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Sport: „Ich brauche Zeit“

Nach Gerüchten über seinen seelischen Zustand spielt Juan Martin del Potro wieder Tennis

Rein äußerlich hat sich Juan Martin del Potro kaum verändert. Mit seinen fast zwei Metern Körperlänge flößt der Argentinier Respekt ein, wenn er einen Raum betritt. Allein sein Spiel auf dem Tennisplatz ist für die Gegner nicht mehr so furchteinflößend wie noch vor zwei Jahren, als er mit Siegen über Rafael Nadal und Roger Federer als 20-Jähriger die US Open gewann. Kaum verwunderlich, denn del Potro hat fast ein ganzes Jahr pausieren müssen. Und zwischenzeitlich schien es gar fraglich, ob er je auf die Tour zurückkehren würde. „Ich fühle mich gut“, sagte del Potro nun nach seinem Auftaktsieg gegen den Israeli Dudi Sela bei den Australian Open, und seine Stimme klang dabei so leise und schüchtern wie früher.

Monatelang war über seinen Zustand spekuliert worden, besonders über seinen seelischen. Del Potro musste sich am Handgelenk operieren lassen, aber schnell hieß es, er soll an Depressionen leiden, sei ausgebrannt. Aus seinem Betreuerumfeld wurde kolportiert, er habe Panikattacken. Zum Trainieren verspüre del Potro keine rechte Lust, dafür sei er in seiner Heimatstadt auf Partys unterwegs, mit Alkohol und schönen Frauen. Es wäre eine Auflehnung gegen seinen strengen Vater, wurde vermutet. „Traurige, falsche und böswillige Geschichten über meine Gemütsverfassung und mein körperliches Befinden wurden in Umlauf gebracht“, erklärte del Potro nun, „mehr sage ich nicht zu etwas, das es nicht gibt.“

Dennoch war del Potro abgetaucht, zog sich auch von seinen argentinischen Spielerkollegen zurück und war selbst für die Spielervereinigung ATP zeitweilig nicht erreichbar. „Ich hatte ein sehr schlimmes Jahr“, sagte del Potro, „für drei oder vier Monate wusste niemand, was mit meinem Handgelenk los ist. Das hat mich fertiggemacht.“ Dass in dieser schweren Phase einige der Spieler E-Mails mit Genesungswünschen geschickt hätten, habe ihm sehr geholfen, sagte del Potro. „Es ist auch egal, ob Federer zehn und Nadal zwei Nachrichten geschickt hat, sie haben es getan und an mich gedacht. Das ist das Wichtigste und dafür bin ich dankbar.“ Im letzten Herbst versuchte del Potro in Bangkok und Tokio bereits sein Comeback, aber scheiterte beide Male in Runde eins. Im Vorfeld der Australian Open schaffte der inzwischen 22-Jährige gegen den Spanier Feliciano Lopez in Sydney seinen ersten Sieg nach fast einem Jahr, bevor er an Florian Mayer scheiterte. „Sein Aufschlag ist stark, aber von der Grundlinie hat er viel verschlagen“, sagte Mayer.

Genauso spielte del Potro auch gegen Sela, die Nummer 92 der Welt. 19 Asse hämmerte er zwar ins Feld, doch ansonsten erinnerte wenig an die Spielstärke von einst. Vor allem schien sein Killerinstinkt abhanden gekommen. Dass er das Match 7:6, 6:4 und 6:4 für sich entschied, war zwar befreiend für ihn, doch es zeigte auch, wie weit der Weg von Rang 236 zurück sein wird. „Alles ist schwierig. Vor zwei Jahren habe ich mich gut gefühlt, egal, gegen wen ich gespielt habe. Wenn ich jetzt spiele, ist alles ...“, er stockte und rang um die Worte, „sehr kompliziert. Ich brauche Zeit.“ In einem halben Jahr könne er wohl wieder gut Tennis spielen, sagte del Potro, doch es klang gedämpft. „Ich bin nicht so stark, wie bei meinem US-Open-Sieg. Ich weiß nicht, ob ich je wieder so spielen kann. Aber ich werde es versuchen.“

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