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Horst Hrubesch nimmt die Siegermedaille nach der U-21-EM im Jahr 2009 in den Mund.

© dpa

Horst Hrubesch: Die Rückkehr des Menschenfischers

Horst Hrubesch löst den glücklosen Rainer Adrion als U-21-Trainer ab und freut sich auf "spektakuläre Ziele": die EM 2015 in der Tschechischen Republik und die Olympischen Spiele 2016 in Rio.

Nein, Wolfgang Niersbach musste nicht einmal dementieren. Zwar hatte sich der Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erst kürzlich noch zur Gültigkeit des Vertrages mit dem U-21-Trainer Rainer Adrion bekannt, doch er hatte auch deutlich gemacht: Vier Niederlagen gegen Holland in kürzester Zeit, verpasste Qualifikationen, ein Ausscheiden in der Vorrunde bei der Europameisterschaft in Israel – das alles könne doch unmöglich der Anspruch des DFB im Nachwuchsfußball sein.

Am Freitag nun verkündete der DFB das Aus für Adrion. Mit ihm sei ein Gespräch geführt worden, in „dessen Verlauf er signalisierte, dass es besser sei, mit der U 21 einen perspektivischen und unbelasteten Neuanfang zu machen“, teilte der Verband mit und präsentierte gleich den Nachfolger: Horst Hrubesch – jener Coach, der 2009 mit den Nachwuchsteams des DFB große Erfolge feierte.

Es gibt nachvollziehbare Gründe für einen Wechsel an der Spitze der U 21. Die Bilanz Adrions ist das eine. Kritiker argwöhnen, dass Adrion schon lange nicht mehr Trainer gewesen wäre, wenn er nicht ein Vertrauter von Bundestrainer Joachim Löw gewesen wäre. Löw schützte Adrion gegen jedwede Angriffe, selbst als die Qualifikation für die EM 2011 durch ein historisches 1:4 gegen Island verpasst wurde, blieb Adrion trotz der Kritik des damaligen DFB-Sportchefs Matthias Sammer im Amt. Den Machtkampf im DFB gewann Löw, und Adrion erklärte, dass nicht der Sportchef sein Ansprechpartner sei, sondern der Bundestrainer.

Unter Hrubesch dürfte sich das ändern. Hrubesch sei „ein sehr erfahrener Trainer, was die U-Mannschaften des DFB betrifft“, sagte Löw zwar. „Wir haben schon in den letzten Jahren sehr gut zusammengearbeitet.“ Doch es ist kaum vorstellbar, dass diese Personalie großen Beifall beim Bundestrainer findet. Im DFB unter Niersbach ist Hrubesch dagegen problemlos mehrheitsfähig. Er ist ein alter Bekannter, und nun, da es schnell gehen sollte, war Hrubesch der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich alle einigen konnten.

Hrubesch kennt den DFB gut. Und er hat als Nachwuchstrainer erfolgreich gearbeitet und er gilt als ein Charakter, der im Facebook-Zeitalter manchmal etwas anachronistisch wirkt, aber womöglich gerade deshalb als glaubhaft gilt. Hrubesch ist ein Mann des Inhalts. Auf die Form legt er weniger Wert. Da ist zum Beispiel der legendäre Fernsehauftritt nach dem Aus der DFB-Elf bei der EM in Belgien. Hrubesch, damals Co-Trainer von Erich Ribbeck, wollte das „alles noch mal Paroli laufen lassen“. Da ist die Höflichkeitsadresse des ehemaligen Mittelstürmers an die HSV-Fans nach dem Gewinn der Meisterschaft: „Ich brauche, glaube ich, nur dieses eine Wort sagen: Herzlichen Dank!“

Und da ist Hrubesch, der passionierte Angler, der sich auch als Autor von Fachliteratur verewigt hat: „Dorschangeln vom Boot und an den Küsten“ – es gilt unter Petrijüngern als Standardwerk des Fischfangs, was sich auch im stolzen Antiquariatspreis von mehr als 50 Euro niederschlägt. Hrubesch ist also ein Fachmann für Köder aller Art. Auch im Nachwuchsbereich gilt er als echter Menschenfischer. Die U-21-Elf setzte unter ihm Maßstäbe, obwohl er offiziell nur als Interimstrainer angestellt war. Bei der EM in Schweden vor vier Jahren kam der Nachwuchs zwar schwer in Tritt, steigerte sich aber dann zu eindrucksvoller Form: Im Finale gegen England siegte die Elf mit 4:0. Und die Mannschaft, die damals auf den Platz stand, bildet heute das Gerüst des Nationalteams: Im Tor stand Manuel Neuer, Jerome Boateng spielte in der Verteidigung, Mats Hummels agierte als defensiver Mittelfeldspieler, Sami Khedira stand an seiner Seite, in der Offensive führte Mesut Özil Regie. Sie alle erreichten höchstes Niveau und dieses Jahr mindestens das Halbfinale der Champions League. Auch die U 19 gewann unter ihm den EM-Titel.

Überzeugungsarbeit musste wohl kaum geleistet werden. „Die Betreuung der neuen U 21 ist eine hochinteressante Aufgabe, weil spektakuläre Ziele wie die EM 2015 in der Tschechischen Republik oder die Olympischen Spiele 2016 in Rio anstehen“, sagt Hrubesch.

Stefan Osterhaus

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