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Barbara Rittner, 38, (Foto rechts neben Andrea Petkovic) gewann während ihrer aktiven Zeit zwischen 1989 und 2004 zwei Turniere im Einzel und 1992 mit Steffi Graf den Fed-Cup. Seit 2005 betreut sie das Fed-Cup-Team des Deutschen Tennis Bundes. Foto: Reuters

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Sport: „Ich traue Andrea Petkovic alles zu“

Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner über die Chancen der letzten Deutschen bei den French Open und den Aufschwung im Frauentennis

Frau Rittner, ist Andrea Petkovic schon reif für einen Grand-Slam-Titel?

Schwer zu sagen. Aber war Francesca Schiavone letztes Jahr reif dafür? Manchmal passen die kleinen Bausteinchen einfach so zusammen. Auf der einen Seite würde ich es ihr wünschen – sie hat große kämpferische und mentale Qualitäten und ich weiß, wie sehr sie es selber will. Andererseits denke ich, es wäre noch eine Nummer zu viel.

Was fehlt ihr noch?

Sie neigt manchmal dazu, zu stereotyp das gleiche Tennis zu spielen und verliert mitunter die Matchdisziplin. Andrea Petkovic ist aber eine, die an ihren Erfolgen wächst, auch innerhalb eines Turniers. Ich traue ihr hier alles zu.

Petkovic spielt heute im Achtelfinale gegen Maria Kirilenko. Sie sagt, an einem guten Tag könne sie jeden schlagen.

Das glaube ich auch. Warum sollte sie sich eingrenzen, wenn sie unter den letzten 16 ist? Es ist gut, dass sie den Gedanken an den Turniersieg zulässt. Das ist ganz wichtig. Ich kann die Aussage verstehen, hätte sie aber nicht unbedingt getätigt.

Hat dieses Selbstvertrauen früheren deutschen Spielerinnen gefehlt?

Das denke ich schon. Sabine Lisicki hat damit angefangen, als sie sagte, sie kann die Nummer eins werden. Das fanden viele unverschämt, aber es ist richtig, sich nicht von vornherein zu limitieren. Ich habe das als Spielerin selber gemacht.

Andrea Petkovic und Julia Görges gehören nun zu den Top 20. Wo muss man das deutsche Frauentennis einordnen?

Ich glaube, dass wir im Damentennis wirklich Weltklasse sind. Es ist kein Zufallsprodukt, dass Julia Görges das Turnier in Stuttgart gewinnt. Und dass Andrea Petkovic bei den letzten beiden Grand Slams unter den letzten acht war. Sabine Lisicki gehört auch dazu. Es sind drei, die jetzt richtig Gas geben und auch noch kein hohes Tennisalter haben.

Ihre Spielerinnen kennen sich seit Jugendtagen, sind befreundet. Ist der gegenseitige Ansporn ein Vorteil?

Auf jeden Fall. Besonders Julia Görges und Andrea Petkovic haben kapiert, wie gesund es ist, wenn die andere gut spielt. Da ist wenig Neid im Spiel, sie haben Spaß miteinander und respektieren sich. Und so ziehen sie sich gegenseitig, das hat einen enorm positiven Effekt.

In Paris sind die Nummer eins und zwei bereits früh gescheitert. Ist das Frauentennis allgemein schwach?

Man kann es auch als Stärke sehen, dass das Feld so nah beieinander ist. Es gibt im Moment eben keine absolute Nummer eins. Es fehlt eine Spielerin mit der absoluten Extraqualität.

Welche Möglichkeit bietet dieses Machtvakuum den deutschen Spielerinnen?

Ich denke, das ist eine Riesenchance. Ich bin mir ganz sicher, dass Andrea Petkovic und Julia Görges diesen Weg gehen und in die Top Ten kommen werden. Julia Görges braucht einfach noch ein klein wenig mehr Abgezocktheit und Erfahrung.

Sie betreuen Petkovic und Görges bereits seit sie 13 sind.

Nun ja, ich lasse niemanden fallen und ich dränge mich nicht auf. Aber wenn die Mädchen es wollen, bin ich für sie da. Für mich ist es wichtig, dem Umfeld der Spielerinnen zu sagen: Ich sitze mit euch im Boot. Ich gehe unter mit euch, und ich feiere auch gerne mit euch. Dieser Zusammenhalt tut gut.

Sie haben etwas geschafft, wovon der deutsche Männerbereich lange geträumt hat: Eine Gemeinschaft unter den deutschen Damen ...

... ich glaube, es ist ganz wichtig, dass ich auch den Junioren-Bereich der Frauen betreue. Daher lerne ich sie schon mit 13, 14 Jahren kennen, ich kenne die Macken von jeder und weiß, wie sie tickt. Das ist ein großer Vorteil. Und gerade bei den Mädchen ist dieses Vertrauensthema ganz wichtig.

Sie waren damals beim Boom, den Steffi Graf auslöste, noch hautnah dabei. Erleben wir heute wieder einen ähnlichen Aufschwung?

Selbst wenn ich zum Frisör gehe, sprechen mich die Leute inzwischen auf die Erfolge an. Aber wichtig ist, dass dieser kleine Boom jetzt nachhaltig ist. Es ist ein kleiner Anfang für einen anderen Boom als den von Steffi – einen ganz neuen.

Das Gespräch führte Petra Philippsen.

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