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Sport: „Ich wollte es allen zeigen“

Motorrad-Pilot Sandro Cortese über seinen ersten Sieg nach fast sieben Jahren, das Duell in der letzten Kurve und die Parallelen zu Dirk Nowitzki

Herr Cortese, stören wir Sie gerade beim Pokalstreicheln?

(lacht) Nein, ich liege im Bett. Wir fahren zusammen im Wohnmobil heim. Papa fährt, mein Chefmechaniker ist auch dabei, und ich ruhe mich ein bisschen aus. Der Tag gestern war doch sehr anstrengend. Wir sind mit dem Team abends essen gegangen und danach noch feiern. Nicht allzu lange, aber doch ausgiebig.

Aber der Pokal ist ganz geblieben?

Ja, das ist ja ein Glaspokal, der ist schön sicher in einer Hülle eingepackt.

Wie fühlt es sich an, nach fast sieben Jahren endlich ein Grand-Prix-Sieger zu sein?

Es ist mir ein Riesenstein vom Herzen gefallen. Ich war immer dicht dran und habe gedacht: Der Sieg kommt, der Sieg kommt. Aber er kam nicht. Ich hatte viele Polepositions und Trainingsbestzeiten, aber am Ende hat immer jemand anderer ganz oben gestanden. Dass ich das jetzt geschafft habe, freut mich unheimlich.

In den letzten beiden Runden haben Sie sich in Brünn mit dem ebenfalls noch sieglosen Franzosen Johann Zarco ein heftiges Duell geliefert. Können Sie beschreiben, was auf der Strecke und bei Ihnen im Kopf los war?

Ich war so konzentriert. Ich habe 17 Runden lang gewartet und in den letzten zwei Runden einfach attackiert. Nachdem ich ihn zum ersten Mal überholt hatte, bin ich nur noch Kampflinie gefahren. Als er mich zurücküberholt hat, habe ich sofort versucht zu kontern und zu schauen, dass er nicht mehr vorbeikommt.

In der letzten Kurve gelang Ihnen das mit einem knallharten Manöver.

Ich wusste, dass es für ihn extrem schwer wird. Man kann einen dort nämlich nur schwer ausbremsen, weil es eine Links-Rechts-Kombination ist. Und ich war auf einer guten Linie. Ich habe mir gesagt: voll reinhalten, egal was passiert. Ich hab nichts zu verlieren.

Dabei haben Sie sich sogar berührt. Haben Sie einen Ausfall in Kauf genommen?

Ja. Ich wäre lieber gestürzt, als wieder nur Zweiter zu werden. Ich fahre in erster Linie für mich – aber ich wollte auch jedem, der an mir gezweifelt hat, beweisen, dass ich siegen kann. Ich wollte es allen zeigen.

Haben Sie selbst in der langen sieglosen Zeit auch mal an sich gezweifelt?

Nein, ich habe nie Selbstzweifel gehabt. Sonst hätte ich sofort aufgehört. Ich fahre ja nicht mit, um happy mit Platz vier zu sein. Ich habe immer gewusst, dass ich es kann, es hat halt nie alles zusammengepasst. Ich denke, das Schwierigste ist, überhaupt das erste Mal zu gewinnen. Jetzt weiß ich, wie es geht.

Wie viel Schuld tragen Sie selbst daran, dass es so lange gedauert hat? Dirk Raudies, der Weltmeister von 1993, unterstellte Ihnen, einzelne Highlights zu setzen und abzutauchen, wenn es wirklich zählt.

Wenn man nicht gewinnt, ist der Fahrer natürlich zu 50 Prozent daran beteiligt. Es hat gedauert, bis ich alles umsetzen konnte. Aber es hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können, nach dem schwierigen Rennen in Mugello und dem katastrophalen Heimrennen am Sachsenring. Das war ein Ausrufezeichen, nicht nur ein Highlight, sondern ein Meilenstein für mich und das Team.

Sie sind der zweite deutsche Spätstarter in diesem Jahr, der nach langem Anlauf triumphiert. Hat Sie der Basketballer Dirk Nowitzki motiviert?

Das habe ich natürlich mitverfolgt. Es gibt eine Reihe Sportler, bei denen sich der Erfolg erst später eingestellt hat. Ich will mich nicht mit Roger Federer vergleichen, aber der hat auch eine Weile gebraucht, bis er sein erstes großes Tennisturnier gewonnen hat. Und wenn es bei einem etwas länger dauert, aber er nie an sich zweifelt und es dann Klick macht, gehen die Erfolge viel einfacher von der Hand. Der Kopf ist dann frei, dann kann auch mal ein kleiner Rückschlag kommen, das kann man dann trotzdem wegstecken. Und es ist auch nie zu spät, dass man noch immer eine richtig gute Karriere hinlegt.

Sie nehmen nun also Anlauf auf den Titel?

Ich habe nur noch 35 Punkte Rückstand auf Nicolas Terol, es ist alles drin. Ich schaue nicht auf die Tabelle, aber wenn ich weiter so starke Rennen liefere, werde ich auch am Ende ganz vorn mit dabei sein.

Es soll nicht bei einem Pokal bleiben?

Nein, das wäre ja schlimm, wenn ich das alles nur einmal erleben dürfte. In erster Linie das Gefühl, ganz oben zu stehen und die Nationalhymne zu hören – das ist weitaus bedeutender als der Pokal.

Sie haben dabei sehr inbrünstig mitgesungen. Haben Sie zu Hause vorher geübt?

Ich denke, das sollte man können.

– Das Gespräch führte Christian Hönicke.

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