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Sport: „Ich umarme Mayer-Vorfelder“

Der künftige Verbandschef Zwanziger über den DFB, Klinsmann und Werte

Herr Zwanziger, Sie sind zuletzt in der Fankurve von Borussia Mönchengladbach gesehen worden…

Wieso sollte ich das leugnen? Ich bin seit 40 Jahren Fan der Borussia, und es gab Zeiten, da konnte ich nachts wegen Mönchengladbach nicht schlafen. Vorige Saison, beim letzten Spiel auf dem Bökelberg, war ich noch einmal in der Fankurve. Ich muss nicht in der VipLoge sitzen.

Fühlen Sie sich da nicht wohl?

Das richtige Fußball-Klima erleben Sie in Vip-Logen in aller Regel nicht. Das erleben Sie, wenn Sie normal im Stadion sitzen und eine Bratwurst essen. Ich weiß aber, dass Vip-Logen nötig sind. Allerdings habe ich dort bei manchen Leuten das Gefühl, dass sie sich nicht so sehr für Fußball interessieren, sondern dass es mehr ums Business geht. Mich dürfen Sie nicht ansprechen, wenn Gladbach spielt oder die Nationalmannschaft. Manchmal wünsche ich mir sogar, wieder auf der Stehtribüne zu stehen.

Als DFB-Präsident wird das schwierig.

Das sind halt die Nachteile. Ich bin ein offener, spontaner Mensch. Nun werde ich mich etwas bremsen müssen.

War es denn eine spontane Entscheidung, für das Amt zu kandidieren?

Spontan nicht, aber sie war mit viel Emotionalität verbunden. Es war eine der schwersten Entscheidungen der letzten 20 Jahre, als ich zu Gerhard Mayer-Vorfelder sagen musste: Ich bin bereit, gegen Sie zu kandidieren. Zu einem Präsidenten, zu dem ich ein ausgezeichnetes Verhältnis habe. Aber es war notwendig für die Zukunft des Verbands. Das hat MV akzeptiert. Unser Grundvertrauen ist erhalten geblieben.

Das ist schwer vorstellbar.

Das verstehe ich. Aber ich kann Ihnen sagen, dass das kein Schauspiel ist. Wenn wir uns im Büro sehen, umarmen wir uns erst einmal. Ich mag ihn.

Warum denn?

Ich mag seine angenehme Kinderstube. Ich habe ihn noch nie brüllen hören. Er ist ein Mensch, der lachen kann und Stehvermögen hat. Und ich mag seine generalistische Art zu arbeiten.

Herr Mayer-Vorfelder ist also künftig für die große Linie zuständig, und Sie kümmern sich um die Details?

Diesen Weg sind wir bewusst nicht gegangen. Stattdessen wollen wir die Zukunft des DFB gemeinsam gestalten. Dazu werde ich meinen Teil beitragen, unter anderem bin ich verantwortlich für die U-21-Nationalmannschaft und alle anderen Juniorenteams, die Trainer-Angelegenheiten und das weite Feld des Amateursports.

Das heißt: Für die A-Nationalmannschaft ist Mayer-Vorfelder zuständig.

Nein, die Nationalmannschaft gehört nicht einem alleine. Die Führungsaufgaben soll ein Team übernehmen, dem Gerhard Mayer-Vorfelder, Ligachef Werner Hackmann, Generalsekretär Horst R. Schmidt und ich angehören. Und MV hat die Federführung.

Bundestrainer Jürgen Klinsmann sagt aber: Gerhard Mayer-Vorfelder ist mein Chef.

Wenn Jürgen Klinsmann Herrn Mayer-Vorfelder als seinen Ansprechpartner empfindet, kann er ihn natürlich jederzeit sprechen. Aber die Fragen, die zu entscheiden sind, werden wir in dieser Arbeitsgruppe entscheiden.

Zurzeit gibt es Streit um das Mannschaftsquartier für die WM 2006. Der Bundestrainer will nicht nach Leverkusen, Sie bestehen darauf, Mayer-Vorfelder schweigt.

In der Sache gibt es keine Meinungsverschiedenheit zwischen Gerhard Mayer- Vorfelder und mir.

Aber er hat noch nicht öffentlich gesagt: Ich stehe hinter Theo Zwanziger.

Das muss er nicht. So selbstbewusst bin ich. Ich muss mir nicht jeden Tag seine Zustimmung einholen. Gerhard Mayer- Vorfelder hat selbst die Vereinbarung mit Leverkusen getroffen. Da kann er jetzt nicht sagen: Ätsch, das gilt nicht mehr.

Wenn es Probleme gibt, muss der Zwanziger einspringen. Und wenn es den Glanz gibt, beim Länderspiel, steht der andere Präsident im Vordergrund.

