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Sport: „Ich bin erwachsen geworden“

Herthas Torjäger Marko Pantelic über die Perspektiven des Vereins und sein Verhältnis zu Deutschland

Herr Pantelic, wollen wir uns auf Deutsch unterhalten?

Oh, ich würde mir das schon zutrauen, aber wie ich sehe, haben Sie eine Dolmetscherin mitgebracht. Auf Serbisch fühle ich mich sicherer.

Stimmt es denn, dass Sie erst dann richtig Deutsch gelernt haben, nachdem Hertha Sie fest unter Vertrag genommen hat?

So stimmt das nicht. Wenn man neu in ein Land kommt, in eine Stadt, zu einem neuen Verein, gibt es viele Dinge, die man lernen muss. Die Sprache gehört dazu. Ich spreche Englisch, Französisch, Griechisch und verstehe Italienisch ganz gut. Ich habe mehrere Möglichkeiten, mich zu verständigen. Deutsch lerne ich jetzt noch intensiver.

Lernen Sie Deutsch nur für den Fußballerbedarf?

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich habe großen Respekt vor Ihrer Sprache, die lernt man nicht nebenher. Aber auf dem Feld ist die Sprache nicht so wichtig, auch wenn es gut ist, zu verstehen, was der Trainer erzählt.

Sie haben in zehn Jahren bei elf Vereinen in acht Ländern gespielt. Kennen Sie das deutsche Wort Söldner?

Ich kenne das Wort, aber ich bin kein Söldner. Das war ein anderes Leben. Ich habe es hinter mir gelassen. An erster Stelle bin ich Serbe. Ich bin stolz darauf und würde diese Staatsbürgerschaft für kein Geld der Welt aufgeben. Ich spiele für unsere Nationalmannschaft und bin mit vollem Herzen dabei. Andererseits habe ich mein Heimatland mit 14 Jahren verlassen. Ich habe prägende Jahre quer durch Europa verbracht.

Inwiefern lassen Sie eine andere Mentalität an sich heran?

Ich habe große Unterschiede feststellen können. In Griechenland war alles viel undisziplinierter. In Paris habe ich ein urbanes Leben geführt. Dort ist 24 Stunden lang etwas los, ständig Trubel auf der Straße. Hier in Deutschland ist es ganz anders. Hier führe ich ein Leben, das zu mir passt. Ich schätze es, dass ich meine Ruhe habe. Ich kann mit meiner Familie essen gehen und werde kaum gestört. Diese klaren Strukturen, die Berechenbarkeit, haben mir vorher gefehlt.

Wollen Sie in Berlin heimisch werden?

Egal, was passiert: In Deutschland werde ich eine Wohnung halten, dort werden meine Familie und ich Urlaub machen. Deutschland, speziell Berlin, spielt eine große Rolle. Hier bin ich so richtig erwachsen geworden.

Sie haben Belgrad als Jugendlicher verlassen. Ihre Karriere war von großer Haltlosigkeit geprägt. Ist Berlin ein Fleck, nach dem Sie gesucht haben?

Es ist schwierig, an Märchen zu glauben. Fußball ist ein Beruf, in dem du bis zum 35. Lebensjahr arbeiten kannst. In dieser Zeit versucht man, den Rahmen für ein angenehmes Leben zu schaffen. Wer würde nicht einen Vertrag annehmen, mit dem man unter guten Bedingungen bis zum 35. Lebensjahr spielen kann? Aber Fußball ist ein Geschäft, in dem sich die Dinge von heute auf morgen komplett ändern können. Es ist möglich, dass ich hier noch bis zum Ende meiner Karriere bleibe. Aber im Sommer kann das auch schon wieder ganz anders aussehen.

In Berlin scheinen Sie nur Freunde zu haben – sogar wenn Sie aus 25 Metern mit dem rechten Außenrist aufs Tor schießen. Anfangs stieß das nicht immer auf Gegenliebe.

Sie sagen es. Anfangs wurde ich viel kritisiert für diese Technik – gerade hier in Deutschland. Es hieß, ich könne nicht mit dem linken Fuß schießen. Die Medien, aber auch Manager Dieter Hoeneß haben das häufig thematisiert. Man hat nicht erkannt, dass es eine ganz besondere Qualität von mir ist. Der rechte Außenrist ist nichts Zwingendes für mich, es ist eine Option. Ich tue es aus Liebe. Der rechte Außenrist ist der Ausdruck meiner Liebe zum Fußball.

Der rechte Außenrist als persönliche Ausdrucksform?

Ja, schon. Ich mache das nicht aus Berechnung, das passiert instinktiv. Wenn ich den Ball bekomme, so etwa sechzehn Meter vor dem Tor, ahne ich schon, was ich tun werde. Schon bevor ich den Ball am Fuß habe, spielt sich in meinem Kopf die Szene ab, wie ich den Ball ins Tor bringe.

Franz Beckenbauer war der letzte Deutsche, der diese Schusstechnik beherrschte. Ist Ihnen klar, dass Sie dieser Spielweise zu einer Renaissance verhelfen?

Soll ich mich geehrt fühlen? Franz Beckenbauer hat das ja von einer ganz anderen Position getan, er war Libero, ich bin Stürmer. Aber Johan Cruyff hat das auch so gespielt.

Kein ganz so unbedeutender Spieler, oder?

Aber deswegen mache ich das nicht. Ich habe mir diese Art nicht abgeschaut. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich das ganz gut kann.

Sie haben bereits elf Tore für Hertha erzielt, so viele wie in der ganzen vorigen Saison. Sind Sie in der Form Ihres Lebens?

In meinem ersten Hertha-Jahr hatte ich viel Pech. Ich musste drei Monate lang unter Schmerzen und mit Spritzen spielen. Als ich hierherkam, hatte ich einen Vertrag, der auf zehn Monate begrenzt war. Erst danach wollte Hertha entscheiden, ob ich bleiben darf. Ich fühlte mich sehr stark unter Druck, durfte keine Fehler machen. Es gab viele Situationen, in denen ich hätte freier spielen können, wenn ich gewusst hätte, dass Fehler von mir keine negativen Folgen haben.

Sie sind einer der Stars der Mannschaft. Was fehlt Hertha zu einem Spitzenteam?

Hertha ist ein sehr guter Verein. Der Klub hatte ein bisschen Pech mit ein paar Spielern. Aber jetzt wird hier sehr professionell gearbeitet. Hertha wird im Sommer zwei oder drei Spieler holen. Im Januar des kommenden Jahres kommen noch ein oder zwei Profis. Dadurch wird sich die Qualität stark verbessern, und ich gehe davon aus, dass Hertha dann zu den drei besten Teams der Liga zählen wird.

Am Mittwoch in Hannover sah es nicht so aus, als könne Hertha oben mitspielen. Ihre Mannschaft hat 0:5 verloren.

Das war ein herber Rückschlag. Wir alle haben großen Mist gespielt. Jetzt geht es darum, Selbstkritik zu üben.

Wo sehen Sie denn momentan die größten Schwierigkeiten?

Wir dürfen uns jetzt nicht gegenseitig zerfleischen. Gegen Hamburg müssen wir siegen – und dafür müssen wir schon wieder zusammen Fußball spielen.

Das Gespräch führten Michael Rosentritt und Ingo Schmidt-Tychsen. Es übersetzte Ksenija Cvetkovic-Sander.

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