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Sport: Im inneren Frieden

Pete Sampras verabschiedet sich in New York von den Fans

New York. John McEnroe war gekommen, um dem künftigen Rentner noch eine Chance zu geben. „Die letzte Gelegenheit, nein zu sagen“, rief McEnroe, „willst du es wirklich tun?“ Pete Sampras wollte. Boris Becker flog aus Deutschland ein, um sich scherzhaft über vergangene Schmach zu beschweren. „Das erste Mal trafen wir an einem kleinen Ort namens Wimbledon aufeinander“, juxte Becker, „bevor du kamst, habe ich den Platz besessen. Er war mein Wohnzimmer – und du stahlst die Schlüssel.“ Im Arthur-Ashe-Stadion in New York, wo alles 1990 mit dem ersten Grand Slam-Titel für Pete Sampras begann, verabschiedeten sie ihn am ersten Tag der US Open 2003.

Reden, Umarmungen und gute Wünsche, auch von Sampras’ langjährigem Doppelpartner Jim Courier und seinem Coach Paul Annacone. Andre Agassi, der ungeliebte Dauerrivale, den Sampras vor gut einem Jahr an dieser Stelle nach einem furiosen Comeback auf dem Weg zu seinem 14. Grand-Slam-Titel noch einmal bezwungen hatte, meldete sich via Großbildschirm. „Du bist der Beste, gegen den ich je gespielt habe.“

Schließlich verkündete der Gefeierte, mit einem schwarzen Anzug und einem dunkelgrauen Hemd gekleidet, er habe seinen inneren Frieden gefunden. „Ich bin hundertprozentig fertig. Ich höre auf, weil nichts übrig ist, was ich mir noch beweisen könnte. Ich bin nicht mehr mit dem Herzen bei der Sache.“ Der Abnabelungsprozess von seiner Profession hatte vor über einem Jahr begonnen. Bereits während der US Open 2002 habe er sich hin und wieder gefragt, ob es nicht an der Zeit sei, den Schläger wegzulegen. Doch andererseits sei er fest davon überzeugt gewesen, das Turnier noch einmal gewinnen zu können. Und selbst nach dem Fünf-Satz-Krimi im Finale gegen Agassi kam die Erkenntnis nicht plötzlich über ihn. „Man macht das nicht über Nacht, sondern in einem langen emotionalen Prozess.“.

So langsam, wie die Lust am Tennis abklingt, so langsam schwinden auch die Rivalitäten. Ob er sich vorstellen könne, eines Tages etwa bei der Familie Agassi/Graf zum Dinner vorbeizuschauen? „Ja, warum nicht“, sprach Sampras, „Andre ist einer der nettesten Kerle da draußen. Vielleicht werden wir eines Tages Weihnachten zusammen feiern. So in fünf, zehn Jahren.“

Wie es nun weitergeht als Tennisrentner im Alter von 32, darüber ist sich Sampras noch nicht im Klaren. Eine Karriere als TV-Kommentator à la Becker und McEnroe kann er sich kaum vorstellen. „Ich weiß nicht, ob mir das liegen würde. Da müsste ich ja Kritisches sagen.“ Chef des Davis-Cup-Teams? „Wie ich höre, geht es da viel um Politik“, sagte Sampras, „dazu fehlt mir im Augenblick die Energie.“ Somit bleibt zunächst die Rolle als Familienvater, vor neun Monaten kam Sohn Christian auf die Welt. Sampras versicherte: „Im Windelnwechseln bin ich schon ziemlich gut."

Natürlich spielten Sohn Christian und Frau Bridgette auch eine zentrale Rolle während der Abschiedszeremonie. Als Pete Sampras mit tränenerstickter Stimme ins Mikrofon flüsterte, „ich liebe dich“, entwich den 15 000 Zuschauern ein Seufzer der Entzückung.

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