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Sport: „Ich bin kein Hofberichterstatter“

Schriftsteller Thomas Pletzinger über sein Projekt, Albas Basketballer für ein Buch ein Jahr lang zu begleiten

Herr Pletzinger, für ein Buch wollen Sie ein Jahr mit Alba Berlins Basketballern verbringen. In der vergangenen Woche haben Sie schon die unangenehmen Seiten dieses Projekts kennengelernt, als Sie mit der Mannschaft fast zwei Tage lang im Schneechaos stecken geblieben sind.

Das war zwar sehr anstrengend, aber umso interessanter: zwei Tage mit der Mannschaft im Schnee, in Flugzeugen, Bussen, S-Bahnen, Zügen, auf Hundeschlitten, in Bamberg. Das war eine außergewöhnliche Situation, in der man viel über ein Team erfährt.

Wie sieht die Grundidee für das Buch aus?

Es wird ein sehr erzählerisches Sachbuch zum Thema Basketball sein. In der amerikanischen Tradition gibt es viele solche Projekte, bei denen ein Journalist oder Schriftsteller ein Team begleitet und auf mehr oder weniger subjektive Art von seinen Erfahrungen erzählt. Ich möchte über Wirkungsweisen des Profisports schreiben, über Basketballkultur, über die Liebe zu diesem Spiel, aber auch über sportlichen und wirtschaftlichen Druck.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Buch über Alba zu schreiben?

Die Idee hatte ich schon lange, aber am Tag, als Alba in den vergangenen Play-Offs in Frankfurt ausgeschieden ist, dachte ich: Das könnte ein gutes Set-up sein, um die nächste Saison zu begleiten. Mit einer sehr ambitionierten Mannschaft, die gerade sehr unspektakulär und wenig zufriedenstellend ausgeschieden ist und die an einem Scheidepunkt steht. Ich dachte: Da wird sich einiges verändern, das wird spannend.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Ganz unaufgeregt. Vier, fünf Mal die Woche gehe ich zum Training, ich treffe mich mit dem Trainer oder Spielern zum Essen, ich sitze bei Auswärtsspielen mit im Bus, im Flugzeug, ich esse mit dem Team, das volle Programm. Manchmal werfe ich ein paar Bälle mit den Jungs oder rede mit Kotrainer Konstantin Lwowsky über Literatur. Neulich war ich mit Patrick Femerling zur Präsentation des Alba-Bettes in einem Möbelhaus in Waltersdorf – eine grandiose und leicht absurde Situation. Da kann man sehr viel erzählen, so etwas ist eben auch Teil des Profisports.

Alba hat nicht den Ruf, mit Interna freimütig umzugehen. Wie schwer war es, den Verein zu dem Projekt zu überreden?

Einfach war es natürlich nicht, aber das ist auch ganz normal und richtig – man lädt ja auch nicht jeden sofort in sein Wohnzimmer ein. Oder in die Küche. Ich habe viele ausführliche Gespräche geführt. Ich habe mit offenen Karten gespielt, mich und meine Arbeit vorgestellt und erklärt, wie das Buch aussehen soll.

Wie haben die Spieler auf Sie reagiert?

Das erste Mal beim Team war ich im Trainingslager in Kranjska Gora. Da hängst du dicht aufeinander, da ergeben sich ganz lockere Gespräche. Es lief alles ohne großen Druck, keiner hat gesagt: „Das ist Pletzinger, dem erzählt ihr jetzt alles.“ Das lief in aller Gelassenheit ab. Ich habe ja auch den Vorteil, dass ich keine Kamera brauche, kein großes Equipment. Ich kann einfach nur beobachten und mich unterhalten, und dann mache ich ein paar Notizen. Ich bin dabei und frage nach, aber ich verfolge niemanden aufs Klo.

Sind Sie bei Alba jemandem begegnet, der einen guten Protagonisten für einen Roman abgeben würde?

Die Mannschaft ist aus unterschiedlichsten Menschen aus aller Welt zusammengesetzt. Da sind die Serben, die Amerikaner, die besondere Situation der Deutschen – das sind interessante Lebensläufe und Konstellationen, auch auf menschlicher Ebene. Alle ringen darum, dass es am Ende gut ausgeht – spannend ist, ob das klappt. Und Trainer Luka Pavicevic ist natürlich eine Romanfigur, wie sie im Buche steht. Ein sehr vielschichtiger Mensch, eine sehr facettenreiche Figur.

Wie frei sind Sie in dem, was Sie am Ende im Buch schreiben?

Das ist sehr wichtig für ein gutes Buch: Ich bin tatsächlich absolut frei. Ich bin kein Hofberichterstatter, ich werde kein Fanbuch schreiben, ich bekomme von Alba kein Geld. Ich bin nicht geholt worden, sondern habe gefragt, ob ich rein darf. Mein Ziel bei diesem Projekt ist natürlich, so tief drin zu sein wie möglich, aber der Coach könnte die Reißleine ziehen, wenn er der Meinung wäre, meine Recherche behindere seine Arbeit. Kurz: Mein Buch wird eine teilnehmende Beobachtung der Profibasketballwelt.

Woher kommt Ihre Begeisterung für Basketball?

Ich habe eine tiefe Faszination für dieses Spiel, das mich seit meiner Kindheit nicht loslässt. Ich habe meine ganze Jugend in Hagen damit zugebracht, den Traum von einer Profikarriere zu träumen. Aus der ersten Fünf meines Jugendteams – mit Spielern wie Marko Pesic und Bernd Kruel – sind alle im Nationalteam oder der Bundesliga gelandet. Nur ich nicht. Ich gucke morgens aber immer noch zuerst nach den Basketballergebnissen, ehe ich das Feuilleton lese.

Werden Sie selbst im Buch vorkommen?

Natürlich. Ich interagiere mit den Leuten, ich stecke mittendrin in der Geschichte. Und meine eigene Begeisterung für das Spiel steht ja im Kern des Ganzen. Ich merke, dass mir bei der Arbeit nostalgisch viele Dinge von früher einfallen. Ich komme in die O2-World und denke an die alte Ischelandhalle in Hagen, wie völlig fasziniert ich da als Zwölfjähriger auf der Tribüne gestanden habe. Dass Leute damals noch in der Halle rauchen durften! Und wenn ich davon erzähle, was einen guten Basketballprofi ausmacht, werde ich wohl auch der Frage auf den Grund gehen müssen, warum ich selbst keiner geworden bin.

Was wäre für Ihr Buch besser: Wenn Alba in dieser Saison scheitert? Oder wenn das Team souverän Meister wird?

Das Spannende ist natürlich, dass niemand weiß, wie die Saison ausgeht. Das Scheitern gehört genauso zum Profisport wie glorreiche Siege, ich will das alles erzählen. Als Schriftsteller wünsche ich mir, dass es spannende, dramatische und großartige Momente gibt, in denen die Mannschaft sehr gefordert wird. Aber natürlich hoffe ich auf Titel. Das wäre toll, ich könnte eine krachende Meisterfeier beschreiben, samt Zigarre und Champagner.

Das Gespräch führte Lars Spannagel.

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