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Sport: „Ich bin mir sicher, dass ich spiele“

Fredi Bobic über den Abstiegskampf, seine Stellung bei Hertha und die Euphorie im vergangenen Sommer

Herr Bobic, sind Sie ein Grübler?

Ein typischer Grübler würde ich nicht sagen, aber ich denke gerne und über viele Sachen nach.

Haben Sie mal darüber nachgedacht, warum Sie eigentlich mit Ihren Mannschaften immer gegen den Abstieg spielen?

Was auch immer Sie da konstruieren wollen – Ihre These stimmt nicht. Die letzten beiden Male …

… bei den Bolton Wanderers und Hannover 96 …

… bin ich bewusst zu Abstiegskandidaten gegangen. Also auch bewusst in den Abstiegskampf.

Aber es könnte ja auch etwas mit Ihnen zu tun haben.

Nein, das glaube ich nicht. Es gab auch im letzten halben Jahr noch Highlights für mich. Nur leider mit der falschen Mannschaft. Mit der Nationalmannschaft. Dass ich mit Hertha gegen den Abstieg spiele, ist einfach unglücklich. Aber mein Vorteil ist, dass ich mich in dieser Situation gut auskenne und keine Probleme damit habe.

Machen Sie es sich nicht ein bisschen zu leicht?

Wieso zu leicht?

Weil es manchmal scheint, als suchten Sie die Fehler eher bei anderen als bei sich selbst.

Das habe ich nie gemacht.

Sie haben sich im Herbst darüber beschwert, dass Sie mehr Flanken brauchen, aber bei Hertha keine bekommen.

Ja, weil ich versucht habe, mein Spiel zu charakterisieren. Und meine Qualitäten. Seitdem ich 18 bin, haben die sich nicht mehr verändert. Du musst diese Qualitäten richtig einsetzen können, damit dein Team davon profitiert. Wenn dir das nicht gelingt, kriegst du mit deinem Spiel Probleme. Das heißt aber nicht, dass auch die Mannschaft zwangsläufig Probleme kriegen muss.

Hertha hat Probleme bekommen.

Das stimmt. Aber nicht nur, weil ich meine Qualitäten nicht einbringen konnte. Sondern weil wir überhaupt nicht zu einer Art Spiel gefunden haben, das das Gesicht von Hertha BSC gezeigt hätte. In der ganzen Hinrunde haben wir uns nicht gefunden.

Aber wenn Sie sehen, dass die Mannschaft Ihre Qualitäten nicht zur Geltung bringen kann, dann müssen Sie doch versuchen, anders zu spielen.

Anders? Habe ich ja gemacht. Oder versucht. Aber wenn du – wie wir in der Hinrunde – kein Offensivspiel entwickelst, dann ist es mir ein bisschen zu einfach, hinterher zu sagen: Spiel anders! Wie denn? Soll ich an der Mittellinie stehen? Fünfzig Meter vom Tor entfernt? Da wird auch ein Ronaldo keine Tore schießen.

Hans Meyer, dem neuen Trainer, schwebt eine Form der aggressiven Vorwärtsverteidigung vor. Würde das Ihrem Spiel entgegenkommen?

Ja, ich hoffe, dass wir es hinkriegen, mutig und aggressiv nach vorne zu verteidigen. Das war schon in Stuttgart unsere Stärke und auch zuletzt in Hannover. Für mich ist es immer logischer, wenn ich den Ball in der gegnerischen Hälfte oder an der Mittellinie gewinnen kann – da ist der Weg zum gegnerischen Tor nicht so weit, als wenn ich den Ball am eigenen Strafraum erobere. Dann kannst du eigentlich nur noch mit langen Bällen operieren. In der Hinrunde war das ja fast unser einziges Erkennungsmerkmal: dass wir unglaublich viele lange Bälle gespielt haben.

Ist Ihnen schon mal Gedanke gekommen, dass Sie trotzdem aus der Mannschaft fliegen könnten?

Bin ich ja schon. In der Hinrunde. Nur, im Endeffekt hat sich dadurch nichts geändert. Aber wissen Sie: Es geht auch jetzt in der Rückrunde nicht um mich. Wenn ich meine Stärken nicht ausspielen und meine Qualitäten für die Mannschaft nicht so umsetzen kann, wie ich das will, und der Trainer sieht das, dann wird er darauf reagieren. Aber das ist im Moment hypothetisch.

Haben Sie schon ein Gefühl?

Ich bin mir sicher, dass ich dabei bin.

Wieso?

Das merkt man einfach. Ich sehe, dass wir Fortschritte machen, dass wir kompakter sind, dass unser taktisches Verhalten besser wird. Und Hans Meyer weiß, welche Qualitäten ich habe. Das ist für mich eine klare Aussage. Nutze die Qualitäten jedes Spielers, und versuche die richtige Mischung zu finden. Wenn es nicht geht, wird es Opfer geben. Das ist ganz normal.

Sie und die beiden anderen Neuzugänge, Niko Kovac und Artur Wichniarek, sind im Sommer nicht nur wegen Ihrer fußballerischen Fähigkeiten geholt worden, sondern auch mit der Vorgabe, den Charakter der Mannschaft zu ändern. War das zu viel verlangt?

Möglich. Aber das im Nachhinein zu sagen wäre mir zu billig. Vielleicht war im Sommer zu viel Euphorie. Aber die haben nicht wir ausgelöst. Wir haben nie behauptet, den Stein der Weisen erfunden zu haben. Nur wurde es manchmal so dargestellt. Wir haben eher versucht, diese Euphorie zu dämpfen. Aber manchmal kannst du das gar nicht.

Sie haben sogar schon nach dem fünften Spieltag, dem 2:3 gegen Hannover, vom Abstiegskampf gesprochen. Haben Sie das mal bereut?

Überhaupt nicht. Obwohl ich vielleicht manchmal zu extrem bin. Aber das war mein Eindruck damals, und der war brutal ehrlich. Eigentlich hätte dieses Spiel vielen die Augen öffnen müssen. Wie wir in der zweiten Halbzeit den Sieg noch verschenkt haben – total erschreckend. Wie wir plötzlich nur noch zurückgehen, anstatt den entscheidenden Stoß zu setzen, da kommst du schon ins Grübeln: Jetzt musst du aufpassen, sonst spielen wir gegen den Abstieg! Und leider habe ich mal wieder Recht gehabt.

Wie ist Ihre Warnung in der Mannschaft angekommen?

Zu mir hat keiner was gesagt.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns

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