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Sport: Holland - Tschechien: Ein kleines Fegefeuer (Kommentar)

Signore Collina sei ein langes, langes Leben gewünscht. Danach nämlich, geht es nach dem Willen der in Prag erscheinenden Zeitung "Blesk", wird es fürchterlich für den italienischen Schiedsrichter.

Signore Collina sei ein langes, langes Leben gewünscht. Danach nämlich, geht es nach dem Willen der in Prag erscheinenden Zeitung "Blesk", wird es fürchterlich für den italienischen Schiedsrichter. "Wenn ein Gott existiert", schrieb das Blatt, "wird Collina, wenn er stirbt, im Feuer der Hölle glühen." Wer um das traditionell gute Verhältnis der Tschechen mit der höchsten Obrigkeit weiß, muss um das Seelenheil Collinas bangen.

Ganz schuldlos ist Signore Collina daran allerdings nicht. Hat er doch, um ein letztes Mal "Blesk" zu zitieren, "Tschechien die Kehle durchgeschnitten." Das ist zwar ein wenig übertrieben formuliert, stimmt aber in der Sache. Die spielte sich ab in der 89. Minute des EM-Treffens der Holländer mit Tschechien. Jiri Nemec hatte Ronald de Boer leicht am Trikot gezupft, im Strafraum, was der blonde Ronald, ansonsten eher nicht bekannt als Weichei, zu einem fürchterlichen Sturzflug nutzte. Schiedsrichter Collani griff zum Skalpell, das in diesem Fall seine Pfeife war und entschied auf Elfmeter. Den verwandelte Ronalds Bruder Frank und besiegelte damit die Niederlage der in den vorangegangenen 89 Minuten besseren Mannschaft aus Tschechien.

Es heißt in solchen Momenten dann immer, dass man diesen Elfmeter geben kann, aber nicht geben muss. Die Regeln geben Collani recht, Trikotzupfen, das ist unsittlich, das gehört bestraft, gleichwohl es zum Alltag eines Fußballers gehört. So weit die Theorie, die ja schon seit längerem bemüht ist, dem Spiel all das zu nehmen, was nicht hundertprozentig dem Reinheitsgebot eines sterilen Auftritts entspricht.

Doch sieht die Praxis gottlob anders aus. In der lassen Fußballer ihren Gefühlen immer noch freien Lauf, sind mitunter unvernünftig, und wenn am Ende eines Spiels der Lohn gefährdet ist, kann es auch schon mal zur Zerreißprobe von Nerven und Textilien kommen. Weil nämlich Fußball immer noch ein Kampfspiel ist, das ist ja auch ein Grund, warum wir ihn so lieben.

Es ist dann der Schiedsrichter gefragt, der abzuwägen hat zwischen der strengen Regel und dem freien Spiel des Spiels. Signore Collani wurde bislang gerühmt dafür, dass er die Balance zu halten vermochte zwischen dem Urtrieb des Fußballspiels und den Normen der Hochanständigkeit. Nun hat er die Gesetze siegen lassen und die Anarchie verraten. Ein kleines Fegefeuer müsste schon sein.

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