Ach, was heißt Glanz? Ich lege keinen großen Wert darauf, auf der Ehrentribüne zu sitzen und in eine Fernsehkamera zu lächeln. Das sagt weder meiner Frau zu noch mir. Mir ist Inhalt wichtiger als der Schein.

Haben Sie in der Quartierfrage überhaupt einmal mit Jürgen Klinsmann geredet?

Nur kurz. Er hat gesagt: Herr Zwanziger, das ist doch kein weltbewegendes Thema. Leider hat er dann selbst wieder Drive in die Sache gebracht, indem er auf einem Alleinentscheidungsanspruch beharrt hat. Das ist der eigentliche Dissens. Aber diese Situation war abzusehen. Als wir in Stuttgart den Vertrag mit Klinsmann ausgehandelt haben, hat Gerhard Mayer-Vorfelder zu mir gesagt: Da haben wir uns was eingehandelt, das wird uns noch Spaß machen.

Ist Klinsmann für Sie schwer zu erreichen?

Das lässt sich nicht leugnen. Er ist eben nicht jeden Tag hier. Aber ich werde das Problem mit ihm ausräumen. Bei passender Gelegenheit wird es zu einem Gespräch kommen.

Warum schreiben Sie Jürgen Klinsmann keine E-Mail, er kommuniziert auf diesem Weg mittlerweile mit seinen Spielern?

Ich bin kein großer E-Mail-Schreiber, da müsste ich meine Gewohnheiten doch sehr ändern.

Kann es noch einen Kompromiss geben, mit dem beide Seiten das Gesicht wahren?

Über einen Kompromiss kann man erst reden, wenn ein schlüssiges Alternativkonzept vorliegt. Das ist die Aufgabe von Jürgen Klinsmann. Wenn er sagt, das ist nicht optimal hier, soll er erst mal ein besseres Konzept präsentieren. Und dann gucken wir uns an, ob es wirklich besser ist. Es nützt ja nichts, wenn Sie ein Quartier haben, bei dem der Fahrtweg eine Viertelstunde kürzer ist, es dafür aber andere Probleme gibt.

Gibt es denn eine schriftliche Vereinbarung mit Leverkusen?

Es gibt klare Vereinbarungen. Und beim DFB war es immer so, dass ein Handschlag oder ein Wort gilt. Wir müssen unsere Glaubwürdigkeit behalten. Jürgen Klinsmann hat in allen sportlichen Dingen das Sagen, auch in der Quartierfrage. Das hat er sich in seinen Vertrag schreiben lassen. Aber wir können nicht alle anderen Verträge, die wir vorher geschlossen haben, in Frage stellen, nur weil wir einen neuen Bundestrainer haben.

Sie sind auch Vizepräsident des Organisationskomitees zur WM 2006. Fühlen Sie sich Leverkusen deshalb mehr verpflichtet, als Jürgen Klinsmann das tut?

Bei der WM-Bewerbung hat Leverkusen uns geholfen. Das können wir nicht einfach wegwerfen. Ich glaube, das hat Jürgen Klinsmann bei seiner Betrachtung noch nicht genügend einbezogen. Vielleicht müssen wir ihm diese Zusammenhänge noch einmal deutlich machen.

Überfordert Klinsmann den DFB?

Das Positive an Jürgen Klinsmann ist, dass er unbequem denkt. Vielleicht haben wir früher manchmal zu angepasst reagiert. Dass der Trainer die Nationalmannschaft auf das Spiel konzentrieren will, unterstütze ich. Dabei muss er nur aufpassen, dass gewachsene Strukturen und Verbindungen nicht verloren gehen.

Jürgen Klinsmann sagt, er kenne die Zusammenhänge von früher. Ist der künftige DFB- Präsident ein Mann von früher?

Wenn einer, der Verträge achtet und mit Partnern anständig umgeht, von früher ist, dann will ich von früher sein.

Wie wichtig ist Ihnen Gerechtigkeit?

Der DFB darf kein Verband werden, der sich nur Gedanken darüber macht, wie er viel Geld verdienen kann. Er muss wertorientiert handeln. Deswegen werde ich immer deutlich brandmarken, dass es auf der einen Seite das Ehrenamt gibt und auf der anderen unglaubliche Millionensummen im internationalen Fußball. Ich kann die Menschen verstehen, die das sozial für ungerecht halten. Das muss man diskutieren, auch wenn ich es nicht ändern kann.

Ist es nicht deprimierend, dass Sie das selbst als Präsident nicht ändern können?

Ich bin ja nicht der liebe Gott. Wenn ich es wäre, würde ich mir vielleicht Gedanken machen, wie ich es ändern kann.

Das Gespräch führten Stefan Hermanns und Robert Ide.

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