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Sport: „Im Basketball war ich talentierter“

Patrick Owomoyela über seinen langen Weg in die Fußball-Nationalmannschaft

Herr Owomoyela, Sie sind Nationalspieler, wechseln zur neuen Saison für 2,5 Millionen Euro von Bielefeld nach Bremen. Stimmt es, dass Ihnen in der Jugend mal ein Trainer geraten hat, besser Schach zu spielen statt Fußball?

Das habe ich auch gelesen, nur weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, ob dieser Satz wirklich so gefallen ist. Aber es gab auf jeden Fall Leute, die mir gesagt haben: Profi wirst du bestimmt nicht. Dazu fehlen dir die Fähigkeiten.

Bielefelds Trainer Uwe Rapolder hat gesagt, wer in Deutschland einen kopfballstärkeren, schnelleren und zweikampfstärkeren Spieler auf der rechten Abwehrseite findet als Patrick Owomoyela, soll ihn ihm zeigen. Hat er Ihnen erst klar gemacht, wie gut Sie wirklich sind?

Das nicht, aber unter ihm habe meine größte Entwicklung gemacht. Rapolder hat mich taktisch und körperlich weitergebracht, er hat erkannt, dass ich meine Stärken in der Defensive besser einbringen kann. Als wir in der Zweiten Liga noch weit von den Aufstiegsplätzen entfernt waren, hat er schon zu mir gesagt: Junge, wenn du so weiter arbeitest, wenn du das und das befolgst, mir vertraust und selbst daran glaubst, dann kannst du sogar Nationalspieler werden.

Das haben Sie ihm nicht geglaubt, oder?

Doch, ich war schon offen dafür. Ich wollte das probieren. Ich hätte nie gesagt: Das schaffe ich nicht. Jemand wie Rapolder sagt das mit der Nationalmannschaft nicht so daher. Wir haben bei Arminia schnell gemerkt, dass er taktisch viel drauf hat. Anfangs waren wir bei seinen Methoden skeptisch. Aber dann ging alles in eine Richtung: rasant nach vorne.

Bei Ihnen ist es im vergangenen Jahr auch rasant nach vorne gegangen: von der Zweiten Liga in die Nationalmannschaft. Wo waren Sie eigentlich die 24 Jahre davor?

Gute Frage. Bis ich 18, 19 war, habe ich nie ernsthaft das Ziel verfolgt, Profi zu werden. Natürlich habe ich mit Leidenschaft Fußball gespielt. Aber seitdem ich zwölf war, habe ich auch Basketball gespielt. Das war Trendsport und eigentlich viel cooler. Auch bei den Mädels.

Was konnten Sie besser: Fußball oder Basketball?

Eigentlich war ich im Basketball talentierter. Nur hatte ich nicht diese Geradlinigkeit. Meine Mitspieler haben dreimal die Woche trainiert und sind noch jeden Tag in die Halle gegangen und haben auf die Körbe geworfen. Ich hatte dazu gar nicht die Zeit und auch nicht das Interesse, so extrem daran zu arbeiten.

War das beim Fußball anders?

Na ja, ich war nicht gerade das Riesentalent, das sich der HSV schon in der C-Jugend schnappen wollte. In der A-Jugend gab es mal leichten Kontakt, aber da hatte ich das Gefühl: Bei denen bist du nur eine kleine Nummer, und nachher wird da nichts draus. Als wir dann mit unserem kleinen Verein …

… mit Stellingen 88 …

… in Hamburg und Norddeutschland recht erfolgreich waren, gab es Interesse aus der Oberliga. Um Gottes willen, habe ich gedacht, Oberliga. Das war mir zu heikel. Ich wollte Verbandsliga spielen, etwas Taschengeld neben der Ausbildung verdienen und nicht in der Oberliga auf der Bank sitzen. Den nötigen Ehrgeiz habe ich erst entwickelt, als ich ein Angebot aus der Regionalliga bekommen habe. Meine Mutter hat gesagt: Probier das. Okay, habe ich gedacht, das ist deine Chance. Hat ja ganz gut funktioniert – obwohl es ein bisschen länger gedauert hat.

Vor ein paar Jahren war Ihnen die Oberliga zu heikel, jetzt spielen Sie in der Nationalmannschaft. Haben Sie nicht das Gefühl: Das ist eine Nummer zu groß für mich?

