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HSV - Bayern München: Die Moral besiegt das Modell

Ein leidenschaftlicher Hamburger SV setzt sich gegen zunächst anspruchsvoll taktierende Münchner Bayern durch.

Neben aller Taktik, die das packende Spitzenspiel der Bundesliga noch auf die Spitze trieb, gab es doch einen Mann des Tages. Zuerst bestimmten die Bayern 30 Minuten mit beeindruckender Systemtreue das Duell gegen den HSV, danach ging es hin und her – mit dem besseren Ausgang für die Hamburger. Wie schon gegen Dortmund, Stuttgart und in Wolfsburg war der 35 Jahre alte Zé Roberto mit großem Selbstverständnis in die wichtigste Rolle im Mittelfeld geschlüpft, hatte sich von Jarolim den Rücken freihalten lassen und schob das Spiel des HSV an. „Er spielt seit Wochen herausragend“, lobte Trainer Bruno Labbadia, der ja eigentlich nie jemanden hervorhebt. Und auch als die Bayern nach dem Rückstand mit den eingewechselten Gomez und Klose inmitten von Ribéry und Robben alles versuchten, blieb Zé Roberto der nimmermüde Taktgeber.

Wie man so fit bleibt?

Er sei wie ein guter Wein, sagt Zé Roberto und erzählt, dass er sich ausschließlich brasilianisch ernährt – von Reis, Bohnen, Gemüse und viel Rindfleisch; außerdem trinkt er täglich literweise Traubensaft und Wasser. Vor allem aber, und das ist nun wirklich keine Geheimnis mehr, ist er mit großer Spielintelligenz gesegnet. Der 35 Jahre alte Musterprofi wirbelte gegen die alten Kollegen so unwiderstehlich über den Rasen, dass man verstand, warum manche ihn für den derzeit besten Bundesligaspieler halten. Und die Frage, warum die Bayern ihn im Sommer ziehen ließen, dürfte in München auch noch einmal grundsätzlich erörtert werden. Allein die Szene vor dem einzigen Tor bündelte die ganze Klasse vom „Großen Zé“, wie ihn die HSV-Heimspielzeitung gerne nennt: Mit dem Ball am Fuß sprintete er los, ließ den eingewechselten und derzeit etwas unglücklich agierenden Mario Gomez einfach stehen und passte den Ball flach und scharf durch die Bayern-Abwehr. Dort hatte sich Mladen Petric freigestohlen und schob zum Siegtreffer für den HSV ein. Die Vorbereitung als Kür, das Tor als Pflicht – so verstanden auch die Kollegen diesen Treffer, der dem HSV die Tabellenführung nach einem rasanten Spiel beließ: alle rannten zu Zé.

Und alle taktischen Winkelzüge der Bayern waren hinfällig.

Hinterher diskutieren mochte Trainer Louis van Gaal das alles nicht. Dabei waren kritische Nachfragen durchaus angebracht. Die Bayern begannen mit drei Verteidigern; Breno spielte rechts gegen Elia (ein mismatch, würde man im Basketball sagen), links stand Badstuber, in der Mitte van Buyten. Lahm versuchte sich im rechten Mittelfeld, vorn gab es je nach Sicht eine Spitze mit Olic oder eben doch drei, denn auch Ribéry und Robben verstanden sich als Angreifer. Zum ersten Mal spielten die Bayern in diesem anspruchsvollen System der Dreierblöcke, und die Überzahl in Ballnähe, das Doppeln und das Dreieckspiel, überforderte den hinterherhetzenden HSV zunächst. Van Gaal fand dann auch, dass es nicht an seiner Taktik gelegen hatte, dass die Bayern verloren: „Wir sind in einem Prozess. Wir haben ein gutes Spiel gezeigt“, sagte der Trainer. „Mir war klar, dass der gewinnt, der das Tor macht.“ Mit mehr Leidenschaft, mehr Härte, etwas Glück und eben diesem Tor verdiente sich Labbadias Mannschaft den Sieg, auch wenn die Bayern-Verantwortlichen später gemeinschaftlich für die Gerechtigkeit eines Unentschiedens plädierten. Womöglich sind die Bayern mit diesem Trainer wirklich auf einem guten Weg. Dieser Prozess könnte aber dauern.

Beim HSV fiel die Aggressivität auf, mit der die Außenverteidiger Aogo und Boateng ihre Gegner im Range des Superstars bekämpften. Schon in der Halbzeit beklagte sich Robben bei Schiedsrichter Weiner über zu wenig Schutz. Doch beide Hamburger bewegten sich im Rahmen des Erlaubten und durften sich von Labbadias preisenden Äußerungen angesprochen fühlen: „Wir hatten die stärkere Moral und den stärkeren Kopf. Das braucht man gegen solch einen Topgegner. Dieser Sieg ist sehr hoch einzuschätzen.“ Vor allem dann, wenn fast dieselbe Mannschaft drei Tage vorher in Osnabrück verloren hat.

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