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Sport: „Ich liebe jeden Moment, den ich im Auto sitze“

David Coulthard über seinen ersten Saisonsieg, die Anfeindungen der Konkurrenz und die Faszination in der Formel 1

Für viele war Ihr Sieg in Melbourne eine große Überraschung, Michael Schumacher hat ihn sogar als Zufall abgewertet…

Na ja, zumindest konnte ich bei der Siegerehrung erhobeneren Hauptes dastehen als er bei einigen seiner Erfolge, bei denen ein Teamkollege für ihn bremsen und auf die Seite fahren musste. Ich weiß auch, dass es vom reinen Speed her nicht unbedingt einer meiner größten Siege war. Davon abgesehen – ein bisschen Glück gehört oft dazu, und ich habe bis jetzt unter solchen Bedingungen selten viel Glück gehabt. Diesmal war ich einfach zur Stelle und habe keinen Fehler gemacht. Niemand kann mir das Ergebnis wegnehmen.

Wie viel Befriedigung gibt so ein Sieg?

Früher habe ich immer gesagt, dass ich am liebsten nach harten, direkten Duellen gewinne, weil ich der Schnellste bin. Aber man lernt, auch andere Siege zu schätzen. Zehn Punkte sind zehn Punkte. Und gerade gute Ergebnisse am Anfang einer Saison geben Sicherheit und Auftrieb – auch für das gesamte Team.

Sie haben immer wieder vor Saisonbeginn gesagt, Sie könnten Weltmeister werden. Die Statistik sagt, dass in den vergangenen Jahren sehr oft der Sieger des ersten Saisonrennens auch Weltmeister wurde. Experten wie Niki Lauda dagegen sagen, dass Sie es nie werden.

Was soll ich dazu sagen? Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung. Es gibt immer Leute, die an einen glauben, und solche, die nicht an einen glauben. Wenn man fragt: Kann David Coulthard Rennen gewinnen, ist die Antwort ja. Wenn man fragt: Kann David Coulthard im direkten Duell mit Michael Schumacher bestehen, ist sie auch ja. Warum soll sie dann auf die Frage, kann David Coulthard Weltmeister werden, nicht auch ja lauten?

Ist es für Sie eine zusätzliche Motivation, diesen Kritikern das Gegenteil zu beweisen?

Mir ist das egal, was andere reden. Es macht mich nicht schneller oder langsamer.

Warum hat es dann bisher nie funktioniert?

Ich hatte in den Zeiten, als das Auto gut genug war, um um den Titel mitzufahren, nicht die volle Unterstützung des Teams – die lag damals bei Mika Häkkinen. Das ist kein Jammern, das ist nur eine reine Feststellung. Er hatte diese Unterstützung verdient – und er hat darauf aufgebaut. Fakt ist: Schlechtere Fahrer als ich sind schon Weltmeister geworden – und vielleicht haben bessere als ich nicht einmal einen Grand Prix gewonnen. Ich gebe mein Bestes – und was kommt, das kommt. Ich bin nicht hier, um einen Popularitätswettbewerb zu gewinnen – ich will auf höchster Ebene konkurrieren.

Jetzt ist Mika Häkkinen weg – und Sie schienen zumindest zu Beginn der Saison unter teaminternen Druck von Kimi Räikkönen zu geraten. Man hatte den Eindruck, das Team hält ihn für schneller.

100 Prozent Unterstützung bekommt man nie – ein Team hat nun mal zwei Fahrer. Aber jetzt kann man da noch gar nichts sagen, diese Frage stellt sich nur in ganz bestimmten Situationen.

Fühlen Sie Ihre Position von Kimi Räikkönen, der „neuen jungen Hoffnung", bedroht?

Bedroht sicher nicht – das würde ja bedeuten, dass ich Angst hätte. Ich kenne meine Stärken, weiß, was man braucht, um Rennen zu gewinnen und wollte immer gegen die stärksten Piloten antreten. Ob jünger oder älter spielt keine Rolle. Und am Ende habe ich in den 18 Rennen, die wir zusammen gefahren sind, zweimal gewonnen, er nie. Aber weder meine noch seine Hauptmotivation ist es, den anderen zu schlagen. Die Hauptmotivation ist, das Auto so schnell wie möglich zu machen.

Wie motivieren Sie sich noch nach neun Jahren in der Formel 1 in schwierigen Zeiten wie in der letzten Saison? Stellt man sich die Frage: „Was mache ich eigentlich hier?"

Nein, überhaupt nicht. Ich müsste nicht hier sein, könnte jeden Tag aufhören, wenn ich das wollte. Wenn mir etwas keinen Spaß macht, dann höre ich auf damit. Aber die Formel 1 macht mir Spaß.

Der Gehaltsscheck spielt dabei keine Rolle?

Ich habe nichts verdient, als ich mit dem Kartsport angefangen habe, ich habe in der Formel 3 nichts verdient. Ich könnte auch ein gutes Leben führen, wenn ich keine Formel 1 mehr fahren würde. Die Leute machen oft den Fehler, Geld und Glück gleichzusetzen. Viele glauben, dass Geld einen Menschen motiviert. Aber Geld ist keine Motivation.

Was ist Geld dann für Sie?

Geld ist angenehm, weil es mir einen Lebensstil ermöglicht, in dem ich mich auf meinen Sport konzentrieren kann. Aber meine Familie lebt in Schottland, mein Bruder führt ein kleines Transportunternehmen und verdient genügend Geld. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und führt ein sehr glückliches Leben. Man muss kein Formel1-Fahrer sein, der Millionen verdient, um glücklich zu sein.

Was ist dann die Faszination?

Der Wettkampf auf allerhöchster Ebene, das Erreichen der eigenen Top-Leistung, der Wunsch, zu gewinnen. Insgesamt fasziniert mich noch immer die körperliche und mentale Herausforderung, die die Formel 1 bietet. Ich liebe jeden Moment, den ich im Auto sitze, jeden Testkilometer. Ich will immer testen, an der Entwicklung des Autos teilhaben, da können Sie ruhig das Team fragen.

Dieses Jahr waren Sie mit Prognosen vorsichtig – aber könnte sich die viele Arbeit vielleicht doch 2003 schon auszahlen?

Man muss realistisch bleiben – wenn man sich Ferrari im Qualifying anschaut, dann ist das Team immer noch eine Sekunde vor uns. Aber zehn Punkte sind erst einmal eine schöne Basis. Und wenn wir mit dem alten Auto punktemäßig dranbleiben können – wer weiß, vielleicht können wir dann ja doch ein Wörtchen mitreden. Wir hoffen ja schon sehr stark auf das neue Auto. Die Daten deuten darauf hin, dass das einen ziemlichen Sprung nach vorne bringen wird.

Das Gespräch führte Karin Sturm.

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