So sehe ich das nicht. Meine Entwicklung war immer peu à peu: von der A-Jugend in die Regionalliga, von der Regionalliga in die Zweite Liga, von der Zweiten in die Erste Liga und dann ins Nationalteam. Das hat mir gezeigt, dass ich den nächsten Schritt gehen kann – wenn er nicht zu groß ist. Ich habe mich immer entwickeln und mich anpassen können.

Sie haben also nicht das Gefühl, schon am Ende Ihrer Entwicklung zu sein?

Nein, dazu sehe ich noch zu viele Punkte, die ich verbessern kann. Die Tests, die wir bei der Nationalmannschaft gemacht haben, waren sehr aufschlussreich. Man erkennt sofort: Wo hapert es noch?

Spüren Sie Vorbehalte, weil Sie aus dem Nichts Nationalspieler geworden sind?

Irgendjemand hat mal gesagt: Der macht drei gute Spiele und wird gleich Nationalspieler. Das sehe ich anders. Ich bin ja nicht nach einem einzigen Hammerspiel nominiert worden, die Einladung für die Asienreise kam nach einer kompletten Hinrunde. Vielleicht sieht die Entwicklung rasant aus. Aber sie hat drei Jahre gedauert. Das ist eine solide Basis, und deshalb habe auch nicht die Befürchtung, dass später alle sagen: Der Owomoyela, der war doch eine Super-Bratwurst!

Glauben Sie trotzdem, dass Sie wertvolle Jahre vergeudet haben?

Das weiß ich nicht. Vielleicht hätten in der Regionalliga auch drei Jahre gereicht statt fünf. Aber ich schau nicht wehmütig zurück. Ich bin an einem Punkt, an dem ich sagen kann: Das ist super, ein Traum.

Das hört sich fast so an, als wäre Ihr Weg das Resultat einer bewussten Planung.

Ja, nach drei Jahren in der Regionalliga habe ich festgestellt, dass ich mich nicht groß bewegt habe. Also habe ich gesagt: Tu alles für den Fußball, vielleicht schaffst du es doch. Ich habe angefangen, Krafttraining zu machen, und ich bin nicht mehr jedes zweite Wochenende nach Hamburg gefahren, um da meine Freizeit zu verbringen. Da willst du nämlich deine Mutter besuchen, deinen Vater, ein paar Freunde. Das ist richtiger Termindruck, keine wirkliche Erholung.

Sie hatten jetzt auch ein Angebot vom HSV. War es eine bewusste Entscheidung, nicht wieder in Ihr gewohntes Umfeld in Hamburg zurückzukehren?

Absolut nicht. Ich laufe nicht weg vor Hamburg, es war aber auch klar, dass ich nicht der Stadt wegen zum HSV gehe. Ich fühle mich auch in Bielefeld sehr wohl, genauso wie ich mich in Paderborn sehr wohl gefühlt habe.

Dieter Hoeneß, der Manager von Hertha BSC, hat gesagt, er habe mit Ihnen schon geredet, als andere nicht einmal wussten, wie man Ihren Namen ausspreche. Trotzdem haben Sie sich gegen Berlin entschieden. Sind Sie Hertha gegenüber undankbar gewesen?

Dieter Hoeneß hat Recht. Hertha war ohne Frage früh an mir interessiert, schon, als ich noch kein Nationalspieler war. Mit Undankbarkeit hat das aber nichts zu tun. Der Verein hatte eine Zeit lang sehr viel Unruhe, und die Position, die ich bedecken sollte, ist mit Arne Friedrich schon 1a besetzt. Ich habe mich für Bremen entschieden, weil ich das Gesamtpaket für sehr gut halte. Sportlich und im Umfeld stimmt alles. Dort kann ich mich gezielt weiter verbessern.

Welche Rolle hat die WM 2006 bei Ihrer Entscheidung gespielt?

Eine untergeordnete. Ich habe ja auch als Spieler von Arminia Bielfeld den Sprung in die Nationalmannschaft geschafft. Mir hat niemand geraten: Du musst zu einem großen Verein wechseln. Unter Jürgen Klinsmann ist Leistung ausschlaggebend, nicht für welchen Verein du spielst.

Und das Geld? In der „Sport-Bild“ stand, Sie verdienten bei Werder 600 000 Euro im Jahr. Für einen Nationalspieler ist das fast bescheiden.

Das sind doch nur Spekulationen. Aber ich bin ein bodenständiger Junge.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns

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