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Sport: Im Berliner Institut für Forschung und Entwicklung geht es um den Materialvorteil für deutsche Sportler

Missmutig blättert Harald Schaale in den Kopien, die vor ihm auf dem Schreibtisch liegen. "Viel kann ich damit nicht anfangen.

Missmutig blättert Harald Schaale in den Kopien, die vor ihm auf dem Schreibtisch liegen. "Viel kann ich damit nicht anfangen. Es geht ständig hin und her, und richtig sieht keiner durch", sagt der 47-Jährige. "Aber vielleicht sind wir schlauer, wenn die Bahnkommission in Berlin getagt hat." Für den Direktor des Instituts für Forschung und Entwicklung (FES) in Berlin werden die kommenden Tage im Velodrom sehr spannend, denn der Beschluss des Rad-Weltverbandes UCI, ab Januar 2000 nach den neuen Bestimmungen zu verfahren, verheißt viel Arbeit. "Wir hatten die UCI über den Bund Deutscher Radfahrer gewarnt, denn alle Länder müssten ihr Zeitfahr-Material wegwerfen", beschreibt Schaale die praktischen Auswirkungen. "Vor allem für die kleinen Länder bedeutet das einen finanziellen Kraftakt, den man kurz vor Olympia in Sydney nicht hätte einleiten müssen", ist auch Daniel Morelon, Frankreichs überragender Bahnsprinter von einst, über die Entscheidung zu diesem Zeitpunkt nicht glücklich. Genau das Gegenteil wollte die UCI mit dem Beschluss "Material 2000" erreichen. Der Geist des Radrennsports fordert, dass die Fahrer bei Wettkämpfen gleichberechtigt antreten, zudem sollte der Mensch den Vorrang vor der Maschine haben, steht in der neuen Vorschrift geschrieben.

Für das FES, das mit 4,5 Millionen Mark vom Bund und 50 Angestellten für zehn Sportarten forscht, entwickelt und baut, steht damit wieder so manche Hauruck-Aktion bevor. Es wäre natürlich nicht das FES, gäbe es den Prototyp (Entwicklungskosten 100 000 Mark) des Olympia-Rades nicht bereits. Die Erfurter Sprinterin Ulrike Weichelt wird ihn im Velodrom im Wettkampf erproben. In der technischen Beschreibung hat der Verband wieder auf die klassische dreieckige Rahmenform zurückgegriffen, wie sie schon zu Beginn des Jahrhunderts üblich war. Selbst ein verkleinertes vorderes Laufrad ist dann nicht mehr erlaubt. Die UCI will die immer wieder aufflammende Diskussion um ständig neue Rahmengestaltungen und Sitzpositionen stoppen, wie sie die Einführung des Triathlon-Lenkers oder die vom Schotten Graham Obree ausgetüftelten Zeitfahr-Maschinen begleitet hatten, bei der der Fahrer fast auf dem Lenker lag. Für den FES-Direktor Schaale, der selbst Vize-Europameister im Segeln war, war das ein völlig zeitgemäßer Vorgang: "Es gibt keine Chancengleichheit. Jeder Verband wird auch in Zukunft versuchen, auch über das Material einen Vorteil zu erzielen. Das ist nun einmal der Charakter des Wettbewerbs."

Im Konkurrenzkampf dominieren (Schaale: "Das größte Kompliment ist der Neid der Anderen"), das steht für alle FES-Aktivitäten über allem. Nicht immer ist das auch sofort erkennbar, wie zuletzt bei der Straßenrad-WM. Jan Ullrich wurde mit einem Velo aus Köpenick, auf dem Pinarello stand, Zeitfahr-Champion. "Warum sollen wir uns zieren, wenn das Team Telekom auf uns zukommt und ein tolles Geschäft anbietet?" Harald Schaale, dessen Team an zwei Standorten 20 bis 25 Projekte pro Jahr verwirklicht, bedauert nur, dass es zu keiner Kleinserienfertigung kommt. "Wir wollen den deutschen Athleten einen Vorteil verschaffen, aber oftmals reicht es gerade einmal für die A-Kader", bedauert er. Es liegen sogar Projekte in der Schublade, die nie zum Einsatz kommen. Ein Ruderblatt für den Riemenbereich, mit dem 20 Prozent mehr Druckkraft erzeugt werden kann, ist ein Beispiel dafür.

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