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Sport: Im Bus zur Grenze

Wie Trainer Paul Coughter mit der libanesischen Basketball-Nationalmannschaft aus Beirut flüchtete

Beirut/Berlin - Um 13 Uhr steht der Basketballtrainer Paul Coughter mit zwei Spielern im Norden Beiruts an einer Ausfallstraße und spürt Hoffnung. Die Hitze drückt, Autos lärmen, Lastwagen wirbeln ihm Staub ins Gesicht. „Es ist nicht sehr schön hier“, sagt Coughter am Telefon, „aber es geht uns gut.“ In fünf Minuten wird endlich der Bus kommen, den er seit einer Woche zu organisieren versucht hat und der ihn mit der heimischen Basketball-Nationalmannschaft über die nördliche Grenze aus dem Libanon hinausbringen wird. Weg von den israelischen Bomben.

Der Trainer hat gerade die schwierigsten Tage seines außergewöhnlichen Berufslebens hinter sich gebracht. In mehr als 100 Ländern auf drei Kontinenten hat der Amerikaner Basketball gelehrt, „aber so etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt Coughter. Zwar fühlte er sein Leben in den vergangenen Tagen in Beirut nicht unmittelbar bedroht. „Ich hatte keine Angst“, sagt er, „aber es ist nur ein schmaler Grad zwischen Besorgnis und Angst.“ Zuletzt warfen die Israelis Bomben auch auf Lastwagen, weil sich darin Raketenabschussrampen der Hisbollah befinden sollen. Doch auf dem Weg zur nördlichen Grenze fürchtet der Trainer keine Angriffe, „die Bomben fallen nur im Süden“, sagt er. Doch die Kämpfe haben seine Arbeit längst sehr beeinträchtigt. „Aus basketballerischer Sicht ist das alles ein Albtraum“, sagt er. Wahrscheinlich nicht nur aus basketballerischer Sicht.

Vor knapp zwei Wochen hat er seine Mannschaft bei Beirut in einem Trainingscamp versammelt, um sie auf die Weltmeisterschaft in Japan (19. August bis 3. September) vorzubereiten. Als Zweiter der Asienmeisterschaft hinter China hat sich das kleine, basketballverrückte Land Hoffnung gemacht, bei der Weltmeisterschaft in die zweite Runde zu kommen. „Das kann man jetzt vergessen“, sagt Michel Beyrouthy vom libanesischen Basketball-Verband. Als die ersten Bomben auf Beirut fielen, brach Coach Coughter das Trainingslager ab und schickte seine Spieler erst einmal nach Hause. „Sie konnten nicht mehr an Basketball denken“, sagt der Coach. „Ich habe viele junge Spieler, 21 oder 22 Jahre alt, die wohnen noch zu Hause und machen sich Sorgen um ihre Mütter und Schwestern.“

Der Vorbereitungsplan ist inzwischen völlig durcheinander geraten. Acht Spiele, darunter ein Turnier in Syrien, hat der libanesische Verband bereits absagen müssen. Nun soll die Nationalmannschaft in Amman, Jordanien, das abgebrochene Trainingslager wieder aufnehmen. Womöglich wird dann auch Centerspieler Paul Khoury aus Salt Lake City hinzustoßen, der wegen der Angriffe in den USA geblieben ist. „Wir arbeiten daran, dass er noch kommt“, sagt Beyrouthy. Bereits am kommenden Donnerstag wird der Libanon in Ankara ein erstes Testspiel gegen die Türkei bestreiten. „Ein Weltklasse-Team“, sagt Coughter respektvoll, „und wir haben noch nicht einmal richtig trainiert.“ Fast klingt es, als sorge er sich über dieses aussichtslose Spiel mehr als über den bewaffneten Konflikt im Libanon. „Ich bin wirklich der letzte Mensch, um über Politik zu sprechen“, sagt der Amerikaner. „Ich finde mich einfach mit den Dingen ab, die ich nicht kontrollieren kann.“ Basketballer kann er kontrollieren.

Der Bus kommt, Coughter steigt ein. Es war nicht einfach, zwölf Nationalspieler darin zu versammeln. „Es fällt ihnen schwer, ihre Familien zurückzulassen“, sagt der Coach. Keiner weiß, wie sich der Konflikt weiterentwickelt. Der Star des Teams, Fady Khatib, wollte sich sogar in sein Auto setzen, um Frau und Sohn ins 2100 Kilometer entfernte Dubai in Sicherheit zu bringen. Coughter konnte ihm diesen Plan ausreden und eine andere Lösung finden. Nun sitzen beide mit den Basketballern im Bus zur Grenze.

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