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Sport: „Ich bin wieder frei im Kopf“

Fredi Bobic über die Nationalelf, seine Kritiker und die erholsame Zeit in England

Herr Bobic, sind Sie eigentlich erstaunt, wie schwach die Bundesliga geworden ist?

Wie kommen Sie darauf, dass die Bundesliga schwach ist?

Als Sie nach Hannover kamen, waren Sie mehr als drei Monate ohne Spielpraxis. Und trotzdem haben Sie in acht Spielen schon acht Tore geschossen.

Das hat doch nichts mit der Schwäche der Bundesliga zu tun. Oder soll das etwa heißen, ich wäre eine absolute Lusche und hätte eigentlich nichts drauf? Als ich zu Hannover gewechselt bin, hatte ich ja schon ein paar Bundesligatore hinter mir.

Fühlen Sie sich unterschätzt?

Ich glaube nicht, dass ich unterschätzt werde. Wenn die anderen Vereine gegen uns spielen, dann wissen die schon, dass bei der anderen Mannschaft vorne einer ist, der einen guten Ball spielen kann, gerade vor dem Tor. Es gibt da einen gewissen Respekt.

Aber Sie sind wieder nicht für die Nationalmannschaft nominiert worden…

Das ist für mich nur ein Ansporn, weiter Gas zu geben. Sollte das Argument gegen mich wirklich die mangelnde Perspektive gewesen sein, werde ich jetzt in Hannover zeigen, dass ich eine Perspektive habe.

Der frühere Mittelstürmer Klaus Fischer hat einmal gesagt: „Wenn ich so ein schlechter Spieler wie Bobic wäre, würde ich die Nummer 9 nicht anziehen. Das ist eine Beleidigung für dieses Trikot. Der kann die 29 tragen.“

Das sind halt diese ein, zwei Kritiker, die sich schon die ganze Zeit an meiner Person ergötzen. Was soll ich zu solchen Leuten sagen?

Ärgern Sie sich über solche Sätze?

Freuen tun sie mich jedenfalls nicht. Vor allem nicht, wenn so etwas auch noch von ehemaligen Fußballern kommt, die ich als Kind selbst immer gerne habe spielen sehen, die ich vielleicht sogar ein bisschen angehimmelt habe. Ich halte solche Aussagen schon für böswillig.

Sie sind gekränkt.

Ach was. Ich will das gar nicht überbewerten. Vielleicht passt diesen Leuten einfach meine Nase nicht. Eigentlich ist es mir total wurscht, was die sagen. Sie müssen damit klarkommen. Nicht ich.

Regt es Ihren Ehrgeiz an, wenn die Leute gegen Sie sind? Oliver Kahn hat mal gesagt, er brauche diese feindliche Atmosphäre, um sich richtig zu motivieren.

Es ist immer gut, wenn die Leute eine Meinung über dich haben; ob die positiv ist oder negativ, ist egal. Wenn das ganze Stadion gegen mich ist, wenn die Zuschauer versuchen, mich zu provozieren – das macht mir gar nichts aus. Das puscht mich nur noch mehr.

Sie gelten als Mensch, der polarisiert.

Das wird mir jedenfalls häufiger nachgesagt. Und wenn sich die gegnerischen Fans immer nur dich raussuchen, dann ist das wahrscheinlich auch so.

Empfinden Sie das als ungerecht?

Ach was, das hängt einfach mit meiner Spielweise zusammen. Ich suche natürlich auch Reizpunkte, sowohl verbal als auch durch mein ganzes Auftreten. Und es ist doch klar, dass viele das nicht gerne sehen, wenn die Mannschaft gewinnt, in der ich spiele.

Die Erfolge von Hannover werden mit Ihrer Person verbunden. Sehen Sie die Gefahr, dass sich das irgendwann gegen Sie richtet?

Natürlich, ich weiß doch, wie das Geschäft läuft. Lassen Sie mich mal vier Spiele lang kein Tor schießen. Dann heißt es: Der Bobic hat damals nur eine Glückssträhne gehabt. Ich habe mich sowieso nie über die Mannschaft gestellt. Das wäre absoluter Schwachsinn. Man täuscht sich sehr schnell, wenn man denkt, dass man der Herrgott wäre.

