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Bert van Marwijk

© DPA

HSV im Abstiegskampf: Hamburgs Vereinsspitze stützt van Marwijk

Der HSV taumelt, das Umfeld fordert Konsequenzen – vor allem Coach Bert van Marwijk gerät unter Druck. Sportdirektor Kreuzer und Vereinschef Jarchow halten weiter zum Niederländer, sind aber längst selbst angezählt.

Bert van Marwijk ließ jeden einzelnen Spieler vor den Fanblock holen. Vier, fünf Betreuer des Hamburger SV waren beschäftigt, über den Rasen der Sinsheimer Arena zu laufen, um alle einzufangen, damit an diesem Tag wenigstens eine positive Botschaft rüberkommt. Der Versuch einer Entschuldigung. Es waren bizarre Szenen, die sich nach dem 0:3 (0:2) der Hanseaten bei der TSG Hoffenheim abspielten. Es war die fünfte Niederlage in Folge. So schlecht spielte der HSV zuletzt 1970. Die ernste Lage drückt sich in einem Satz aus: Das Gründungsmitglied der Bundesliga droht, das erste Mal in der Vereinsgeschichte abzusteigen.

An bizarren Inszenierungen ist der Klub von der Alster nicht arm. Ob über Zukunftskonzepte mit Investor oder Aufsichtsratsposten gestritten oder Intrigen gesponnen werden oder bei einem Schuldenberg von rund 100 Millionen Euro über zu lasches Training und freie Tage polemisiert wird – der Hamburger Sportverein ist darin stets Liga-Spitze. Nur in der Tabelle der Bundesliga sieht es finster aus.

Als sei nicht schlimm genug, was sich auf dem Wettkampfrasen abspielt, wo eine leblose Mannschaft umherirrt, leistet sich der Nordklub seit einigen Wochen auch eine Trainer-Diskussion, die so bizarr daherkommt wie die Akquise der Verlierer auf dem Spielfeld. Nach dem Debakel steht die Frage im Fokus: Muss der Hamburger SV den Trainer wechseln, um sich zu retten?

Wer in Hamburg Zeitung liest, findet die Antwort schnell: Bert van Marwijk muss weg. Zwölf Punkte aus 13 Spielen seit Ende September 2013 sind in der Tat mager. Dass die Forderung so prominent verfolgt wird, könnte mit am schwierigen Verhältnis zu den örtlichen Medien liegen. Van Marwijk weigert sich, vor allem den Boulevardzeitungen Einzelgespräche zu geben. Die Diskussion um den früheren Nationalcoach der Niederlande bekam richtig Schwung, als es um den freien Montag nach dem 0:3 gegen Schalke ging und Manager Oliver Kreuzer klarstellen musste: „Unser Trainer ist nicht faul.“ Während van Marwijk zur Familie über die Grenze fuhr, kochte in Hamburg die Volksseele.

Van Marwijk hin oder her – auf dem Spielfeld in Sinsheim wurde der HSV mit seinen jungen überforderten Winterzugängen, die allesamt aus Geldmangel nur ausgeliehen wurden, vorgeführt. In der Schlussphase gar ausgelacht, als die HSV-Profis bei einfachen Tricks der gut organisierten Hoffenheimer nur zusehen konnten. „Am Trainer liegt es nicht“, sagte Kreuzer. „Hier wird seit Jahren immer der Trainer verantwortlich gemacht. Ich glaube kaum, dass die Spieler die Fehler nicht mehr begehen, wenn ein anderer Trainer an der Linie steht.“ Inzwischen ist aber auch Kreuzer angezählt. Ebenso wie die Führung des Klubs um den Vorstandsvorsitzenden Carl-Edgar Jarchow, der ebenfalls nicht am Trainer rütteln will. Die schlechte Nachwuchsarbeit steht ebenso im Mittelpunkt wie die Planlosigkeit des Vereins.

Die Frage ist nun, ob van Marwijk auch nach der Heimpartie gegen Hertha BSC am Samstag noch auf der HSV-Bank sitzt. "Der Trainer ist weiterhin hundertprozentig der richtige Mann", sagt Kreuzer. "Die Frage, was nach dem Hertha-Spiel passiert, stellt sich mir definitiv nicht. Ich werde nie ein Ultimatum aussprechen.“ Wohl auch deswegen, weil weder Geld noch eine Alternative vorhanden sind. Van Marwijk steuert ein Team, das viele Vorgänger zusammengeschustert haben und dem die Stabilität in der Abwehr fehlt. Der 61-Jährige wirkt deshalb desillusioniert. Die einen sehen ihn als Opfer der chaotischen Umstände, andere als Hindernis, der die Erwartungen nicht erfüllt hat.

In der Defensivarbeit ist sein Team so orientierungslos wie kein anderes in der Liga, das zeigte sich bei den Hoffenheimer Toren durch Roberto Formino, Niklas Süle und Andreas Beck. Der Hamburger SV wies fast 70 Prozent Ballbesitz auf, schoss allerdings kein einziges Mal gefährlich aufs Tor.

Auffällig stellten sich Spieler wie Kapitän Raphael van der Vaart vor ihren Coach. „Ich kann es nicht mehr sehen, wie wir spielen. Wir Spieler spielen schlecht, da kann der Trainer nichts dafür“, sagte van der Vaart, der selbst wie teilnahmslos spielte. „Hier waren so viele Trainer, alle hatten das gleiche Problem. Jetzt ist schon wieder die Position im Gerede. Mich ärgert daran, dass so immer wieder die hoch bezahlten Spieler aus dem Fokus genommen werden.“ Man müsse nun gewinnen. Aufbruchstimmung schmeckt anders. Nach der Pleite von Hoffenheim hat van Marwijk übrigens alle freien Tage gestrichen.

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