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Sport: „Ich brauche Druck“

Biathlon-Favoritin Kati Wilhelm über ihre Chancen bei Olympia, Konkurrenz im Team und Spaß am Schießstand

Frau Wilhelm, haben Sie Ihren Freunden auf Malta eigentlich schon Ihr Wettkampfprogramm für die Olympischen Spiele geschickt?

Mein Gott, Malta! Da habe ich tatsächlich ein paar Anhänger. Ich war drei Mal zu einem Englisch-Sprachkurs dort. Als ich meine Gastfamilie aufklärte, wer ich bin, konnten sie mit Biathlon gar nichts anfangen. Schießen und Laufen im Schnee – die haben mich komisch angeguckt.

Inzwischen haben Sie sogar Fans auf Malta.

Es gibt welche, die meine Wettkämpfe im Fernsehen verfolgen – zumindest die, die dort das deutsche Programm empfangen können. Denn im italienischen Fernsehen senden sie nichts vom Biathlon.

Bei den Olympischen Winterspielen in Turin wird das sicher so sein. Da könnten Sie oft jubelnd im Bild zu sehen sein.

Mal sehen. Ich hoffe einfach, dass es ähnlich gut weitergeht wie im Weltcup.

Läuft und schießt es sich bei Olympia entspannter, wenn man den Gesamtweltcup anführt?

Mit Sicherheit ist das ein Plus. Andererseits ist das der Unterschied zu den Spielen vor vier Jahren. In Salt Lake City war ich ein Niemand, keiner hat mich registriert. Jetzt aber gibt es die Ergebnisse der vergangenen Wochen. Gerade das Schießen funktioniert bei mir gut, schon über das gesamte Jahr hinweg. Deshalb mache ich mir auch gar keine Gedanken.

In Salt Lake City hat sich diese Taktik für Sie ausgezahlt: Da haben Sie ganz locker zwei goldene und eine silberne Medaille mit nach Hause genommen.

Das ist schwer zu vergleichen. Vor Salt Lake City hatte ich nicht so wahnsinnig viele Erfolge vorzuweisen. Es hat geklappt, weil ich recht cool war und mir keinen Kopf gemacht habe: Oh Mann, das sind Olympische Spiele. Da ist es jetzt schon schwerer, locker zu sein.

Schade, oder?

So ist es eben. Andererseits ist es schön, stärker beobachtet zu werden.

Immerhin hatten Sie beim letzten Weltcuprennen in Antholz einen Durchhänger. Am Ende wurden Sie Neunzehnte.

Es war schon komisch an diesem Sonntag – ich hatte nie das Gefühl, dass das etwas werden könnte. Das fing damit an, dass ich am Samstag nach der Siegerehrung im Wachsraum eingepennt bin, so geschlaucht war ich. Ich war psychisch so leer, dass ich überhaupt keinen Ansporn mehr hatte. Wahrscheinlich ist es in den Wochen zuvor zu gut für mich gelaufen.

Trotzdem haben Sie in diesem Olympia-Winter die Favoritenrolle inne.

Ich hätte mich gefreut, wenn es schon in früheren Jahren bergauf gegangen wäre. Ich hatte damals ja Weltcupsiege vorzuweisen, aber es waren auch zu viele Totalversager dabei. Meine Leistungen waren noch nicht so abrufbar, ich hatte große Probleme beim Schießen. Das hatte aber auch sein Gutes – dadurch habe ich gelernt, mich auf bestimmte Dinge zu konzentrieren.

Bis 1999 waren Sie Langläuferin.

Ja. Aber plötzlich hatte ich sehr schlechte Ergebnisse in der Loipe, also habe ich an meiner Technik gearbeitet. Der Sieg in Salt Lake City kam letztlich zu früh für mich. Ich hatte mir damals gesagt: 2006 wird das Jahr sein, in dem ich Biathlon gelernt haben könnte. Und tatsächlich würde ich jetzt sagen, dass ich heute Biathlon beherrsche.

Was reizt Sie eigentlich mehr: das Laufen oder das Schießen?

Die Zweikämpfe im Schießstand machen mir besonders viel Spaß. Ich bin konzentrierter, wenn ich unter Druck stehe als wenn ich mir einen Fehler leisten kann. Ich brauche Druck. Wenn der Trainer zu mir sagt: Du kannst einen Fehler machen, dann mache ich mindestens zwei.

Haben Sie bestimmte Trainingsmethoden für das Schießen entwickelt?

Eigentlich nicht. Das ist einfach eine spezielle Situation am Schießstand – ich versuche dann immer, ein bisschen locker zu sein und trotzdem für die anderen neben mir ein Ohr zu haben. Es ist wichtig, seine Nerven im Griff zu haben. Das Psychologische spielt im Biathlon eine große Rolle.

Ihre Kollegin Uschi Disl arbeitet deshalb mit einem Psychologen zusammen.

Ja. Ich glaube, im Sommer hat sie wieder Besuch von dem bekommen.

Sind die deutschen Biathletinnen eigentlich wirklich so eine verschworene Gemeinschaft, wie überall behauptet wird?

Es ist schon wichtig, dass man eine gute Mannschaft hat. Genauso wichtig ist aber, dass untereinander Konkurrenz herrscht. Deshalb pushen wir uns gegenseitig hoch. Wir tragen das aber nur bei den Wettkämpfen aus, nicht danach. Den großen Neid gibt es bei uns nicht.

Das Gespräch führte Andreas Morbach

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