Haben Sie das Gefühl, manche Leute warten bei Ihnen nur auf Rückschläge?

So ist das nun mal, wenn jemand – wie Sie sagen – polarisiert. Nehmen Sie Oliver Kahn. Bei dem wird doch nur darauf gewartet, dass er auch mal einen Fehler macht. Und dann wird versucht, ihn zu packen, weil er gerade oben ist. Man wird groß gemacht, und dieselben Leute versuchen dann, dich auch wieder klein zu kriegen. Das ist ein einfach großes Spiel.

Haben Sie sich mal danach gesehnt, von allen geliebt zu werden?

Nee, ich will nie von allen geliebt werden. Ich werde mich auch von niemandem so hinsteuern lassen, dass mich jeder lieben muss. Ich gehe meinen Weg. Das ist ein kantiger Weg, der auch manchmal weh tut.

Ihnen auch?

Der tut auch mir weh, der kann aber auch anderen weh tun. Ich möchte nicht der 08/15Typ sein.

Hört sich so an, als wären Sie früher in der Schule der Klassensprecher gewesen.

Nee, da hätt’ ich keinen Bock drauf gehabt. Ich bin früher auch gar nicht der typische Klassensprecher gewesen. Erst beim VfB hat sich das so entwickelt. Das kam damals ganz schnell. Ich bin da so reingeschubst worden und sollte schon als recht junger Spieler Führungsaufgaben übernehmen. Heute hilft mir das natürlich. Heute mache ich die Dinge richtig, die ich früher falsch gemacht habe.

Bei Betrachtung ihres Werdegangs könnte man meinen, dass Sie sich in eher schlechten Mannschaften wohler fühlen als in eher guten.

Wenn Sie das so sehen wollen. Der VfB Stuttgart hatte aber keine schlechte Mannschaft.

Weil Sie sie zu einer guten gemacht haben.

Vielleicht, aber wir hatten auch klasse Fußballer beim VfB. Blinde waren das nicht. Trotzdem ist es natürlich einfacher, wenn du in einer Mannschaft spielst, in der auf dich gehört wird. Bei Borussia Dortmund war jeder Spieler ein Star. Alle hatten eine Meinung. Die Journalisten konnten mit jedem ein Interview machen und mussten sich nicht immer denselben Spieler rauspicken.

War das schwer für Sie, sich daran zu gewöhnen?

Es war wirklich nicht einfach. Du sagst was, und es wird gar nicht aufgenommen. Allerdings hat in der Mannschaft auch vieles nicht gestimmt, als ich nach Dortmund kam. Wir sind gleich in den Abstiegskampf reingeraten. Da bin ich dann mit untergegangen.

Der diesjährige Wechsel nach England war dann fast eine Rückkehr zu eigenen Wurzeln.

So kann man das sehen. Vor allem war es eine überragende Erfahrung. Das halbe Jahr in England hat mir eine große innere Ruhe gebracht. Das war wie ein Time-out. Ich habe das einfach gebraucht: aus dieser ganzen Bundesliga mal rauszukommen. Ich kannte ja alles. England war fast wie Urlaub, ungefähr, oder ein bisschen wie eine Selbstfindung. Danach habe ich festgestellt: Ich bin wieder frei im Kopf.

Ihr Vertrag bei 96 läuft am Ende der Saison aus. Sie könnten zur großen Identifikationsfigur in Hannover werden, wenn Sie schon jetzt sagen, dass Sie verlängern wollen.

Das ist so eine Geschichte, die jetzt aufgewärmt wird. Natürlich wäre ich gegenüber dem Verein im Moment in einer super Situation. Aber wir haben die klare Absprache, dass wir uns erst zusammensetzen, wenn sicher ist, dass Hannover in der Bundesliga bleibt. Wir haben jetzt 15 Punkte, 25 brauchen wir noch. Es weiß doch keiner, was in einem halben Jahr ist.

Sie wollen abwarten, ob sich noch was Besseres ergibt.

Quatsch, das hat gar nichts mit Pokern zu tun. Ich mach’ mir jetzt einfach nur keine Gedanken darüber.

Eine Vertragsverlängerung wäre immerhin ein Signal: Ich bin sicher, die 25 Punkte holen wir noch.

Die holen wir auch so.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns.

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