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Sport: "Ich will so schnell wie möglich raus"

SILVERSTONE/HAMBURG (sid). 24 Stunden nach seinem Horror-Crash schmiedete Michael Schumacher schon wieder Pläne.

SILVERSTONE/HAMBURG (sid). 24 Stunden nach seinem Horror-Crash schmiedete Michael Schumacher schon wieder Pläne. Noch im Krankenbett sah er sich seinen schlimmen Unfall erstmals im Fernsehen an und konnte sogar darüber scherzen. "Am Bildschirm sieht das gar nicht so dramatisch aus", meinte der Ferrari-Pilot, der am Montag morgen nach seiner Operation im Krankenhaus von Northamton sofort mit der Krankengymnastik begann. "Ich möchte so schnell wie möglich raus und so schnell wie möglich mit der Rehabilitation anfangen", meinte der "Promi-Patient", bevor ihn der Hunger überkam. Schumacher schickte seinen persönlichen Physiotherapeuten Balbir Singh - einen Inder - zum Chinesen und ließ es sich dann schmecken.Noch immer herrscht bei Ferrari Ratlosigkeit, wie es überhaupt zu diesem Unfall kommen konnte. Bei Tempo 300 verlor Schumacher die Kontrolle über sein Rennauto, schoß wie eine Rakete von der Strecke und krachte mit 190 km/h in einen Reifenstapel. Die Vorderräder des Ferrari blockierten, die Hinterräder drehten sich jedoch weiter. Die Inboard-Kamera zeigt deutlich, wie Schumacher verzweifelt versucht, zu lenken. Doch das rechte Vorderrad bewegte sich überhaupt nicht, das linke reagierte nur leicht.Bremsdefekt, Lenkungsbruch oder steckengebliebenes Gaspedal? "Die Bremswirkung der Hinterräder war zu gering", lautete die wenig überzeugende Antwort von Teammanager Stefano Domenicali. Mit einem Ergebnis der Unfallursache rechnet Ferrari im Laufe dieser Woche. Wichtige Aufschlüsse könnte die Auswertung der Black Box liefern. Dort sind sämtliche Daten von Schumachers Ferrari gespeichert. Die Rennleitung hat die Black Box beschlagnahmt, will die Ergebnisse nach Abschluß der Untersuchung umgehend mitteilen.Wurde zunächst von einer sechswöchigen Pause für Schumacher gesprochen, sagte Ferrari-Pressesprecher Claudio Berro am Tag nach dem Schock: "Für mich wäre es schon ein kleines Wunder, wenn Michael bis zum Rennen in Monza wieder fit ist." Damit würde Schumacher sogar mindestens acht Wochen ausfallen, denn der Italien-Grand-Prix findet am 12. September statt. Sicher ist, daß der 30 Jahre alte Kerpener bei den Rennen in Zeltweg (25. Juli), Hockenheim (1. August) und Budapest (15. August) fehlen wird."Normalerweise dauert die Rehabilitation nach so einer Verletzung zwölf Wochen. Da Schumacher ein austrainierter Leistungssportler ist, kann es aber schneller gehen", sagte Klinik-Direktor John Wilson im General Hospital in Northampton, in dem Schumacher am Sonntag abend zwei Stunden operiert worden war, auf einer Pressekonferenz am Montag. "Schumi" soll am Dienstag in eine andere Klinik verlegt werden.Bei der Operation war Schumacher eine Metallplatte in das verletzte rechte Bein gesetzt worden. Noch vor dem Eingriff telefonierte der Ferrari-Star mit seiner Ehefrau Corinna, die bei dem Unglück mit den Kindern Gina Maria und Mick daheim in der Schweiz fassungslos vor dem Fernseher saß. "Keine Angst, ich lebe. Alles wird gut", flüsterte Schumacher seiner Gattin durch das Telefon. Noch am Sonntag abend flog Corinna Schumacher nach London und fuhr danach in das Krankenhaus, wo sie wie auch Michaels Bruder Ralf die Nacht verbrachte.Schumacher muß sein Vorhaben, nach 20 Jahren den ersten WM-Titel für Ferrari zu holen, auch in seinem vierten Anlauf aufgeben. Auch wenn Weltmeister Häkkinen als sein größter Rivale in Silverstone ausgefallen ist: Wenn Schumacher nach seiner Pause wieder ins Cockpit steigen sollte, ist ihm der Finne mit Sicherheit enteilt. Zudem kommt ein weiterer Konkurrent künftig aus dem eigenen Team. Nach dem zweiten Platz in England liegt Kollege Eddie Irvine zur Saison-Halbzeit in der Gesamtwertung gleichauf mit Schumacher (je 32 Punkte) hinter Häkkinen (40) auf Rang zwei.Wenn Schumacher nach seiner Verletzungspause zurückkehrt, wird er bei Ferrari mit der für ihn ungewohnten Situation leben müssen, hinter Irvine nur die Nummer zwei zu sein. Der Nordire erhält als Silberpfeil-Jäger Nummer eins bei Ferrari von allerhöchster Stelle Rückendeckung. "Der WM-Traum ist noch nicht ausgeträumt. Wir können den Titel auch ohne Schumacher gewinnen, denn wir haben ja Irvine", meinte Gianni Agnelli, Fiat-Ehrenpräsident und als graue Eminenz noch immer mächtigster Mann bei den Italienern, schon."Schumi", dem bei Ferrari vertraglich der Nummer-eins-Status zugesichert sein soll, müßte bei seinem Comeback somit für den neuen Ferrari-Titelkandidaten Irvine fahren. Ob der Kerpener mit dieser Rolle leben kann, erscheint fraglich. Sollte Eddie Irvine sogar Weltmeister werden, dürfte sich an der neuen Hackordnung normalerweise nichts ändern. Aus diesem Grund wird bereits damit spekuliert, daß Michael Schumacher im nächsten Jahr in einem Silberpfeil sitzen könnte, wenn Weltmeister Mika Häkkinen das Millionenangebot von Stewart annehmen sollte.Wer Schumacher in den nächsten Rennen ersetzen soll, ist noch offen. Zuerst wolle man in dieser Frage die Meinung des Deutschen einholen, um dann die Strategie zu beraten, hieß es am Montag bei Ferrari. Bei den Testfahrten in dieser Woche wird Minardi-Pilot Luca Badoer aus Italien im Cockpit sitzen, als Favorit wird aber Jean Alesi gehandelt.

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