden. Doch von Rudi Völler wurde er fernab der Heimat nie richtig wahrgenommen. Das unterschied Völler nicht von seinen Landsleuten. Nachdem Hitzlsperger aus Birmingham im Herbst 2004 zum ersten Mal in die Nationalmannschaft berufen worden war, wurde er von einem Radioreporter gefragt, wie es sich denn so lebe in London.

Fünf Jahre ist Thomas Hitzlsperger in England geblieben, ehe er zum Beginn der WM-Saison zum VfB Stuttgart wechselte. Am Mittwoch kehrt er als Nationalspieler mit den Deutschen ins Wembleystadion zurück. Die Zeit in England hat Hitzlsperger geprägt. Aber so geht es fast allen Ausländern, die in der Premier League spielen. Die Durchdringung ist eine Art wechselseitiger Prozess: Die überragenden ausländischen Fußballer machen die englische Liga zur besten der Welt. Doch trotz der Einflüsse von außen ist der Fußball in der Premier League immer englisch geblieben.

Die Öffentlichkeit, auch das historische Erbe und die gewachsene Fußballkultur, besitzen eine derart starke normative Kraft, dass sich die Spieler ihr nur schwer entziehen können. „Ich mochte vieles, was in England rund um den Fußball passiert“, sagt Thomas Hitzlsperger. Als er im Uefa-Cup einmal mit dem VfB Stuttgart in Middlesbrough spielte, war er erstaunt über das Verhalten der Stuttgarter Fans. Sie unterschieden sich nicht mehr von denen der Engländer, sie schrien und sangen permanent. „Die haben sich da beeinflussen lassen“, sagt Hitzlsperger.

Für die Faszination des englischen Fußballs sind nicht nur sensible Gemüter anfällig. Zuletzt war das bei Kevin-Prince Boateng zu beobachten, der sich bei Hertha BSC in Berlin als Gernegroß gerierte, in seiner offiziellen Vorstellung bei Tottenham Hotspur dann aber die Demut in Person gab. „Vielleicht ist er am Anfang demütiger, weil er Premier League aus dem Fernsehen kennt und weiß, dass es eine Verbesserung für ihn ist“, sagt Hitzlsperger. „Aber du kannst in England großkotzig sein und alles raushängen lassen, was nur möglich ist. Wenn du deine Leistung bringst, wird das akzeptiert.“

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