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Hockey

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Hockey: Richtig falsch entschieden

Nicht an der Rotation vorbei gekommen: Kristina Reynolds war beste Torhüterin der Hockey-EM - und sah im Finale zu.

Für die vielleicht schwierigste Entscheidung seiner Amtszeit zog Michael Behrmann psychologischen Beistand hinzu. Lothar Linz, der Sportpsychologe der deutschen Hockey-Frauen, war dabei, als der Bundestrainer seinen beiden Torhüterinnen mitteilte, wer von ihnen im Finale der Europameisterschaft spielen werde. Ob Linz nach der Bekanntgabe psychologische Soforthilfemaßnahmen ergreifen musste, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich nicht. Die Beteiligten machten nicht den Eindruck, als sei die Angelegenheit besonders emotional gewesen. „Es gab keinen Grund, das Verfahren zu ändern“, sagte der Bundestrainer. Das Verfahren, die Rotation im Tor, wurde bis zum Schluss beibehalten: Yvonne Frank durfte im Finale spielen, Kristina Reynolds saß beim 2:0 gegen die Holländerinnen nicht einmal auf der Bank, obwohl sie im Halbfinale gegen England überragend gehalten hatte.

Nach dem Finale, kurz vor der Übergabe des Siegerpokals an den neuen Europameister, wurden vom Veranstalter die besten Spielerinnen des Turniers geehrt. Die Wahl zur besten Torhüterin fiel auf – Kristina Reynolds. „Ich habe sie nicht gewählt“, sagte Behrmann, was sich schroffer anhörte, als es gemeint war. Er weiß ja, was er an seinen Torhüterinnen hat. Mehrmals hat er sie als die beiden besten der Europameisterschaft bezeichnet, „am liebsten hätte ich von jeder eine Hälfte auf den Platz gestellt“. Wenn man es positiv sehen will, konnte der Bundestrainer sich gar nicht falsch entscheiden. Andererseits: Wer immer auf die Tribüne müsste – es würde die falsche Spielerin sein. „Wir haben die Vorrunde zusammen bestritten“, sagte Yvonne Frank. „Da war es klar, dass wir uns die Finalspiele genauso teilen.“ Für Reynolds war das vermutlich nicht ganz so klar. Behrmann hatte zwar früh seine Präferenz für die Besetzung im Halbfinale erkennen lassen, zum Endspiel allerdings noch nichts gesagt. Reynolds wertete dies als Hinweis darauf, dass sie sich mit ihrer guten Leistung für einen Einsatz im Finale qualifiziert hätte.

Yvonne Frank spielte gegen Holland noch besser als Reynolds beim Sieg gegen England, mit dem sich die Nationalmannschaft die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Peking gesichert hatte. Das Endspiel gegen die Holländerinnen war allerdings auch ein dankbares Spiel für eine Torhüterin. Die Deutschen befanden sich 70 Minuten lang in der Defensive, acht Strafecken vergaben die Holländerinnen, die meisten ploppten gegen Franks Handschuh. „Ich hab mir gesagt: Lass heute keinen rein!“, berichtete die Torhüterin von Rot-Weiß Köln. Frank beendete das Turnier ohne Gegentreffer.

Die Deutschen und ihre Torhüter, das ist eine fast mythische Beziehung. Sie haben nicht nur ein besonderes Faible für diese Position; sie sind auch davon überzeugt, dass ihre Torhüter, egal in welcher Sportart, die besten der Welt sind. Das mag ein Klischee sein, aber vermutlich stimmt es. „Krissi hat uns nach Peking gebracht, Yvi auf den Thron in Manchester“, sagte Michael Behrmann. Der Gewinn des EM-Titels soll nicht der Endpunkt einer Entwicklung sein, sondern erst der Anfang. „Wenn man gegen die Holländerinnen gewinnt, gibt es erst einmal nicht mehr so viel Luft nach oben“, sagte der Bundestrainer. „Aber nächstes Jahr haben wir größere Ziele.“ Für Peking und die verschärften Anforderungen eines olympischen Turniers sieht Bundestrainer Michael Behrmann einige seiner Spielerinnen noch längst nicht gerüstet. Die Torhüterinnen kann er nicht meinen.

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